Metal Female Voices Fest 3 Festivalbericht

Auslandseinsatz für sounds2move. Einsatzgebiet: Wieze / Belgien. Ein eher verträumtes Städtchen mitten in Belgien, das an den Tagen um das METAL FEMALE VOICES FEST 3 Fans aus nah und fern ins Land von Pralinen, Schokolade und anderen Süßwaren (und dem dazu passenden TV-Sender von Weight Watchers) gelockt hat. Die Sprachen, die vor den Oktoberhallen an unsere Ohren dringen sind vielfältig. Französisch, Deutsch, Englisch, natürlich Niederländisch und sogar einzelne Brocken Spanisch sowie weitere, nicht näher definierbare Dialekte und Akzente sind zu vernehmen, ein Zeichen dafür, was für eine Ausnahmeerscheinung dieses Festival darstellt.

 


Anachronia

Kleine Bühne:

Die jungen Franzosen ANACHRONIA hatten die Ehre, das dritte Metal Female Voices Fest zu eröffnen. Musikalisch war die Ausrichtung relativ schnell klar. Das klassische Gothic Metal Klischee – auch „Beauty and the Beast“ genannt – kam zum Tragen, aber dennoch konnte man gute Ansätze erkennen. Sängerin Fay fehlt es noch ein wenig an Bühnenpräsenz und Interaktion mit den Zuschauern, denn die dunkelhaarige Französin schaute häufig lieber nach ihren werten Kollegen, denn nach vorn auf die Zuschauer. Aber was nicht ist kann vielleicht noch werden.

Viele europäische Bands freuen sich wenn sie nach Mittel- und Südamerika reisen dürfen. Das Publikum dort ist begeisterungsfähig und enthusiastisch. Die meisten Künstler vom alten Kontinent werden dort wie auf Händen getragen. THE LEGION OF HETHERIA kommen genau aus dieser Ecke (genauer gesagt aus Mexico) und haben es in ihren sehr jungen Jahren (Durchschnittsalter 17!) und nach nur 3 Jahren Bandgeschichte schon über den großen Teich geschafft. Dennoch merkt man der Band ihre Unerfahrenheit an. Zudem ist der Gesang von Sängerin Victoria nicht so mitreißend und ergreifend, wie es einigen anderen Sängerin der Szene vergönnt ist. Auch von den Songs bleibt leider zum jetzigen Zeitpunkt nichts hängen.

 


The Legion of Hetheria

 


Mercury Rain

 

Für das erste Aufhorchen auf der kleinen Bühne konnten SKEPTICAL MINDS sorgen. Die Band, die hauptsächlich in den Beneluxländern und Frankreich mit ihrem Demo „First Experiment“ (2004) sowie dem aktuellen Album „Rent to Kill“ (2005) für eine gewisse Aufmerksamkeit sorgen konnte, arbeitet vermehrt mit elektronischen Samples und hat mit Sängerin Kristell die passende Stimme für ihre Stilmix aus Metal und Electro gefunden. Songs wie „I love you (coz you’re dead)“ gewähren einen guten Einblick in das aktuelle Schaffen dieser Band. Von den bisherigen Newcomern auf diesem Festival sicher der vielversprechendste.

Mit MERCURY RAIN stand sodann die erste erfahrenere Band auf den Brettern der kleineren Bühne. Und die Bühnenerfahrung sah man der multikulturellen Truppe (1 x Frankreich, 2x England, 1x Italien und 1x England/Ukraine) auch an, denn gerade Frontrau Sonia Porzier bot eine ausdrucksstarke Show und suchte den Dialog mit den Zuschauern. Diese konnten sich zudem hauptsächlich über Stücke des aktuellen Konzeptalbums „St. Matthieu“ und die Uraufführung des brandneuen Songs „Red“ freuen. Auch wenn man sich an den teils sehr sphärischen Gesang anfangs etwas gewöhnen muss, so hinterließen Mercury Rain einen guten Eindruck.

 


Autumn

 


Elis
Die altgediegenen Gothic Metaller ASRAI, die im Rahmen der beiden „Dutch Gothic Metal Nights“ im September diesen Jahres erstmals auf deutschem Boden spielten, zeigten sich in Wieze noch eine Spur frischer und spritziger, was ich in erster Linie den wegfallenden Reisestrapazen anrechnen würde. Asrai zeigten sich sowohl optisch als auch musikalisch im erwarteten Rahmen und wie schon in Osnabrück wurde auf Songs der gesamten Schaffensphase zurückgegriffen. Leider sind die Kompositionen der Niederländer nicht jedermanns Sache und somit bewegten sich die Reaktionen im Publikum zwischen Begeisterung und Belanglosigkeit. Am Anstandsapplaus beteiligten sich dennoch auch die Zuschauer, bei denen Asrai weniger hoch im Kurs stehen.

 


Midnattsol Photoshooting

Elis

Headliner der kleinen Bühne waren standesgemäß Liv Kristine und LEAVES’ EYES. Die Norwegerin zeigte sich wieder einmal in einem aufwendigen, sehr schönen Kleid und von ihrer gewohnt sympathischen Seite. Die Bühne wurde passend zum aktuellen Album „Vinland Saga“ mit entsprechenden Stilelementen dekoriert, die das Gesamtbild stimmig und atmosphärisch machten. Im Gepäck hatten Leaves’ Eyes neben ihrer netten Deko auch einen bunten Strauß an Melodien der beiden bisherigen Alben, der u.a. „Farewell Proud Men“, „Leaves´ Eyes“, „Norwegian Lovesong“ sowie die Singlehits „Into your Light“ und „Elegy“ beinhaltete. Um stimmige Kontrastpunkte zu setzen enterte immer wieder Livs Ehegatte und Produzent Alex Krull die Bühne um bei den Duetten wie „Oceans Way“ oder „Solemn Sea“ mächtig für Betrieb zu sorgen. Die Bühnenpräsenz dieses Paares weiß wirklich zu begeistern und auch an diesem Abend ließ die Band durchweg strahlende Gesichter zurück.

 


Midnattsol

 


Asrai

Main Stage:

Zu Hause ist es doch am schönsten dachten sich die Niederländer AUTUMN, die hier in den Beneluxländern noch mal eine Schippe engagierter zur Sache gehen als sie es zuletzt in Deutschland getan haben. Nienke de Jong und ihre Mitstreiter genießen hier einen höheren Status und haben auch mehr Fans am Start. Die gute Laune der Band zeigt sich deutlich und die Zurückhaltung, die noch in Osnabrück vorherrschte, war an diesem Tag wie verflogen. Böse Zungen könnten von einem Unterschied wie Tag und Nacht sprechen, aber das lasse ich an dieser Stelle einfach mal bleiben. Musikalisch gaben sich AUTUMN keine Blöße. Und dass „The Silent Madness“, „Gallery of Reality“ oder „The Green Angel“ starke Songs sind sollte sich mittlerweile auch bis nach Deutschland herumgesprochen haben.


Midnattsol

 


Leaves' Eyes
Seinen voraussichtlich letzten Auftritt mit ELIS bestreitete im Rahmen des MFVF3 Gitarrist „Big J.“, der sich ab sofort anderen Projekten widmen will. Die Band zeigte sich vor den Aufnahmen zu ihrem neuen Album noch einmal verdammt tight und hatte eine Setlist im Gepäck, die sich gewaschen hatte. ELIS wollten an diesem Tag keine Gefangenen machen und so beglückte man Wieze mit Hits wie „Die Zeit“, „Devil’s Temptation“, „Anger“ und dem obligatorischen „Der Letzte Tag“. Zum Abschluss seiner Zeit mit Elis gab Jürgen mit seiner wilden Lockmähne noch mal den Slash und Sängerin Sabine Dünser lieferte eine gewohnt sympathische und überzeugende Leistung ab. Die nötigen Kontraste kamen dabei wie gewohnt vom 2. Saitenmann Tom, der mit seinen tiefen Grunts den passenden Gegenpol zu Sabines glockenklarem, hohen Gesang darstellt. Mit ihrem anstehenden 4. Album ist für die Schweizer-Liechtensteiner Formation der wohlverdiente, flächendeckende Durchbruch langsam mehr als überfällig.

 


Epica

Leaves' Eyes

Als MIDNATTSOL zu den Klängen von „Hall of the Mountain King“ die Bühne betraten war in Wieze schon anständig was los. Die Fans waren heiß auf die Newcomer weil a) diese bisher noch nicht viele Gigs gespielt haben und b) Midnattsol in Benelux seit der Veröffentlichung ihres Debüts „Where Twilight Dwells“ noch überhaupt nicht aufgetreten sind. Der begeisterungsfähige Mob machte jedenfalls Alarm, was sich umgehend auf die überwältigten Musiker übertrug. Auch wenn Sängerin Carmen anfangs kleinere Probleme hatte lieferte sie doch, genau wie ihre Mitmusiker, die wohl beste Show ihrer bisherigen Karriere ab. Der Sound dieser jungen Band hat einfach etwas Besonderes und das wissen die Fans auch in Belgien zu honorieren. Dabei kamen die Songs wie „Haunted“ oder „Lament“ mindestens genauso gut an wie die spätere spontane Autogrammstunde der Band am Merch-Stand, wo sich Carmen, Birgit und ihre Jungs die Finger wund schrieben und für jedes Foto zu haben waren. Spiel, Satz und Sieg für MIDNATTSOL. Mit einem neuen Album im Rücken wird man sicher zurückkommen. Die Fans zählen ab heute die Tage...


Epica

After Forever

Nachdem Midnattsol anständig wirbeln konnten war es an EPICA noch einen drauf zu setzten. Der dauernde Andrang am Merch-Stand und zu diesem Zeitpunkt vor der Bühne sowie die Vielzahl an Epica-Shirts, die man im Laufe des Tages auffällig häufig zu sehen bekam sprachen ein eindeutige Sprache: Epica werden in den Beneluxländern vergöttert. Und man kann es den Leuten auch kaum übel nehmen. Diese Band vermittelt auf der Bühne bei jedem Auftritt ihre Spielfreude und die Ansagen von Sopranistin Simone Simons und ihrem Kreativen Gegenstück Mark Jansen (Ex-After Forever) sind stets sympathisch. So auch an diesem Tag – jedoch mit einer saftigen Verspätung. In Wieze wollte die Band mal richtig dick auffahren und ihr neues Riesenbanner (passend zum aktuellen Album „Consign to Oblivion“) präsentieren. Leider war die Anbringung dieses großen Transparentes auch mit großen Problemen verbunden. Die Stage-Hands haben es nämlich einfach nicht auf die Reihe gebracht das gute Stück ordnungsgemäß anzubringen. Nachdem Epica 20 Minuten überfällig waren mehrten sich auch die Unmutsbekundungen von Seiten der Fans und so starteten Epica wenig später auch mit krumm hängendem Banner in ihr Set. Wenigstens wurden die Fans für die lange Wartezeit angemessen entschädigt, denn die Band holte zum musikalischen Rundumschlag aus. „Feint“, „Cry for the Moon“, „Linger“, “The Last Crusade” und das monumentale Titelstück des aktuellen Albums “Consign to Oblivion”. Die Setlist ließ nun wahrlich keine Wünsche offen und so dankte das Publikum mit lauten Ovationen.

 


Lacuna Coil

After Forever

Floor Jansen und ihre männliche Musikerfraktion mussten an diesem Abend in den Oktoberhallen nicht kleckern, sondern konnten guten Gewissens ranklotzen. Im Gegensatz zu den relativ unspektakulären Bühnenaufbauten bei den Dutch Gothic Metal Nights konnten die Niederländer nämlich dieses Mal ihre „eigene Bühne auf die eigentliche Bühne bauen“, wie Keyboarder Joost van den Brock später erwähnt. Gemeint ist die beeindruckende Stahlträger- und Raiser-Konstruktion, mit der AFTER FOREVER eine tolle Optik bieten konnten. „Und wir haben aus Platzgründen noch einen Teil weglassen müssen“, so der Tastenkünstler nur wenig später mit einem bübischen Grinsen im Gesicht. Während ihres 50-minütigen Gigs zeigten sich After Forever dann gewohnt spielfreudig und mit einer feinen Auswahl bisheriger Glanztaten. Die größte Überraschung stellte dabei mit Sicherheit die sehr emotionale Ballade „Strong“ dar, die der großgewachsenen und in einen weiten Mantel gehüllten Floor Jansen sichtbar unter die Haut ging und auch das Publikum nicht kalt ließ. Zum Abschluss des Auftritts wurde dann mit „The Final Countdown“ noch den alten Helden von Europe gehuldigt, einer Coverversion, die schon im September bei den Deutschlandauftritten im Rahmen des Soundchecks geprobt, aber aufgrund seiner „Unausgereiftheit“ (O-Ton Floor Jansen) zu dieser Zeit noch nicht den Sprung ins fertige Set geschafft hatte.

 


Lacuna Coil

After Forever

LACUNA COIL hatten sich zuletzt in Europa ziemlich rar gemacht und im Gegenzug ausführlich die USA betourt. Das wirkte sich merklich auf die gesamte Bühnenpräsenz der Band aus, die nach ihrer Rückkehr noch kompakter auftrat. Auch der Sound der Band wird sich mit dem nächsten Album „Karmacode“ einer Kurskorrektur in Richtung Amerika unterziehen, wie die Band unlängst in Interviews verraten hatte. Im selben Atemzug wurde jedoch klar gestellt, dass man sich nicht an den amerikanischen Markt anbiedern wolle, sondern primär die Einflüsse der zurückliegenden Touren verarbeiten und den Sound einer „fette, amerikanischen Produktion“ genießen wolle. Auf der Bühne jedenfalls ließ sich deutlich erkennen, dass die Band Korn zu ihren persönlichen Lieblingen zählt, was sich vor allem durch das Stage-Acting (Jonathan Davis und Neu-Missionar-Head lassen grüßen) erkennen ließ. Die Show war ungeachtet dessen absolut sehenswert und auch die Playlist, mit Schwerpunkt auf dem immer noch aktuellen Album „Comalies“, war gespickt mit Höhepunkten. Der Pyrotechniker meinte es unterdessen streckenweise etwas zu gut mit seinem atmosphärischen Nebel, der einen Großteil der Bühne streckenweise komplett verschwinden ließ. Sängerin Cristina Scabbia kämpfte 70 Minuten lang an vorderster Front und schmetterte dabei Gassenhauer wie „Swamped“, „Heaven’s a Lie“ und den Rausschmeißer „Tight Rope“ (allesamt von genantem „Comalies“ Album) in die Weiten der Oktoberhallen. Auch ihr männliches Pendant Andrea und die Instrumentalfraktion warfen sich ins Zeug und machten Appetit auf mehr. Bleibt zu hoffen, dass Lacuna Coil nach dem Erscheinen ihres neuen Albums erst mal „ihren“ Kontinent mit Auftritten bedienen bevor sie wieder den Sprung über den großen Teich machen.

 


Lacuna Coil

Crowd

Das METAL FEMALE VOICES FEST ist nicht nur für Genrefans eine tolle Sache, denn wer den mehr oder minder langen Weg ins belgische Wieze auf sich nimmt bekommt über 10 Bands und faire Preise geboten. Dazu kommt die gute Stimmung, die dieses Festival zu etwas Besonderem macht. Das bunt gemischte Publikum begegnet jedem Künstler mit Respekt – keine Spur von Stinkefingern, Flaschenwürfen oder Pöbeleien, wie es in Deutschland leider hier und da schon die Regel ist. Diese entspannte, aber dennoch begeisterungsfähige Atmosphäre dürfte einer der Hauptgründe für Bands und Zuschauer gleichermaßen sein, sich dieses Festival auch 2006 nicht entgehen zu lassen.

Markus Rutten – www.sounds2move.de

 

Text + Fotos: Markus Rutten, Ausarbeitung: Markus Rutten & Simone Steinbüchel - www.sounds2move.de / 2005

Festivalhomepage: www.metalorganisation.be

Weitere Fotos wurden Elis ( www.elis.li ) und Midnattsol ( www.midnattsol.com ) zur Verfügung gestellt.