Das größe und härteste Metalfestival Europas hat auch
dieses Jahr seinem Namen wieder alle Ehre gemacht. Das Line-Up war wie immer
hochkarätig, dabei vielseitig und Zuschauerorientiert. Für jeden, der Metal
als seine Musik bezeichnet hatte das Wacken Open Air 2004 etwas zu bieten. So
kamen z.B. die Verfechter des Black-Metal mit Bands wie Satyricon (feat.
Darkthrone), Unleashed, Children of Bodom, Mayhem oder auch Arch
Enemy, die mit ihrem Stimmmonster in Form von Sängerin Angela Gossow
am Freitag schon zu früher Stunde eine tolle Show boten, voll auf ihre Kosten.
Aber auch die noch vor Arch Enemy auftretenden niederländischen Dunkel-Metaller
Orphanage konnten mit ihrer teilweise recht melodiösen Darbietung und
dem Wechsel zwischen Grunts und clear Vocals von Sängerin Rosan nicht
nur bei uns punkten.
Aber auch wer einen Tag früher anreiste hatte auf keinen
Fall Grund zur Langeweile. Dieser Tag stand ganz im Zeichen der Altmeister Motorhead
und der bald der Geschichte angehörenden Böhsen Onkelz. Letzte
waren mehr als geehrt, da Veteranen wie Motorhead bestimmt nicht für jede Band
ins zweite Glied rückt und den „Anheizer“ miemt. Lemmy und Co.
fanden dafür natürlich trotzdem eine sehr gut besuchte True-Stage vor und
konnten den Zuschauern bei langsam untergehender Sonne den einen oder anderen
Classiker Marke „Aces of Spades“ oder das aktuelle „Life’s a
Bitch“ um die Ohren hauen. Überraschend: Für die „lauteste Band der
Welt“ war der Sound doch überraschend gut. Im Anschluss folgten die
Onkelz, die beim Wacken ihren einzigen Open-Air Auftritt 2004 bestritten. Durch
das Interview mit Gonzo am Nachmittag und den Soundcheck, der pünktlich
zu unserer Ankunft auf dem Presse-Campingplatz am Vormittag stattfand wussten
wir sehr grob was uns erwartete. Die Onkelz ließen sich nicht lumpen und
mehr als 30 Songs für ihre zum Teil extra für diesen einen Auftritt
angereisten Fans. Dabei kam es zu ein paar ungewohnten Verspielern und
Abstimmungsproblemen, die aber von den Onklez, allen voran Stephan Weidner,
immer mit einem sympatischen Kommentar bedacht wurden. Dennoch war die Stimmung großartig
und vor allem friedlich, auch wenn ein paar unverbesserliche Anit-Onkelz-Fans in den
hinteren Reihen zu Beginn des Gigs auf biegen und brechen eine Konfrontation
herausforderten, welche von den friedlichen Anhängern der Frankfurter jedoch
nur mit einem Schmunzeln bedacht wurden. Die Onkelz spielen übrigens den von Gonzo
im Interview mit uns angekündigten „bunten Mix“ und so wurden u.a. „Hier
sind die Onkelz“, „Nie wieder“, „Für immer“ oder auch das
neue „Superstar“ gespielt. Wer bisher noch keinen der legendären
Live-Gigs der Onkelz besuchen konnte, der wird dies wohl auch nicht mehr tun können,
denn die anstehende Abschiedtournee ist nahezu komplett ausverkauft.
Aber auch weniger dunkel, sondern vielmehr bunt und fröhlich
ging es beim Wacken 2004 zu. Dafür sorgten neben J.B.O. (mit neuem Album
„United Stades of Bloedsinn“ im Gepäck) und Knorkator auch
die Finnen von Eläkeläiset. Dieser illustre Haufe hat den
finnischen „Humppa“ ganz groß auf seine Fahne geschrieben und diesem
nicht nur mit Kommentaren wie „In Humppa we Trust“ gehuldigt, sondern ihn
auch in Reinkultur ausgelebt. Ich hätte nicht gedacht, dass solche Exoten ein
derart großes Publikum anzieht. Der Vorplatz der Party-Stage war nicht nur
voll, sondern zum zerbersten gefüllt. Wo bei anderen Bands die ersten 10-20
Reihen mitgehen, sind bei Eläkeläiset quasi alle Zuschauer dem kollegtiven Humppa-Rausch
verfallen. Stage-Diver noch und nöcher, springen, tanzen, pogo... und das zu
Songs, die auf Akkordions und Mini-Keyboards dargeboten werden. Einmalig und für
mich eines der Highlights des Wacken Open Air 2004. Die spinnen die Finnen?
Definitiv!
Damit noch nicht genug der Vielfalt: Power-Metal oder
traditioneller Heavy-Metal? Das Wacken 2004 hat alles was das Herz begehrt. So
wussten z.B. Brainstorm am Freitag Mittag bei sengender Hitze die Fans
vor der True-Stage ein ums andere mal aus der Reserve zu locken. Dabei kamen
nicht nur Songs wie die Single „Highs without Lows“ bestens an,
sondern Sänger und Entertainer Andy Frack hatte das Publikum zu jeder
Zeit fest in der Hand. Nicht gerade klein war neben den Fans von Halloween,
Nevermore und DIO auch die Schar der Leute, die die einmalige
Chance nutzen wollten um Doro Pesch zum ersten mal seit `86 wieder
zusammen mit dem Original-Line-Up von Warlock zu erleben. Natürlich
spielten Warlock dann nicht irgendwelche Songs, sondern die „Wunschhits“ der
Festivalbesucher, welche im Vorfeld des Festivals auf wacken.com ihre Stimme
abgeben konnten.
Progressiv angehauchten Gothic-Metal boten After Forever,
die zum ersten mal auf dem größten Metal Festival Europas auftraten. Obwohl
die Band hierzulande bei weitem nicht so bekannt ist wie z.B. Nightwish oder
Within Temptation und auch gar nicht wusste was sie hier in Deutschland, wo sie
eher noch zu den Geheimtipps zählen, zu erwarten hat wurde die Band vom
Publikum sehr gut angenommen und musste überrascht feststellen wie viele Leute
hierzulande doch auch ihre älteren Stücke von Alben wie „Decipher“
oder „Prison of Desire“ kannten. Die Musiker um Sängerin Floor
Jansen, die nach dem Auftritt im Interview mit uns immer noch sehr
begeistert über den gelungenen Auftritt und die tollen Fans war, zeigte sich in
bester Spiellaune und Floors facettenreiche Ausnahmestimme tat ihr übriges um für
After Forever den einen oder anderen neuen Fan an Land zu ziehen.
Einen weitern Höhepunkt setzten die US-Trasher Anthrax,
auf die ich mich schon im Vorfeld besonders freute. Und meine Erwartungen
sollten mehr als nur erfüllt werden. Live sind die Anthrax eine Macht, das
beweist nicht nur die zuletzt veröffentlichtet DVD „Music of Mass
Destruction“ . Wenn die Jungs dann noch in Europa spielen bleibt wirklich
kein Stein auf dem anderen. Die Anthrax konnten nach Lust und Laune mit Hits wie
„Antisocial“, „Safe Home“ oder „Caught in a Mosh“
um sich werfen um den eh schon von der Hitze total verbrannten Fans vor der
True-Metal-Stage noch mehr einzuheizen.
Apropos Hitze, davon gab es beim Wacken 2004 mehr als
genug. Nix gegen gutes, trockenes Wetter bei Festivals, aber eine solch dürre,
brennende Hitze macht einem dann doch schon zu schaffen. Beispiel gefällig?
Innerhalb der ersten 2 Tage haben die Sanitäter ca. 15 (!) große Tuben
Sonnencreme auf Sonnenbrand übersähten Körpern verteilt. Im Laufe des
Festivals wurde knapp 1.800 mal Erste-Hilfe geleistet, wobei zu erwähnen wäre,
dass es zu keinen ersthaften Verletzungen kam und es beim Wacken absolut
friedlich geblieben ist – so soll es sein. Gegen Ende nun noch ein paar
weitere interessante Zahlen und Fakten. Stichwort Besucher: 2004 hatte das
Wacken Open Air 33.000 zahlende Besucher, dazu 4.000 Onkelz/Stones Tauschkarten,
2.000 Freikarten für die Anwohner, 3.000 Personen in Crew, Dienstleister, Händler,
Polizei etc. sowie 6.000 VIPs, Pressevertreter, Gäste und Künstler –
Zusammen haben also runde 48.000 Meschen dem W:O:A 2004 beigewohnt und auf 130
Hektar Ackerland, die von 15.000 m Zaun umrandet wurden, die größe Metal-Party
Europas gefeiert. Wer angesichtes des Jahr für Jahr großartigen Line-Ups immer
noch nicht den Weg nach Wacken gefunden hat, der sollte sich schämen und ehrfürchtig
auf den VVK für 2005 warten, denn das Wacken ist mehr als nur ein Festival –
es ist eine Institution, nicht nur im Europäischen Metal.
Markus Rutten – www.sounds2move.de
/ 24.08.2004