Down the Trail of Tears - Das große sounds2move-Special zu "Bloodstained Endurance"

GRUPPEN-REVIEW   //   ToT DISCOGRAFIE SPECIAL   //   OWN WORDS VON RONNY THORENS

An dieser Stelle wollen wir für euch noch einmal kurz den bisherigen Werdegang von TRAIL OF TEARS beleuchten, die - den neuen Silberling eingeschlossen - immerhin schon auf sechs Alben und viele bewegte Jahre zurückblicken können. Die Geschichte der Norweger wurde vom s2m-Team entsprechend der offiziellen Veröffentlichungen aufgeschlüsselt und im folgenden für euch zu kurzen und hoffentlich informativen Kapiteln zusammen gefasst. Die beiden Demos "Natt" (1996) und "When Silence cries..." (1997), die in den ersten Jahren der Besetzungs- und Stilwechsel entstanden sind, haben wir bei unserer Betrachtung nicht berücksichtigt.

 

Disclosure in Red (1998)

Wir schreiben das Jahr 1998. Die Gothic-Metal-Welle boomt. Theatre of Tragedy haben mit ihren ersten beiden Alben den Grunz/Frauen-Wechselgesang in Verbindung mit düster-epischem Metal und Klassik-Referenzen etabliert. Vor allem in zwei Ländern gibt es schnell Vertreter, die diesen Stil aufgreifen und noch weiter ausdifferenzieren: in Holland sind dies vor allem Orphanage und Within Temptation und in Theatre of Tragedys Heimat Norwegen bringen 1998 Tristania und The Sins of thy Beloved ihre wegweisenden Debütscheiben an den Start. Im selben Jahr debütiert mit Trail of Tears eine weitere norwegische Band (übrigens auf dem niederländischen Label DSFA Records). „Disclosure in Red“ lautet der verheißungsvolle Titel des ersten Albums der Mannen aus Kristiansand, die mit Helena Iren Michaelsen zu dieser Zeit eine wirklich außergewöhnliche Sängerin am Mikro haben. Besonders schön klingt ihre kraftvolle, energiegeladene Stimme bei den ruhigeren Passagen von „Illusion?“ oder „Words of the Fly“ wohin man dagegen ihrem opernhaften Sopran wohl auch ein gewisses Nervpotential bescheinigen muss. Alles in allem klingen die zehn Stücke recht solide, wenn auch der Sound aus heutiger Sicht etwas Luft nach oben hat. Vor allem die ansonsten ziemlich gelungenen Gitarrenparts wirken etwas drucklos. In jedem Fall hatte die Band schon damals das Gespür für eingängige Melodien („When Silence cries“, „Mournfull Pigeon“), und in Sachen komplexer Songstrukturen („Enigma of the Absolute“, „Temptress“) deute man an, was da noch in Zukunft kommen würde. Auch auf dem Live-Sektor zeigten Trail of Tears frühzeitig Präsenz. Unvergessen bleibt die Tour im Frühjahr 1999 zusammen mit dem fast unschlagbaren Line-up Tristania, The Sins of thy Beloved, Siebenbürgen und Antichrisis. Vor allem der ausdrucksstarke Auftritt von Frontfrau Michaelsen hinterließ bei den Anwesenden nachhaltig Eindruck. Umso überraschender für die Fans folgte dann die Nachricht, dass die Sängerin das Nachfolgealbum zwar noch eingesungen hat, man ansonsten aber getrennte Wege gehen wolle. (AD)

Profoundemonium (2000)

Deutete das Debüt “Disclosure in Red” (1998) bereits das Potenzial dieser noch jungen Formation an, so entfaltet sich jenes Potenzial auf dem unmittelbaren Nachfolgewerk “Profundemonium” ein Stückchen weit und mündet in einem gutklassigen, wenn auch nicht sonderlich innovativen Album. Als repräsentativ für die Trail Of Tears dieser Schaffensperiode sei „Driven Through The Ruins“ genannt. Dieser Track folgt unmittelbar auf das symphonische Intro „Countdown To Ruin“ und besticht vor allem durch den dynamischen Songaufbau. Das typische „Beauty And The Beast“-Gesangsprinzip findet hier zwar auch mehr oder weniger permanent statt, kann aber überzeugen, denn diese Kontraste erzeugen latente Spannung und schmeißen den Hörer von einem Extrem in das Nächste. Das Tempo ist eher gemächlich, der Schwerpunkt wird auf effektive Melodieführungen gelegt. Hierbei spielt das Keyboard wie auch bei späteren Trail Of Tears Veröffentlichungen eine tragende Rolle. Die Stimme von Sängerin Helena Iren Michaelsen hebt sich dabei angenehm von den üblichen Trällerelsen dieses Genres ab und überzeugt mit Kraft, Energie und Leben. Bandchef Ronny Thorsen stellt dem ein bösartiges und ebenso kraftvolles Grunzorgan entgegen. Dies funktioniert dann auch beim Titeltrack und einigen anderen Stücken hervorragend. Auffällig ist, dass bombastische Elemente wie beispielsweise Chöre, mit denen zahlreiche Gothic Metal Bands um sich schmeißen, hier noch nicht sehr ausprägt sind. Die macht „Profundemonium“ erdiger, kerniger und bodenständiger. „Disappointments True Face“, ein 7:30 Minuten langes Stück, ufert verhältnismäßig aus, indem sich dieses Lied in mehrere Segmente teilen lässt, ohne dass dabei ein Gesamtzusammenhang verloren ginge. Vielleicht der heimliche Killertrack auf diesem Album. „Profundemonium“ bietet 11 Lieder und ca. 53 Minuten Spielzeit. Trail Of Tears haben mit diesem Album einen wichtigen Schritt für ihren weiteren Werdegang gemacht. Auch und vor allem weil sich dieses Album von späteren Veröffentlichungen unterscheidet, verdeutlicht es eines sehr gut: Trail Of Tears wandeln sich von Album zu Album und entwickeln sich weiter. Und dies in einem stagnierenden Genre. Hub ab. (CS)

A New Dimension of Might (2002)

Der Entwicklungssprung von Vorgängeralbum “Profundemonium” zu „A New Dimension Of Might“ ist meiner Meinung nach spektakulär. Nicht nur, dass sich Trail Of Tears allerspätestens mit diesem Album in der ersten Liga des Gothic Metal etabliert haben; nein, auch die Tatsache, dass Ronny Thorsen seine musikalische Vision in eine bombastischere und zeitgleich härtere Ausrichtung gelenkt hat, spricht für „A New Dimension Of Might“. So begrüßt einen der Opener „Ecstatic“ mit Blastbeats und einer relativ dickschichtigen Melodielinie, die von Synthies erzeugt wird. Chorale Einsprengsel, weibliche Vocals, Ronnys Kreischorgan und ähnliches lassen befürchten, dass dieses Lied überfrachtet wird. Stattdessen wirkt „Ecstatic“ aufgeräumt, liebevoll bis ins Detail durchdacht und jederzeit souverän. „Ecstatic“ offenbart sich als kleines Meisterwerk, denn Trail Of Tears gelingt es eindrucksvoll, jedes klangliche Element an richtiger Stelle zu platzieren. „A Fate Sealed In Red“ beginnt langsam, beinahe zähflüssig und träge, bevor eine treibende Doublebass und eine symphonische Melodielinie jegliche Trägheit im Keim ersticken.  Der Spannungsaufbau ist hier extrem gelungen, so dass ich mich als Hörer beim Auftreten des ersten Blastbeats in einen Strudel der Verzweiflung und des Zornes versinken sehe. Auch hier ist der Songaufbau sehr dynamisch und flexibel gehalten. So wird der Hörer von erwähntem trägen langsamen Passagen bis hin zu aggressiven Metalparts geschleudert. „Splendid Coma Visions“ hat einen netten, groovigen „Die die die“-Mittelpart, der zum gepflegten Mitschreien einlädt. Auch hier ist das Keyboard melodiebestimmend und agiert nicht nur unterstützend. „Denial And Pride“ ertönt verhältnismäßig eingängig und fällt bis auf moderne Synthieeffekte nicht weiter auf. „Obedience In The Absence Of Logic“ reißt das Niveau schlagartig nach oben und befindet sich auf einer Ebene mit „Ecstatic“. Den Bonustrack „Caffeine“ (Faith No More) hätten sich die Herrschaften allerdings schenken können. „A New Dimension Of Might“ katapulierte Trail Of Tears auf eine neue Ebene. “Profundemonium” ist gut, setzt die richtigen Akzente und ist dabei in sich stimmig, aber “A New Dimension Of Might” ist Klassen, Welten besser. Geht man davon aus, dass Tristania nach „World Of Glass“ (2001) nur noch Schrott zusammengeschrieben haben, so bildet Trail Of Tears seit diesem Album die alleinige Spitze im Bereich des melodiegeschwängerten, symphonischen, bombastischen und dennoch harten Metal. (CS)

 

Free Fall Into Fear (2005)

Mit dem 2005 veröffentlichten Album „Free Fall Into Fear“ gelang Trail of Tears wohl der Clou ihrer Karriere. Wurde die Band zuvor oftmals einfach nur als eine Tristania-Kopie betrachtet - was unter anderem daran lag, dass Trail of Tears mit dem gleichen Produzenten und manchmal auch mit den gleichen Gastmusikern wie Tristania zusammengearbeitet hatten, aber auch daran, dass die Jungs von Trail of Tears und Tristania nachweislich sehr gut miteinander befreundet waren (Trail of Tears Mastermind Ronny Thorsen sang z.B. auch das Tristania-Album „World of Glass“ ein) – so schwamm sich die Band mit „Free Fall Into Fear“ endlich in die musikalische Eigenständigkeit frei. Die Idee, die Trail of Tears auf „Free Fall Into Fear“ in die Tat umsetzten war dabei gleichermaßen einfach wie auch effektiv: Man verzichtete einfach auf das genre-typische Wechselspiel zwischen männlichem und weiblichem Gesang, und setzte stattdessen lieber auf zwei männliche Timbres. Und so war auf „Free Fall Into Fear“ neben dem gewohnt harschen Gesang von Ronny Thorsen auch die Sangesstimme von Kjetil Nordhus zu hören, der normalerweise bei den göttlichen Green Carnation in Lohn und Brot stand. Schon mit dem eröffnenden „Joyless Trance of Winter“ war dabei klar, dass es sich bei „Free Fall Into Fear“ nicht nur in gesanglicher Hinsicht um ein sehr spezielles Album handeln würde, sondern dass die Band auch musikalisch ein gutes Stück härter geworden war. Verpackt in die bis dato härtesten Kompositionen der Nordlichter bot „Free Fall Into Fear“ somit einen musikalischen Sturm, der sich wohlwollend aus der Masse ähnlich gelagerte Bands hervorhob und auch heute noch zu den Sternstunden des Genres gezählt werden kann. Leider missglückte der Versuch mit dem nachfolgenden „Existentia“ ein ähnliches Kaliber zu erschaffen, was wohl auch an einer aufkommenden Unstimmigkeit innerhalb der Band lag, die bekanntermaßen 2006 im Exodus fast aller Bandmitglieder gipfelte. (NR)

Existentia (2007)

Ende 2006 waren Trail of Tears nach vier veröffentlichten Alben und einem weiteren auf dem Weg für kurze Zeit klinisch tot. Das kam nicht nur für die Fans und das Label, das gerade mit der Promotion für „Existentia“ in die heiße Phase ging, völlig überraschend, sondern auch für Sänger Ronny Thorsen. Für eben diesen vielleicht am meisten, immerhin ist der Norweger das einzige verbliebene Gründungsmitglied in Reihen der Band und zugleich Kopf der Formation. So verkündete Thorsen rasch den Rücktritt vom Rücktritt (von welchem er selbst spontan auf der Bandhomepage erfuhr - sic!) und hatte daraufhin alle Hände voll zu tun sich gegenüber der Musikwelt zu erklären und Aufklärungsarbeit zu leisten. Das Timing für den Ausstieg seiner Bandkollegen kam dabei nicht nur plötzlich, sondern auch beschissen getimt. Mit „Existentia“ war nämlich erst kürzlich ein echtes Ausrufezeichen gesetzt worden, das mit „Deceptive Mirrors“, „She Weaves Shadows“ und „Venom Inside My Veins“ – um nur ein paar zu nennen – zudem nicht arm an kleinen Genre-Hits war. Mit diesem Scheibchen im Rücken und der einen oder anderen interessanten Tour oder Festivalshow wären Trail of Tears endgültig reif für den nächsten großen Schritt gewesen. Aber Pustekuchen, statt dessen lässt die Mannschaft den Kapitän unrühmlich zurück (sounds2move widmet Ronny daraufhin eine größere Story mit der aussagekräftigen Überschrift „Last Man Standing“), der anstatt viel versprechende Live-Visitenkarten abzugeben - man war bereits auf aussichtsreicher Position für die „X-Mas Festival Tour“ gebucht-  nun die Scherben seiner Ex-Kollegen aufkehren und das Profil von Trail of Tears neu modellieren muss. Am Ende werden 2 Jahre ins Land gehen in denen Ronny sich und seinen alten Fans einen Gefallen tut und Cathrine Paulsen zurück in die Band holt, weitere neue Musiker rekrutiert und den Nachfolger „Bloodstained Endurance“ komponiert und wie schon den Vorgänger bei Terje Resnef in Marseilles produziert. Live wird man sich in dieser Zeit nur sporadisch blicken lassen, dann allerdings wie etwa auf dem Metal Female Voices Fest in guter Form und mit dem Gefühl eine humane, funktionierende Einheit vor sich zu haben.

... to be continued – finally... (MR)

Christian Stiewe, Alexander Dontscheff, Nando Rohner & Markus Rutten - www.sounds2move.de


Link: www.trailoftears.no