Ein mal im Jahr wird die schwäbische Idylle schlagartig zerrissen. Dann fallen auf einmal Scharen von seltsamen, schwarz gekleideten, größtenteils langhaarigen Menschen im kleinen Örtchen Abtsgmünd ein und geben ihre „Besetzung“ auch erst nach fast einer Woche wieder auf. Was geht da nur vor sich? Eine der biblische Plagen? Von wegen: Es ist Zeit für das Summer Breeze Open Air, das nun schon seit einigen Jahren für viele Headbanger den Ausklang des Festivalsommers darstellt.

Auch dieses Jahr zog es wieder eine große Anzahl Fans der härteren Gangart ins „Ländle“ um in einer lockeren Atmosphäre ein Metalfest der hochwertigen Art zu feiern. Wie gewohnt war das Line-Up wieder nicht nur mit großen Namen gespickt, sondern bot auch unbekannteren Bands die Möglichkeit sich in die Herzen der Fans zu spielen. Dies versuchten am frühen Donnerstag Nachmittag auch die Schweden von Mörk Gryning. Sie spielten eigentlich genau die Art von Musik, für welche die meisten der Zuschauer hierher gekommen waren: schnell und hart. Dennoch hatte die teils recht träge Band einen recht schweren Stand und erhielt so auch nur ein eher mittelmäßiges Feedback von  den Zuschauern. Anders ging es den Finnen von Sonarta Arctica. Diese präsentierten sich spielfreudig und spritzig. Ihr melodischer Power-Metal und die großartige Stimme von Tony Kacko wussten die Fans auch bei streckenweise nicht 100% optimalem Sound zu überzeugen und lassen in einem Vorfreude auf die Nightwish - Supportshows im Herbst aufkommen. Ebenfalls begeistern konnte der Auftritt von Saltatio Mortis, die später auf der kleineren Pain-Stage ihr bestes gaben. Die gewohnt schicke Bühnendeko und die mittelalterlichen Kostüme erzeugten die nötige Stimmung um sich beim Intro „Hört die Trommeln“, sowie den darauffolgenden Stücken prächtig unterhalten zu fühlen. Lobenswert auch der Hinweis dass „die Zeit der Kreuzzüge vorrüber ist“ und mit dem anschließenden „Der Heuchler“ ein klares Statement in Richtung des amerikanischen Kriegstreibers Bush abgegeben wurde. Im Anschluss an die „Schweinskram“ – Spielleute folgte die schwedische Knüppeltruppe Hypocrisy. Diese hatten nicht nur eine große Lobby in Abtsgmünd, sondern brachten die Masse auch dazu sich in den ersten Reihen gegenseitig halb tot zu schlagen. Die recht brachiale Kombo konnte nicht nur die bis dato größte Zuschauermenge anlocken, sondern auch die Anzahl der Crowdsurfer schlagartig anschwellen lassen. Für Freunde dieser Art des Metal sicher eines der Highlights des Summer Breeze 2004, ich für meinen Teil mochte mich aber mit der zum Großteil aus Gegrunze und Gebolze bestehenden Perfomance nicht so richtig anfreunden.

Zum Ausklang des ersten Tages zeigten dann die Goddess of Desire, die im Herbst auch im Jokus Gießen auftreten werden, dass es in den Niederlanden nicht nur Bands wie Epica, Within Temptation oder After Forever gibt, sondern auch Formationen, die mit Fellen, stachelgespickten Arm und Beinschienen und Corpsepaint die Bühne entern um eine von Totenschädeln, Fackeln und SM inspirierte Bühnenshow auf die Bretter zu legen. Nach dem Auftritt fragte wohl niemand mehr warum diese Heavy-Metal Formation erst zu so später Stunde auf die Zuschauer losgelassen wurde.

Der Freitag wurde schon am Vormittag von Mental Amputation und der münchner Formation Alev eröffnet. Letztere hatten das Glück bei sonnigem, warmem Wetter zu spielen und zeigten dabei was ihnen im Leben wohl am meisten Spaß macht – ihre Musik. Man merkte der Truppe um Sängerin Alev, nach der die Band auch benannt ist, sofort an welche Freude sie dabei hatten auf einem Festival wie dem Summer Breeze aufzutreten und den Leute ihre Musik zu präsentieren. Zwar war die Uhrzeit etwas ungünstig, aber dafür fanden doch überraschend viele Zuschauer den Weg zur Pain-Stage um mit der Band zu feiern. Alevs Debüt „We live in Paradise“ wird in Kürze zum Preis von nur 13 Euro und ohne Kopierschutz (worauf die Band großen Wert legt) erscheinen. Behaltet diese Band im Auge, da reift etwas großes heran! Den Auftritt von Beseech haben wir leider nicht ganz sehen können, da es kurz nach Beginn angefangen hat aus Strömen zu gießen. Schade, denn der Dark Rock / Metal dieser Band, die auch am Napalm Records-Stand zum Meet&Greet anzutreffen war, hätte sicher ein größeres Publikum verdient. Soundprobleme gab es zu Beginn des Evergrey-Auftritts, was aber nach kurzer Zeit ausgebessert wurde, wodurch die atmosphärischen Keyboards und der facettenreiche Gesang von Tom Englund besser zur Geltung kamen. Dennoch blieb der Gesang über den gesamten Auftitt hinweg meiner Meinung nach zu leise. Trotzdem erreichten die Songs der Prog-Metaller aus Schweden die Fans, welche besonders die Stücke des neuen Albums „The Inner Circle“, allen voran „A Touch of Blessing“, gebührend abfeierten.

Eines der Highlights des 2004er Summer Breeze war mit Sicherheit der Auftritt von Leaves’ Eyes auf der Pain-Stage. Die Musiker um Ex-Theater of Tragedy Frontfrau Liv Kristine spielten einen Querschnitt des Erstwerkes „Lovelorn“. Sehr sympatisch kam die Sängerin, die immer ein Lächeln auf den Lippen hat, rüber, was einen guten Kontrast zu Shouter (und Ehemann) Alex Krull darstellte, der nur zeitweise auf der Bühne präsent war, da nicht alle Songs männliche Vocals beinhalten. Wenn er dann allerdings mal zu sehen war, dann richtig. Alex Krull ist ein Anheizer durch und durch, der aus dem Mob auch noch die letzten Fitzelchen Energie herauskitzeln kann. Alex ist eine Identifikationsfigur für die Fans, da er auf Umwegen vom Black-Metal-Fan zum erfolgreichen Musiker und Produzenten wurde, der sich trotz seines Status nicht zu schade ist es den Crowdsurfern gleich zu tun. Alex Krull sucht die Nähe zum Publikum, genau wie seine Angebetet. Welche Sängerin reckt und streckt sich schon von der Bühne runter um einen fröhlichen, abwandernden Crowdsurfer abzuklatschen? Es folgten die Bielefelder Chartstürmer Xandria, die neben der bekannten Songs „Ravenheart“ und „Kill the Sun“ auch „Snow White“ und das rockige „Black Flame“ zu besten gaben. Der Auftrtitt war solide und die Stimmung recht gut, jedoch wollte der letzte Funke nicht überspringen. Lisa bot trotz Erkältung eine gute gesangliche Leistung, wobei der Anteil an Shouts merklich hoch war, was nicht schlecht geklungen hat und durchaus eine nette Option fürs zukünftige Songs wäre. Leider gestaltete sich das Drumherum etwas mau, da Xandria weder einen Banner, noch Merchandiseartikel am Start hatten. Dafür spielte die Sonne mit und es wurde überraschend warm, was auch Lisa feststellte und mit einem „wisst ihr eigentlich was für eine Scheißidee es war einen schwarzen Lederrock anzuziehen?“ kommentierte.

Kurze Zeit später folgten die bierseeligen, deutschen Urgesteine Sodom und Tankart. Beiden lauschte ein recht großes Publikum, wobei die „Patronenhülsen / Stahlhelm – Fraktion“ der Sodom-Fans in der Überzahl gewesen sein dürfte. Beide Bands boten das, wofür sie von ihren Bands geliebt werden. Und das ist im Falle von Sodom rauer Death mit kratzigen Onkel Tom – Vocals und im Falle von Tankard viele witzige, „intellektuelle“ Ansagen, 100% Biertrinker-kompatible Texte (z.B. „Die with a Beer in your Hand) und Musik, welche sicher mehr als eine koordinierte Frisur auf dem Gewissen hat. Was sich anschließend zu Beginn des Auftritts von Die Happy abspielte, war weniger zum lachen. Einige Hirnamputierte ließen es sich nicht nehmen durch das Werfen von Bechern, Feuerzeugen und anderen Gegenständen unangenehm aufzufallen. Das ganze gepaart mit „Titten raus“-Rufen und fertig ist der klassische „Bild-Zeitungs-Klischee-Null-Niveau-Langhaar-Metaller“. Wenn einem die Musik nicht zusagt, dann soll man eben gehen oder einfach den Mund halten, aber was soll sowas? Nur weil Die Happy (Achtung: Todsünde!) ein paar mehr Platten verkaufen als irgendwelche Underground Bands und dazu noch (Todesurteil) ab und am im TV statt finden heißt das doch nicht dass man es mit „Pop-Stars“ zu tun hat. Zum Glück lies all das Marta und die Jungs merklich unberührt und so schafften es Die Happy doch nach und nach die Leute in Bewegung zu versetzen. Auch die „Bösen schwarzen Männer“ kamen beim „Mitsing-Shouten“ auf ihre Kosten und so konnte dann bei Songs wie „Supersonic Speed“ oder „Big Boy“ doch noch ein Großteil der Zuschauer zum mitmachen animiert werden. Komisch nur, dass bei der Ballade „Slow Day“ dann diejenigen, die zu Beginn am lautesten „Zeig deine Titten“ geschrien haben plötzlich ihr Feuerzeug in der Hand hatten und sich somit in das atmospärische Bild der von kleinen Lichter umgebenen der Main-Stage einfügten. Inkonsequenz in ganz neuen Dimensionen...

Im Anschluss wurde es wieder heftier als Sirenia die Pain-Stage betraten und mit ihrer grandiosen Mixtur aus Symphonie, Atmosphäre, Prog und Death Metal die Massen zu bewegen wussten. Wie schon bei Leaves’ Eyes kam auch hier das Wechselspiel zwischen Sänger, Komponist und Texter Morten und Sängerin Henriette sehr gut rüber, was auch die gesamte Show sehr interessant machte. Bei Sirenia überwiegen die Shouts von Morten, was die Musik an sich härter klingen lässt aber auch die nur zeitweise vertretenen clear vocals von Henritte etwas auffälliger in Szene setzt. Die Band wirkte sehr energiegelanden und spielfreudig, was von den Fans positiv honoriert wurde. Absolut sehenswerte Perfomance und ein Band, die man getrost weiterempfehlen kann. Als Six Feet Under daraufhin die Main-Stage  betraten kannte der Mob kein halten mehr. Die amerikanischen Helden des deftigen Death-Metal brachten die Fans, die sehr zahlreich waren, ein ums andere mal zur durchdrehen. Warum die Band jedoch keinen einzigen Interviewwunsch bei Festivals gewährt und sich auch sonst außer zum Auftitt nicht blicken lässt fällt wohl unter die Kathegorie „US-Stars und ihre Allüren“. Da lobt man sich doch z.B. Evergrey, die sich den halben Tag im VIP-Zelt tummeln, weil „in der Artist-Area nix los ist“  um mit den Jungs und Mädels von Presse, Guest und VIP das eine oder andere Gespräch zu führen und ein paar Getränke zu vernichten. Diese Jungs, aber auch ein paar andere Bands, sind zwischendurch auch mal eben auf dem „normalen“ Gelände umherspaziert um die Merch-Verkäufe zu checken oder einfach nur mal zu schauen was vor den Bühnen so los ist. Das ist wohl skandinavische Gelassenheit und Bodenständigkeit...

Am Sonntag boten sich nicht nur auf das Wetter bezogen Höhen und Tiefen. Nachdem zu Beginn Newcomer wie Paragon oder Equilibrium ihr bestes gaben um den Leuten einzuheizen wussten auch etabliertere Künstler wie die Prog-Metaller von Dead Soul Tribe eine solide Show abzuliefern. Positiv überrascht haben mich die als durchaus gute Live-Band bekannten Dänen von Mnemic. Sänger Michael verstand es seine Stimme variable einzusetzen und seine Mitmusiker wussten ebenfalls ihre Instumente zu bedienen um den „Future-Industrial-Metal“, der Mnemic schon seit ihrer ersten Platte im letzten Jahr auszeichnet, eindrucksvoll auf der Bühne wiederzugeben. Auch die präsentierten Songs vom bald erscheinenden Album „The Audio Injected Soul“ machten Lust auf mehr. Zwar waren weniger Zuschauer anwesend als ich selbst erwartet hatte, aber dafür gab die Band dennoch ihr Bestes – Daumen hoch. Am Nachmittag wurde es dann mittelalterlich, denn mit Schandmaul betrat eine der derzeit erfolgreichsten Mittelalter/Folk-Bands die Main-Stage um ihre Songs zu zelebrieren und in voller Kostümierung auf der Bühne umher zu tanzen. „Teufelsweib“ gabs gleich zu Beginn des Sets und so folgte Hit auf Hit. Diese Band hat Spaß an dem was sie macht und gibt dies auch zu erkennen. Nur muss man den Sound mögen, denn ansonsten lässt einen eine Formation dieser Art vielleicht recht kalt.

Mit folkischen Klängen ging es dann auch gleich weiter: Ensiferum waren am Start um mit neuem Sänger an Bord eine großartige Mischung aus Black, Death und Humpaa zu spielen. Diese Rhytmen gehen ist Blut und die Songs wissen zu überzeugen. Da könnten Finntroll sicher bald kalte Füße bekommen... Apropos Finntroll: Diese kam nicht nur in den Genuss als letzte Band des Festivals, sondern waren auch die „Stromsparer Nr. 1“ des Summer Breeze. Irgendwie nicht wirklich lustige für Leute, die drei Tage auf Finntroll warten um dann mitzuerleben wie ihrer Band mitten im Set der Saft abgedreht wird. Aber sicher das kleiner von zwei Übeln, wenn man bedenkt, dass sich 2003 die Anwohner beschwerten und somit der Verbleib des SB in Abtsgmünd mehr als gefährdet gewesen wäre, wenn auch dieses Jahr wieder Dutzende Beschwerden bei der Polizei eingegangen wären. Und wo ich grad bei den „Tiefen“ angelangt bin. Metal-Zicke Danzig hat mit seiner „Show“ mal wieder alles übertroffen. Da lässt der Kerl doch glatt in einer riesen Aktion den halben Backstage-Bereich absperren, nur um 10 m von seinem Nightliner zur Bühne zu laufen. Publikumsnähe ist weißgott etwas anderes, wobei gerade Backstage eine solche Aktion totaler Schwachsinn ist. Naja, jedem Tierchen sein Blesierchen. Der Auftritt an sich war auch sehr sehr lustlos. Keine großen Worte, Set runter leihern, Micro fallen lassen und weg. Keine Zugabe, keine Worte, nix. Warum haben eigentlich immer die US-Bands solche Allüren?

Ein krasses Gegenteil sind da Brainstorm. Dass deren Sänger Andi sich gern mal im Publikum rum treibt ist ja bekannt. Auch dass er gern an der Traverse hängt um von dort die Zuschauer zu animieren weiß jeder, der Brainstorm schon mehr als einmal gesehen hat. Aber dieses mal hat selbst der Herr Franck nicht mit seiner eigenen Spritzigkeit gerechnet. Da kündigt er groß an, dass die Band sehr geschlaucht sei und daher vielleicht etwas kürzer treten muss um dann für 45 Minuten überall gleichzeitig zu sein scheint. Auf neben oder vor der Bühne. Kennt vielleicht noch jemand die Werbung mit dem Duracell-Hasen? Oder nimmt der Mann Drogen (Zitat: „Mein Name ist Barbara Eligmann, und das sind die Themen...“)? Nein, aber dafür löst er seine Wettschulden ein. Schaut euch Brainstorm an, egal wo sie spielen. So sieht Unterhaltung aus!

Unterhalten hat uns auch das Summer Breeze Open Air 2004. Selten hat man für so kleines Geld eine solche Qualität bekommen. 40 Euro für 3 Tage, keine Überschneidungen in der Time-Table, humane Preise für Shirts und Verpflegung. Auch Abtsgmünd selbst bietet alles was man braucht. Nach unserer Erfahrung sind auch der Ordnungsdienst und die Securties aus Ulm (Schönen Gruß an den Mann, der das Tor neben dem Haupteingang „verwaltet“ hat) beim SB sehr umgänglich und haben immer ein offenes Ohr. Wem das nicht reicht, der sollte einen Blick aufs Line-Up werfen. Und wen das nicht überzeugt, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen. Außerdem kann ich nur immer wieder sagen: Schaut euch auch mal Bands an, die ihr vielleicht noch nicht kennt, zum Beispiel Alev oder Equilibrium. Denn getreu unserem Motto von sounds2move.de kann ich nur sagen: Unterstützt auch den Untergrund, denn dort wachsen eure Helden von Morgen. In diesem Sinne,

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de