Tarja + Angra, Scarlet Aura
Batschkapp Frankfurt
12.10.2016
„The Shadow Shows“ 2016
Auch als Solokünstlerin erfreut sich Tarja Turunen großer Beliebtheit, selbst
wenn es nicht wie früher Arenen sind, die sie füllt. Doch auch im kleineren
Rahmen kann sich die Finnin sehen und hören lassen, aber bevor es so weit ist,
setzen erst mal SCARLET AURA aus Rumänien eine
Duftmarke. Das Quartett aus Bukarest nutzt seine Chance mit einer Mixtur aus
Melodic und Gothic Metal, während Sängerin Aura Danciulsecu auch mal zu Megafon
und Indianerkopfschmuck greift. Sehr solider Auftritt der erst seit 2014 aktiven
Truppe, die just ihr zweites Album „Falling Sky“ veröffentlicht hat. Da sind die
Brasilianer ANGRA natürlich schon wesentlich weiter
mit ihrer Karriere und ungleich länger im Geschäft. Bereits seit 1991 spalten
die Brasilianer mit ihren Alben Fans und Kritiker gleichermaßen und haben sich
zu einer Love-or-Hate Institution im Power Metal gemausert. Auch mit ihrer
Live-Show wollen die fünf Musiker nicht Everybody’s Darling werden, und so ist
von Capoeira bis Cowboyhut alles erlaubt, was gefällt. Der Musik gönnt man dabei
neben Folklore und Tribal-Sounds auch schon mal eine ordentliche Priese 80er
Metal und Hardrock, was irgendwie trotzdem überzeugt und eine Dreiviertelstunde
lang gut unterhält. Live sind Angra tatsächlich besser als aus der Konserve und
können sich auf diesem Wege mit ihrer Spielfreude und Songs wie „Time“ und „Holy
Land“ den einen oder anderen neuen Fan erspielen. Der agile James
LaBrie-Sound-A-Like mit der mächtigen Lockenmähne am Mikrofon sieht übrigens
nicht nur aus wie Ex-Rhapsody of Fire Frontmann Fabio Lione, er ist es
tatsächlich. Der Italiener singt bereits seit 2013 bei den Südamerikanern.
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Den Multikulti-Abend macht dann TARJA
höchstpersönlich perfekt, in deren Band mit Alex Scholpp seit Jahren auch ein
deutscher Gitarrist zu finden ist. Völkerverständigung mit Riffs sozusagen,
wenngleich das Publikum sofort klarstellt, dass es vor allem wegen der
Skandinavierin gekommen ist, die mit „No bitter End“, der Stalker-Abrechnung
„500 Letters“ und dem famosen „Eagle Eye“ einen überaus gefälligen Einstieg in
ihr Set findet. Letzteres ist eines der Highlights vom aktuellen Langspieler „The
Shadow Self“, der dieser Tour ihren Namen verleiht und mit satten acht Songs
nahezu komplett zur Aufführung kommt. Sogar das knapp 13-minütige „Too many“ ist
nicht etwa - krudes Wortspiel voraus! - zu viel für das Set, sondern kommt
unmittelbar vor den Zugaben zum Zuge. Live klemmt man sich allerdings die finale
Eruption der Albumversion, weshalb der Song unter der Zehnminutenmarke bleibt.
Ähnlich progressiv, aber noch düsterer geht es beim dramatisch vorgetragenen „Lucid
Dreamer“ zu. Da darf es dann auch mal wieder etwas zugänglicher werden, wofür
das gesanglich überragend vorgetragene „Victim of Ritual“ bestens geeignet ist,
das genauso gefeiert wird wie die Gänsehautnummer „The Living End“, die Zugabe
„Die Alive“ und natürlich das Nightwish-Zugeständnis „Ever Dream“. Doch auch
abseits des Symphonic Metal-Superstars kann sich Tarja über eine tolle Karriere
freuen, die sie mittlerweile seit 20 Jahren um den Globus führt, was die
Sängerin breit grinsend mit „I’m going to be an old bitch, with you!“ und ein
paar anderen selbstironischen und humorvollen Ansagen kommentiert. Das hört das
bunt gemischte Publikum natürlich nur zu gern, das ohnehin schon mit nicht wenig
Liebe bedacht wird. Da wird gewunken, sich verbeugt, gegrinst und mit
Handküsschen geworfen, dass man fast auf die Idee kommen könnte, die
Ausnahmesängerin hätte diese ganzen Gesten längst fest in ihr Live-Repertoire
aufgenommen. Aus der Nähe (Fotograben) lässt sich allerdings das Funkeln in den
Augen der Künstlerin erkennen, während sie auf der Bühne steht und zehn Jahre
nach der harten Trennung von ihrer ehemaligen Band einfach nur dankbar ist, noch
immer hier zu sein. Von „I walk alone“ kann also keine Rede sein, das auf dieser
Tour in einer wunderschönen Unplugged-Version in neuem Glanz erstrahlt. Tarja
Turunen ist eben eine Vollblutkünstlerin und herausragende Sängerin, die ihrer
Leidenschaft für die Musik vieles unterordnet und einfach nur ihrer Berufung
nachgehen möchte. Daher ist es sicherlich kein Zufall, dass ausgerechnet „Until
my last Breath“ der letzte Song des Abends ist, bevor Tarja ihre komplette Band
herzt und sich von ihrem Publikum verabschiedet, das sie über die vollen 90
Minuten gut im Griff hatte und bisweilen nur mit einer kurzen Handbewegung
dirigierte. Über eine zwischenzeitliche Stimmungsdelle kann man nach dieser vor
allem stimmlichen Machtdemonstration samt extrem tighter Band und schöner
Videoeffekte schon mal hinweg sehen. Vermutlich wäre der Laden noch voller
gewesen, hätte man nicht über 40 Euro für ein Ticket aufgerufen. Aber Qualität
hat eben ihren Preis. |
Setlist Tarja:
No bitter End
500 Letters
Eagle Eye
Demons in you
Lucid Dreamer
The Living End
Calling from the Wild
Medley: Tutankhamen / Ever Dream / The Riddler / Slaying the Dreamer
Medley (akustisch): Until Silence / The Reign / Mystique Voyage / House of Wax
I walk alone (akustisch)
Love to hate
Victim of Ritual
Too many
—-
Innocence
Die alive
Until my last Breath