Amaranthe + Sonic Syndicate, Smash into Pieces
Music Hall Geiselwind
30.10.2016
„Maximalism“ European Tour 2016


 


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Bezogen auf Infrastruktur und Parkplätze ist der Autohof Strohofer natürlich überragend, immerhin ist er der größte seiner Art und bietet nicht nur alle erdenklichen Fast Food-Tempel, sondern auch ein Hotel, natürlich eine Tankstelle und einiges mehr. Zum Beispiel zwei formidable Konzerthallen, wobei man sich an diesem Abend für die kleinere, rustikalere Music Hall entschieden hat, um eine Show der aktuellen Europatournee von Amaranthe auszurichten. Und das ist eine gute Entscheidung, denn anfangs sind noch nicht all zu viele Fans vor Ort, womit wir zur größten Schwierigkeit des Veranstaltungsorts kommen: Es gibt quasi kein lokales Zielpublikum, die Konzertgänger kommen vielmehr aus der Region zwischen Frankfurt und Nürnberg, und deren Reiselust entscheidet über das Für und Wider einer Konzertansetzung.

So bleiben die Reihen noch licht, als SMASH INTO PIECES diesen Sonntagabend mit einer Mischung aus Alternative Rock und Post-Grunge einläuten. In ihrer Heimat Schweden sind die fünf Jungs bereits erfolgreich, jetzt soll der Rest der Welt erobert werden. Bemerkenswerterweise lassen die Headliner des Abends dem Opener völlig freie Hand beim Umfang ihrer Bühnenshow, weshalb Smash Into Pieces nicht nur mit der an Marvel Comics erinnernden leuchtenden Maske von Schlagzeuger „The Apokalypse DJ“ für Aufsehen sorgen, sondern auch mit einer kleinen Videowand, die mit Videosequenzen und Effekten Eindruck schindet. Nicht zu vernachlässigen: Auch musikalisch haben die Burschen durchaus etwas drauf, wobei ihr Sound sehr amerikanisch daher kommt und nach und nach mehr Zuschauer vor die Bühne lockt. Spätestens „Disaster Highway“ überzeugt die Unentschlossenen im Publikum, so darf es weitergehen.

Und es geht weiter, nämlich mit SONIC SYNDICATE, die gerade mitten dabei sind, sich selbst neu zu erfinden. Von der einstigen Plattenfirma Nuclear Blast, die aus den Schweden lange versuchte das nächste große Ding zu machen, wurde man vor kurzem fallen gelassen. Auch das Besetzungskarussell drehte sich in den letzten Jahren beachtlich. So ist Gitarrist Robin Sjunnesson das letzte verbliebene Originalmitglied, während Sänger Nathan J. Biggs immerhin seit 2009 zur Band gehört. Mit dem neuen Label, Line-Up und generell dem großen Umbruch wagt man jetzt den Neustart und der schlägt sich auch und vor allem in der Musik nieder. Statt an Modern Metal versucht man sich inzwischen lieber an einem rockigeren Sound, wobei auch die Grunts auf dem neuen Album „Confessions“ über Bord gegangen sind. Live kommen diese allerdings noch hin und wieder zum Tragen und werden von Sechssaiter Sjunnesson beigesteuert. Dieser klare Schlussstrich scheint der mittlerweile nur noch als Quartett agierenden Band sichtlich gut getan zu haben, denn mit dem ersten Ton ist sofort mächtig Alarm auf der Bühne. Da werden schon mal die „Lautsprecherinseln“ im Fotograben im Sprung erobert und auch dem Publikum keine Verschnaufpause gegönnt. Das kommt an und sorgt für gute Laune, selbst wenn viele der eigenen Fans in erster Linie wegen der alten Songs gekommen sind. Entsprechend wird es bei „Burn this City“ zum ersten Mal richtig laut, wobei auch die neuen Stücke heute gut aufgenommen werden. Ebenso wie der charismatische Nathan Biggs, der sich schnell seines Hoodies entledigt und mit freiem Oberkörper direkt mal einige weibliche Smartphone-Paparazzi auf den Plan ruft. Für das Medley „Jack of Diamonds/Denied/Aftermath“ ernten Sonic Syndicate dann den ersten Pit des Abends, bevor „Turn it up“ und das wahnsinnig eingängige und live um einiges wuchtigere „Start a War“ vom neuen Longplayer den Deckel drauf machen. So funktioniert Überzeugungsarbeit.
 

Angesichts der vielen Shirts müssen AMARANTHE niemandem der Anwesenden mehr etwas beweisen. In der Halle ist zwar immer noch reichlich Platz, was allerdings kein Wunder ist, da diese sehr weitläufig ist und sich das Publikum somit unweigerlich zwischen Sitzecken, Barbereich und Tanzfläche verteilt. Trotzdem sind genug Nasen vor der Bühne, um Elize Ryd und Co. einen gebührenden Empfang zu bereiten. Einziges Problem: Die Band taucht nicht auf und überlässt die Wartenden erst einmal sich selbst und dem gefühlt längsten Intro aller Zeiten. Bevor noch jemand wegpennt, geht es nach einer gefühlten Ewigkeit plötzlich doch los, nämlich - ebenso wie auf dem neuen Album „Maximalism“ mit dem Doppelschlag „Maximize“/„Boomerang“. Da hätte der Auftakt durchaus schlechter ausfallen können, und natürlich stimmt auch sofort der Mitsingfaktor - nichts anderes hatte man erwartet. Dafür erscheint die Darbietung der Band zumindest ein bisschen seltsam, denn abgesehen von Schlagzeuger Morten Sörensen postieren sich über weite Strecken alle Bandmitglieder wie an der Perlenschnur gezogen an der vorderen Bühnenkante, und auch die Gesten und Posen von Sängerin Elize Ryd wirken bisweilen einstudiert. Ich will der Schwedin dabei gar keine böse Absicht unterstellen, viel mehr hat man das Gefühl, dass es ihr einfach ein bisschen am „Rampensau-Gen“ fehlt, das einige Kolleginnen ins Feld führen können, und sie auf diese Weise versucht, eine gewisse Unsicherheit in den Griff zu bekommen. Rein stimmlich gibt es jedenfalls nichts zu meckern, da ist die Frau ein echter Profi und unter anderem bei Kamelot ein gern gesehener Gast. Apropos Gast: Auf dieser Tour übernimmt Chris Sörbye von Smash into Pieces den Klargesang beim Headliner, da sich Stammkraft Jake E eine Auszeit vom Tourleben gönnt. Die Fans jedenfalls haben heute richtig Bock und entsprechend schnell steigt die Raumtemperatur, während Hit an Hit gereicht wird. Da kommt die kurze Verschnaufpause in Form der zuckersüßen Ballade „Endlessly“ genau richtig, bevor das Publikum vor allem „Automatic“ wieder mächtig abfeiert und sich zum Ende des regulären Sets trotzdem noch mal von „Amaranthine“ einfangen lässt. Die verhältnismäßig alte Ballade lässt Elize dann auch direkt mal zu Teilen vom Auditorium singen, das sich durchaus textsicher zeigt. Jetzt aber genug Gefühlsduselei und lieber noch mal einen Stampfer wie „Call out my Name“ rausgehauen, bevor die Zugaben neben dem lässigen Rocker „That Song“ auch noch mächtig Mosh- und Tanzbares zu bieten haben („Digital World“, „Dynamite“, „Drop Dead Cynical“). In der Zwischenzeit hat sich Fräulein Ryd zum dritten Mal umgezogen, Gitarrist Olof Mörck nichts von seiner „Elben-Aura“ verloren und Bassist Johan Andreassen die Fans darüber in Kenntnis gesetzt, dass das hier eine Rock ´n´ Roll-Show und kein (O-Ton) „verfickter Jazz“ ist. Leider hat man keine Gelegenheit zu fragen, wie Rock ´n´ Roll es wirklich ist, wenn die eigene Show auf Gedeih und Verderb von der Zuverlässigkeit des eigenen Laptops für die Elektronika und Samples abhängt, aber man will ja ohnehin nicht unhöflich sein, schließlich wurde man 90 Minuten lang gut unterhalten und außerdem hatte Johan da auch schon alle zum gemeinsamen Besuch des in unmittelbarer Nähe befindlichen Sexshops eingeladen und seiner Aufforderung mit einem geexten Blechbrötchen (hochdeutsch Dosenbier) Nachdruck verliehen. Amaranthe sind letztlich also doch deutlich mehr Rock ´n´ Roll als Kritiker und Hater behaupten, und sei es nur weil sie sich einen Dreck um etwaige Schreibfehler auf der Rückseite ihres aktuellen Tourshirts scheren. Ob die Leute in „Lyon, Germany“ das auch so sehen?

Markus Rutten - www.sounds2move.de
 


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Setlist Amaranthe:

Maximize
Boomerang
Hunger
Invincible
1.000.000 Lightyears
Trinity
True
Fury
Endlessly
Drum Solo
On the Rocks
Automatic
The Nexus
Amaranthine
Call out my Name
—-
Digital World
That Song
Dynamite
Drop Dead Cynical


Setlist Sonic Syndicate:

Confessions
Life is not a Map
Beauty and the Freak
I like it rough
Burn this City
It’s a Shame
Revolution, Baby
Jack of Diamonds / Denied / Aftermath
Turn it up
Start a War


Setlist Smash to Pieces:

Stronger
Higher
Rock ´n´ Roll (The Apocalypse Tribute)
My Cocaine
Merry-Go-Round
Disaster Highway