Down the Trail of Tears - Das große sounds2move-Special zu "Bloodstained Endurance"

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Nach dem erbärmlichen Abklang von Tristania, dem wortlosen Verschwinden von The Sins Of Thy Beloved  und allenfalls soliden Werken von Sirenia sind Trail Of Tears die letzte Bastion an höchstwertigen, symphonischen Gothic Metal aus norwegischen Landen. Das mehr oder weniger vollständig ausgetauschte LineUp konnte Ronny Thorsen jedoch nicht aufhalten und so offenbart sich „Bloodstained Endurance“ als logischer Nachfolger von „Existentia“. Es regieren immer noch Bombast, Symphonie und einem für Gothic Metal Verhältnisse recht hartes Metal Fundament, welches aber jederzeit von einer cleveren und durchdachten Melodieführung geleitet wird. Im Bereich des Gothic Metal ohne den geringsten Zweifel das Album des Jahres. Hört allein den Opener „The Feverish Alliance“ und ihr wisst, was ich meine.

 

Christian Stiewe
 


Trail of Tears kann man gut und gerne als die Wundertüte des norwegischen Gothic Metals bezeichnen. Beliebte Sängerinnen wurden überraschend vor die Tür gesetzt, stilistische Kurskorrekturen führten nicht immer nur zu Begeisterungsstürmen bei den Fans, und nach dem letzten Album „Existentia“ ging  Bandleader Ronny Thorsen sogar die gesamte Mannschaft von der Fahne. Ausgerechnet diese Band scheint nun der letzte Hoffnungsschimmer der einst so stolzen norwegischen Düsterszene zu sein. The Sins of thy Beloved verharren seit fast zehn Jahren in ihrer Totenstarre, Sirenia haben sich mit ihrem neuesten Werk endgültig in poppiger Belanglosigkeit verloren und von Tristania steht nach dem Abgang von Vibeke Stene auch nur noch Selbstdemontage zu befürchten. In so einer Situation ist ein Album wie „Bloodstained Endurance“ wahrer Balsam für die geschundene Seele des Gothic-Metal-Fans. Denn hier stimmt wirklich alles. Zwar benötigte ich etwa zehn Durchläufe, doch dann zündeten fast alle der elf vertretenen Songs und hinterließen nachhaltig ihre Spuren in meinen Gehirnwindungen. An erster Stelle sei „In the Valley of Ashes“ genannt, eine wirklich erstklassig eingängige Gothic-Metal-Hymne. Auch der Titeltrack, der mit einer eindringlichen Geige aufwartet, die Ballade „A Storm at Will“ oder das hart stampfende „Once kissed by the Serpent“ sind allererste Sahne. Daneben gibt es auch experimentelle Stücke wie „Triumphant Gleam“ (Trip-Hop?) oder das sehr düstere „Dead End Gaze“. Die typischen Gothic-Chöre findet man dann im ansonsten sehr harten „Take Aim, Reclaim, Prevail“ und im abschließenden „Faith comes Knocking“. Wenn es überhaupt etwas zu kritisieren gibt, dann dass Heimkehrerin Catherin Paulsen sich mit ihrer klassischen Stimme (im Vergleich zu „A new Dimension of Might“) doch sehr zurück hält, und dass der Refrain von „Farewell to Sanity“ doch etwas arg an Moonspells „Scorpion Flower“ erinnert.

 

Alexander Dontscheff

 

Was einen nicht umbringt, macht einen nur stärker. Diese Devise muss wohl auch Ronny Thorsen berücksichtigt haben, dem im November 2006 kurzerhand fast die gesamte Trail of Tears Besetzung abhanden gekommen ist. Zwar wurde danach noch das Album „Existentia” veröffentlicht, dem man aber die aufkommende Unstimmigkeit innerhalb der Band überdeutlicht anhörte und das somit nur einen halbgaren Eindruck hinterließ. Trotzdem, oder gerade deshalb, melden sich Trail of Tears in diesen Tagen in neuer Besetzung und mit einem aktuellen Werk zurück. Trail of Tears besinnen sich mit „Bloodstained Endurance” auf ihre alten Stärken, was sich nicht nur darin äußert, dass Ex-Sängerin Cathrine Paulsen wieder zur Besetzung gehört, sondern auch in musikalischer Hinsicht steht der neue Silberling dem 2002 Album „A New Dimension of Might” näher als z.B. seinem direkten Vorgänger „Existentia”. So bietet „Bloodstained Endurance” den gewohnten Mix aus opernhaftem Frauen- und harschem Männergesang, während in Sachen Instrumentierung so manch epische Passage aufgeboten wird.  Das mag zwar nicht sonderlich originell klingen, aber Trail of Tears waren so oder so noch nie eine Ausgeburt an Originalität, sondern in früheren Tagen eher wie eine immerhin hochwertige Tristania-Kopie. Doch da Tristania ihr besten Zeiten auch schon lange hinter sich gelassen haben und Bands wie Sirenia nur ein kommerzieller Witz sind, da könnten Trail of Tears mit ihrem aktuellen Album durchaus eine offene Lücke füllen. Denn obwohl „Bloodstained Endurance” wahrscheinlich nie als ein Meisterwerk verstanden werden wird, bietet das Album dennoch sehr solide und gekonnt umgesetzte Songkost. Songs wie der eröffnete Titeltrack, das darauf folgende „Once kissed by the Serpent (Twice bitten by Truth)“, oder auch die eingängige Halb-Ballade „A Storm at Will“ wissen auf alle Fälle gut zu unterhalten.

 

Nando Rohner

 

 

Vielleicht war “Free Fall into Fear” seinerzeit gar nicht so schlecht wie manch einer es gemacht hat. Und trotzdem stinkt die Scheibe meiner Ansicht nach gegen „Existentia“ in allen Belangen ab. Schon allein die Qualitäten von Emanuelle Zoldan werteten das letzte Trail of Tears Album mächtig auf und die Hitdichte sorgte für den Rest. Und jetzt? Jetzt kommt „Bloodstained Endurance“ und mit dem Album eine fast komplett neu formierte Band, darunter auch Rückkehrerin Catherine Paulsen. Bemerkenswert ist, dass trotz der massiven Neubesetzung der Faden von „Existentia“ recht konsequent weitergesponnen wurde, was ausdrücklich als Kompliment gen Ronny Thorsen verstanden werden darf. Dieser bewegt sich hier mit seiner Mannschaft auf durchweg hohem Niveau und vermag es damit Freunden des semi-klassischen nordeuropäischen Gothic Metal ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern. Die sehr theatralischen Vocals von Sängerin Cathrine halten sich von jeglichen Klischees konsequent fort, während Ronny mit druckvollen Shouts jedweden Anflug von Weichspülerei von dannen jagt. Allein „Take Aim, Reclaim, Prevail“ ist ein Kaufargument; hier haben wir es mit einem der geilsten Genre-Kracher der letzten Monate zu tun. Kraftvoll, episch, gesegnet mit majestätischen Chören, wie sie unter anderem die Frühwerke von Tristania und Sirenia prägten, bekommt der Düster Metal Liebhaber hier die prägnante norwegische Schule in Reinkultur geboten. Schon aufgrund der Umstände wie Mastermind Ronny Thorsen nur wenige Wochen vor dem Stichtag für “Existentia” vor zwei Jahren in die Parade gefahren wurde, gönne ich es dem Skandinavier, dass seine neu formierte Truppe nun endlich mit großen Schritten vorwärts kommen und die verdienten Lorbeeren für ihre stets hochwertigen Veröffentlichungen einfahren wird. Mit einem runden, auf ganzer Linie überzeugenden Album wie „Bloodstained Endurance“ im Rücken müsste es allerdings schon mit dem Teufel zu gehen, wenn es mit den Gothic Metallern nicht endlich wieder steil bergauf gehen würde.

 

Markus Rutten

 

Man sagt ja, Metal ist Flucht aus dem Alltag. Wer Metal hört, der ist automatisch schon anders, läuft anders rum, schafft seine ganz eigenen Normen, die man dann als vermeintlich „anders“ tauft. Normierte Kontroverse quasi. Dabei ist es bloß ein übertragendes Bild. Wir finden Pop-Musik auch im Metal: Eingängiges, überproduziertes, nur eben aufgewertet mit dicken Gitarren. Und anderem Image. Und da wären wir schon wieder bei der Flucht aus dem Alltag. Trail Of Tears spielen Gothic-Metal. Das ist schon mal ein guter Vorwand, sie nicht zu mögen: Plakative Outfits, kitschgetränkte Melodien und ganz ganz viel Pathos. Doch würde man es sich zu leicht machen, sie so schnell abzustrafen, in eine Schublade zu packen? Finden wir so was wie, ja, Substanz auf „Bloodstained Endurance“? Ja, hier scheiden sich die Geister. Spärlich gesetzte, einfache Gitarrenläufe; dafür flächige, klebrige Keyboard-Teppiche und ein Wechselspiel aus hohem, weiblichen Gesang und gegrowltem, für mich als Leihen am ehesten direkt neben Moonspell einzuordnen. Die Strukturen sind dabei brav nach Schema F, das Ganze ist eben streng melodisch und letztendlich auch Chorus-betont. Mal geht das auf, mal nicht. Dazu natürlich aalglatt und episch produziert, wie es sich gehört. Aufhorchen lassen nebst Gitarrensoli, nicht spektakulär technisch, aber auf alle Fälle gefühlvoll und catchy gespielt. Aber genug Zynismus. Bei aller, nicht Abneigung, aber Schwierigkeit, die ich mit diesem Genre verbinde, ist „Bloodstained Endurance“ für mich irgendwann sogar recht gut hörbar, teilweise spaßig, und ja, „in Ordnung“ gewesen. Immer knapp an der Schmerzgrenze, immer fast ein Tropfen zuviel im sprichwörtlichen, prall gefüllten Fass, aber letztendlich doch solide gespielt und für Genrefans bestimmt gefundenes Fressen. Leute wie ich mit ebenso, sagen wir „zweifelnden“ Einstellungen und Ansichten dürften hier jedoch nichts verpassen. Ob ich das Teil abseits meiner Arbeit noch mal auflegen werde, bleibt daher fraglich.

 

 

Olivier Haas
 

 

Gääääähn... So kurz und knackig mein ernüchterndes Fazit zum neuen ToT-Langeisen. „Bloodstained Endurance“ hat mich echt fast dazu gezwungen, nach irgendeiner Beschäftigung zu suchen, um nicht die volle Konzentration auf dieses uninspirierte, träge und halbgare Machwerk zu vergeuden. „Triumphant Gleam“ z.B. ist einfach ein sacklangweiliges Lied, das mich mit computergenerierten Beats sowie dem Gejammer und dem künstlichen, erzwungenen Vibrato von Sopran Cathrine Paulsen nervt. „A Storm at Will“ hingegen ist eine waschechte Ballade, kommt ziemlich puritanisch daher und ist (vielleicht gerade deshalb?) mein persönliches Highlight des Albums. ToT verzetteln sich sonst nämlich noch so gerne in Spielereien, die in den seltensten Fällen angebracht wirken. „Take Aim, Reclaim, Prevail“ beispielsweise, das an und für sich (wie so manches Stück auf „Bloodstained Endurance“) so spannend ist wie Eishockey ohne Puck, „überrascht“ einen etwa in der Hälfte mit einer völlig deplatziert wirkenden Jazz-Einlage. „The Desperation Corridors“ zeigt dann noch einmal exemplarisch, was auf ToTs neustem Dreher Programm ist: Immer fast gleich wirkende Strophen wechseln sich mit einem lahmen Refrain ab – das Gesicht möchte einem einschlafen. Richtiger Gothic Metal muss für meinen Geschmack richtig opernhaft bombastisch, richtig düster und richtig spannungerzeugend sein – all das ist „Bloodstained Endurance“ meines Erachtens beileibe nicht. 

 

Richard Hänzi

 

Ich bin, dies gleich vorneweg, kein großer Freund von allem, was mit Gothic zu tun hat oder auch schon nur ein selbiges im Namen trägt; somit ist "Bloodstained Endurance" mein erstes Gothic Metal Album, mit welchem ich mich intensiver auseinander setze. Der erste Eindruck überrascht: Das erwartete, kitschige Gesäusel eines geschminkten Popprinzen oder einer übergestylten Diva bleibt aus, stattdessen poltern mir durchaus schöne Growls entgegen. Damit driften Trail of Tears in den Up-Tempo-Songs schon beinahe in Melodic Death Gefilde ab, was mir doch zu gefallen weiß. Nett! Diese werden zwar rasch von Erwartetem ergänzt, dennoch weit weniger übel, als erwartet. Gleich muss ich aber einräumen, dass die Growls das wohl Einzige sind, was ich an dem Album gut finde. Zu schnell verliert es sich in meinen Ohren im Hintergrund, plätschert eher, als dass die Musik fließt. Hauptschuld daran tragen die weiblichen Gesangparts, leider scheint durch sie beinahe jedes Lied an Identität zu verlieren und lässt die Songs zu einer Masse verschmelzen. So vermochte es auch dieses Trail-of-Tears'sche Album nicht, mir ein neues Genre zu erschließen.

 

Micha Käser

 

Link: www.trailoftears.no