Trebur Open Air 2004 / Festivalbericht

 

Freitag, 30.07.2004

In Trebur angekommen, spielt bereits eine der vielen Bands, die an diesem Wochenende das Gelände des Treburer Schwimmbads beschallen sollten. Borealis' Einfluss liegt deutlich bei experimentierfreudigen Bands aus dem Progressivebreich. Progressive Musik ist aber noch lange kein Erfolgsgarant; mit ihrer eigenwilligen Interpretation des Tool-Klassikers "Sober" macht sich die Band hier nicht unbedingt Freunde.

Mit der nächsten Band stehen keine wirklich unbekannten Gesichter auf der Bühne. Nozzle - das sind Dave Blomberg (New Model Army), Michael Dean (New Model Army), Toni Haimi (All About Eve) und John Forrester (Pressgang). Mit ihrem neuen Projekt wollen die Vier back to the roots und damit auch zurück auf die kleinen Bühnen dieser Welt. Es ist jedoch wohl noch zu früh am Tag, denn anders kann ich es nicht erklären, dass sich so viele die Songs vom neuen Album "Twisted Vision" entgehen lassen.

Angelika Express ziehen da schon mehr Leute an. Die drei adretten Herren spielen gepflegten Punkrock, der live noch viel mehr zu begeistern weiß als ohnehin schon auf Platte. Das Trio aus Köln hat es nicht nur musikalisch vollkommen drauf, man merkt ihnen dazu auch noch die absolute Freude am Livespiel an. Daumen hoch!

Das Highlight des Tages naht! Blackmail! Die vier Koblenzer gelten seit einiger Zeit als eine der, wenn nicht sogar DIE, kreativsten Bands Deutschland. Vollkommen zurecht, wie das unglaublich ausufernde "Friend" am Ende des Sets eindrucksvoll beweist. Deutschland braucht mehr solche Bands!
Blackmail elektrisieren und polarisieren wo immer sie können. Die einen lieben Blackmail, die anderen hassen sie abgrundtief. Den Vier selbst scheint das vollkommen egal zu sein. Sie gehen auf die Bühne und ziehen ihr Ding durch - keine Rücksicht auf Verluste. Blackmail strahlen so eine gewissen Rock'n'Roll-Arroganz aus. Da darf auch schon mal gerne das Publikum angepöbelt werden. Alles schon erlebt. Heute geben sich die Jungs aber ganz handzahm; Sänger Aydo kommt sogar nach vorne um bekannte Gesichter zu begrüßen und mit ihnen sein Bier zu teilen. An der Stelle ein Gruß an den "Musiker-Polizisten" und ein herzliches Danke für meine beiden geprellten blauen Knöchel!

Samstag, 31.07.2004

Nach einigem Hin und Her entscheiden wir uns doch noch dazu auch dem 2. Festivaltag bei zu wohnen. Wir kommen spät an, aber wir kommen an. Das ist ja die Hauptsache. April May-B beginnen gerade ihr Set. Die Mainova Sound of Talents-Gewinner verbinden amerikanischen Rockgesang mit wunderschönem britischen Songwriting, das unter die Haut geht. Leider finden sich auch hier wieder nur sehr wenige Zuschauer vor der Bühne ein und dann muss das Quartett sein Set auch noch frühzeitig beenden, da eine Weltpremiere bevorsteht:

Dirk Auer, einigen vielleicht ein Begriff aus "Wetten, dass..." lockt die Fernsehanstalten nach Trebur. Das Gelände wird kurzerhand abgesperrt, da er mit dem Fallschirm aus 1500m Höhe auf dem Platz landen will. Aber nur Landen wäre ja einfach und langweilig - Dirk Auer springt mit Inlineskates, setzt auf und rollt elegant weiter. Rekord! Guinness Buch! Das Ganze sollte wohl spektakulär sein, durch Ansagen seines Promoters und Sponsors getrocknetes Rindfleisch zu kaufen, wurde es allerdings etwas ins Lächerliche gezogen. Die Leute sind schließlich gekommen, um Musik zu hören!

Musikalisch geht's auf der Hauptbühne weiter mit Ska Trek. Wie der Name schon vermuten lässt, gibt es hier Jamaican Ska der 60er von der 11köpfigen Band zu hören - Musik, die eigentlich zum Tanzen animieren soll. In Trebur geschieht allerdinges eher das Gegenteil: Sitzstreik beim Publikum.

An melodischem Pop mit deutschen Texten und einem Sänger, der sich gesanglich von der Masse abhebt findet das Publikum vor der Nebenbühne schon mehr Gefallen - Schein 23 aus Karlsruhe geben alles und den Leuten gefällt es! 200 Sachen reiten voll auf der NDW-Mia-Welle. Auch ohne die Band vorher gesehen zu haben, war uns allen klar, die Sängerin hat blonde kurze Haare, einen Pony und hinten lang – Viva la Klischee.

Nun beginnt der Abend richtig spaßig zu werden. Elfmorgen haben mal wieder die Rocksau ausgepackt. Viele eigens angereiste Fans bringen die Stimmung vor der Nebenbühne zum Kochen. Es ist wirklich faszinierend, dass diese doch noch eher unbekannte Band es immer wieder schafft das komplette Publikum für sich zu gewinnen - neben Elfmorgen sahen selbst die "Großen" alt aus. Elfmorgen hindern sogar Virginia Jetzt! daran, die Bühne pünktlich zu betreten. Das Publikum fordert mehr, aber dafür gibt es noch ein zweites Set.

Schnell rüber zur Hauptbühne, in die zweite Reihe quetschen... Virginia Jetzt! sind nicht neu, dafür aber um so goldiger. Die vier aus dem kleinen Ort Elsterwerda verzaubern die Zuschauer. Mit ihren poppig, emotionalen (Liebes-)Liedern bringen sie sogar Menschen zum Weinen. Sie suchen stets den Kontakt zum Publikum, sie verkaufen sogar noch ihren Merch selbst. Eine sehr sympathische Band!

Und immer wieder Elfmorgen... Am Anfang des zweiten Sets scheinen den dreien die Songs auszugehen. Wieder gibt’s den „Oberlippenbart“ – dem Publikum ist es egal und es wird gerockt. Bis ein kleiner Stromausfall alles durcheinander wirbelt. Aber selbst das ist kein Problem für Elfmorgen. Schnell wird improvisiert und schon ist der Strom auch schon wieder da. Die Leute scheinen komplett vergessen zu haben, dass noch die Donots spielen. Elfmorgen hätten auch die ganze Nacht so weiter machen können. Aber die Donots wurden nun einmal eingeladen, dann sollen sie auch spielen

Die fünf Ibbenbürener kommen auf die Bühne und legen sofort los. Zum ersten Mal geht das Publikum vor der Bühne von Beginn an richtig ab. Mir ist es aber nach drei Liedern genug und ich trete wieder einmal verfrüht den Heimweg an.

Alles in allem ist das 12. Trebur Open Air ein sehr gelungenes Festival mit lediglich kleinen Schwächen. Nette Ordner, Musik ohne Pause, ein schönes überschaubares Gelände, wunderbare Parkplatzsituation, das Schwimmbad neben an – all das macht das Trebur Open Air auch dieses Jahr wieder zu einem meiner Lieblingsfestivals. Man merkt hier direkt, dass hinter all der Organisation viel Liebe und Einsatz steckt. Eben von Fans für Fans und das auch noch für kleines Geld. Nur an der Essenversorgung sollte noch gearbeitet werden, als Vegetarier hatte man an dem Wochenende doch schon ein Problem.

Katrin Reichwein - sounds2move.de