Delain + Evergrey, Kobra and the Lotus
Colos Saal Aschaffenburg
29.10.2016
„Moonbathers“ European Tour 2016




Es gab schon ungemütlichere Herbsttage in Aschaffenburg. Wo unter der Woche schon mal Wind und Regenschauer die Laune verhagelt haben, lässt sich an diesem Tag sogar die Sonne für ein paar Stunden blicken. Ein gutes Omen für den Halt von Delains „Moonbathers“ Tour am Abend im örtlichen Colos Saal, der - bei diesem Paket keine Überraschung - wie die meisten Konzerte der Tour ausverkauft ist.

So ist es schon ordentlich voll, als KOBRA AND THE LOTUS um Punkt 19:30 Uhr den Abend eröffnen. Mit Heavy Metal klassischer Prägung und einer Frontröhre wie Kobra Paige (Stimme, Leder-Outfit und blonde Mähne lassen schon mal an eine junge Doro Pesch denken) kann man eigentlich wenig falsch machen, und entsprechend gut kommen die Kanadier an. In den letzten Jahren lief es richtig gut für die Band, die unter anderem mit Kamelot auf großer Tour war, und entsprechend souverän geht man auch mit kleinen Aussetzern der Technik um. Als etwa das Mikrofon während einer Ansage für mächtigen Hall sorgt, kommentiert die Frontfrau dies launig mit „welcome to the high Mountains of Aschaffenburg“ und hat damit die Lacher auf ihrer Seite. Kein Wunder also, dass Napalm Records da jüngst zugeschlagen und sich die Dienste der Truppe gesichert hat, die in Form von „Triggerpulse“ auch einen Ausblick auf ihr kommendes Doppel-Album „Prevail“ im Set hat.

Trotz einiger eigener Fans haben EVERGREY einen etwas schwereren Stand, vielleicht weil die Schweden die einzige Band ohne Damen in ihren Reihen sind? An der Musik kann es kaum liegen, denn das kompakte Set hat ausschließlich Hits zu bieten, von denen einzig „Broken Wings“ mit matschigem Sound zu kämpfen hat. Das nagelneue „In Orbit“ kommt dabei zwar in der Studiofassung als Duett mit Floor Jansen (Nightwish) daher, aber die Niederländerin ist heute natürlich nicht mit von der Partie, weshalb Fronthüne Tom Englund alle Strophen selbst übernimmt. Und die Nummer kommt an, ebenso wie der schwungvolle Einstieg mit „Passing Through“ und das epische Finale mit „A Touch of Blessing“ und „King of Errors“, die man so umarrangiert hat, dass die beiden Songs fließend ineinander übergehen. Fett! Spätestens damit haben Evergrey ihr Tagesziel erreicht und sich den einen oder anderen neuen Fan gesichert. Was auch der Hauptanreiz dieses Support-Slots ist, denn vor fast genau einem Jahr war man bereits als Headliner an gleicher Stelle zu sehen. Diese Tour steht hingegen unter dem Motto „Neukundenakquise“, bevor man die Fans im kommenden Jahr wieder mit dem vollen Programm und einer umfangreicheren Setlist verwöhnt.

Schon der euphorische Empfang macht wenig später klar, wer an diesem Abend die Hosen an hat, selbst wenn die Hosen im Falle von Charlotte Wessels ein funkelndes Glitzerkleidchen sind. Wenn man bedenkt, dass das Debüt „Lucidity“ nur zehn Jahre alt ist, dann ist die Entwicklung, die DELAIN genommen haben dennoch beachtlich. Nicht nur musikalisch agiert man mittlerweile auf höchstem Symphonic Rock-Niveau, auch in Sachen Show und Bühnenpräsenz hat sich einiges getan. Aus dem etwas schüchternen Mädchen von nebenan in Jeans und normalem Top ist längst ein ausgesprochener Bühnenprofi geworden, dem keiner mehr so schnell etwas vormacht. Zudem hat die Frontfrau in jüngster Zeit scheinbar fleißig Deutsch gelernt und punktet immer mal wieder mit dem einen oder anderen lockeren Spruch. Vor allem aber überzeugt die Songauswahl, die wenige Wünsche offen lässt: Der Auftakt gehört mit vier aus fünf Songs klar dem neuen Album „Moonbathers“, das zwar ein paar winzige Schwachstellen aufweist, auf dieser Tour aber im Grunde mit allen Highlights vertreten ist. Der „Suckerpunch“ sitzt, ebenso der Uptempo-Hit „Fire with Fire“ und das pompöse „Hands of Gold“, das als furioser Einstieg wunderbar funktioniert. Überhaupt ist die Songauswahl und Zusammenstellung überaus ausgewogen und rund, mit „Sleepwalkers Dream“ und „Pristine“ finden sich sogar zwei Perlen vom Debüt auf der Agenda. Dann und wann darf Gitarrist Otto Schimmelpenninck auch mal ein paar Grunts einstreuen, so zum Beispiel beim metallischen „Pendulum“. Apropos Otto: Der lang aufgeschossene Bassist gibt in Kombination mit seiner überaus zierlichen und gefühlt halb so großen Kollegin Merel Bechtold ein fast schon ulkiges Bild ab, was nichts daran ändert, dass man der kompletten Band die Freude ansieht, die sie auf der Bühne hat. Da darf Charlotte Wessels ihrer Gitarristin auch schon mal eine Textzeile wie „little Girl in a concrete World“ (aus „Mother Machine“) breit grinsend ins Gesicht singen, ohne befürchten zu müssen, dafür einen bösen Blick zu ernten. Stattdessen kugelt sich die Besungene kurz vor lachen - man hat eben sichtlich Spaß, was sich auch auf das Publikum im Colos Saal überträgt. Dieses muss allerdings ohnehin nicht lange aufgefordert werden, aktiv zu werden, denn Delain erleben hier und heute einen reinrassigen Triumphzug vor einem Publikum, das richtig Bock hat und sich von der ohnehin mitreißenden Show vom ersten Ton an bereitwillig um den Finger wickeln lässt. In dieser Form wischen die NiederländerInnen mit einem Großteil der Konkurrenz den Fußboden auf, allerdings nur im übertragenden Sinne, denn man ist viel zu sympathisch und bodenständig, um derartige Grobheiten überhaupt in Erwägung zu ziehen. Es ist und bleibt verdammt schwer diese Truppe nicht zu mögen. Schon gar nicht an einem Abend wie diesem.

Markus Rutten - www.sounds2move.de


Setlist Delain:

Hands of Gold
Suckerpunch
The Glory and the Scum
Get the Devil out of me
Pendulum
Army of Dolls
The Hurricane
April Rain
Here come the Vultures
Fire with Fire
Danse Macabre
Sleepwalkers Dream
Stay Forever
The Gathering
Pristine
—-
Mother Machine
Don’t let go
We are the Others


Setlist Evergrey:

Passing Through
The Fire
Leave it behind us
Black Undertow
In Orbit
Broken Wings
A Touch of Blessing
King of Errors


Setlist Kobra and the Lotus:

Gotham
Battle of Wrath
Hold on
Soldier
Triggerpulse
50 Shades of Evil