Autumn Moon Festival (Hameln)
Leaves' Eyes, Beyond the Black, Lyriel, Diabulus in Musica, Cesari etc.
31.10.2015

 

 

Halloween in Hameln

Manchmal kommt es anders als man denkt...

 

Leaves´ Eyes machen auf ihrer „King of Kings“ World Tour in Hameln Station. „Perfekt“, dachte sich der Verfasser dieser Zeilen. Hameln ist nur gut 100 Kilometer entfernt, „da fährste hin!“ Erst kurz vor dem Veranstaltungstag (31. Oktober) fällt bei der Recherche nach dem genauen Veranstaltungsort auf: Das ist gar kein reguläres Konzert, sondern das Tourpaket Leaves´ Eyes, Melted Space und Diabulus in Musica ist Teil eines zweitägigen Festivals namens „Autumn Moon“. Der Blick auf das Samstagsbilling zeigt, dass mit Lyriel zumindest eine weitere Band dabei ist, die ich schon lange gerne mal live sehen wollte. Das könnte den Fakt ausgleichen, dass für Leaves´ Eyes nur eine Stunde Spielzeit vorgesehen, also keine echte Headliner-Show zu erwarten ist. Die Entscheidung, trotzdem hinzufahren, fiel nicht all zu schwer.

 


Cesair @ Autumn Moon Festival 2015 (Foto: Alexander Dontscheff)

 

In Hameln angekommen bietet sich zunächst ein sehr ansprechendes Bild. Die Macher des zum ersten Mal stattfindenden „Autumn Moon“ Festivals scheinen mit dem Wettergott im Bunde zu stehen. Bei strahlendem Sonnenschein hat man eher den Eindruck, sich im Spätsommer zu befinden und nicht an Halloween. Die kostenpflichtigen Hauptbühnen befinden sich zwar in der Rattenfängerhalle, in einem kleinen Club und auf einem Schiff (das Festivalgelände liegt direkt an der Weser), es gibt aber auch einen großen Mittelaltermarkt und eine Open Air Bühne, die für die Allgemeinheit frei zugänglich sind. Das macht auch den gewissen Reiz dieses Festivals aus, dass sich hier Familien mit Kindern und Ausflugstouristen unter die Anhänger der schwarzen Szenen mischen. Den ganzen Tag über sind zudem Mitglieder einer Schaustellertruppe unterwegs, die in unterschiedlicher Kostümierung (Mädchen mit blutgetränktem Kuscheltier im Arm, Orks oder gar der Sensenmann persönlich) für den nötigen Gruseleffekt sorgen. Vor allem nach der recht schnell einsetzenden Dämmerung entwickelt sich eine dem Halloween-Tag angemessene Atmosphäre, die Viele in ihren Bann zieht.

 

Bleibt für den Veranstalter zu hoffen, dass sich auch ausreichend Besucher gefunden haben, die sich ein Festivalbändchen für die Konzerte gekauft haben. Mein musikalischer Tag beginnt bereits um 13:30 Uhr. DIABULUS IN MUSICA müssen als erste im Club „Sumpfblume“ auf die Bühne. Das erste, was bei den Spaniern auffällt ist, dass Sängerin Zuberoa Aznárez hochschwanger ist. Ich bin kein Arzt, aber ob da eine Tour das Richtige ist für Mutter und Kind, wage ich doch zu bezweifeln. Am Sound der Band ist aber nichts auszusetzen. Symphonic Metal, der ein wenig an Epica erinnert. Die bombastischen Chöre kommen natürlich vom Band. Ähnlich wie die Niederländer haben DIM aber auch einige musikalische Härten in petto wie die Growls von Keyboarder Gorka Elso. Der Zuschauerzuspruch hält sich in Grenzen, aber von den vielleicht 50 Frühaktiven wird die Band wohlwollend aufgenommen. Noch schwerer haben es im Anschluss die Italiener RAVENCRY. Sie machen es dem Publikum mit ihrer Mischung aus Metal, elektronischen Elementen und dem teilweise etwas schräg daherkommenden Gesang von Frontfrau Giulia Sefani auch nicht einfach. Gegen Ende des 45-minütigen Sets stehen jedenfalls nur noch eine Handvoll Leute vor der Bühne, die Hälfte davon Fotografen. Da ich zum Essen einen kleinen Ausflug in die nahe gelegene Hamelner Innenstadt mache (die Preise auf dem Mittelaltermarkt sind jenseits von Gut und Böse), verpasse ich die zum LE-Tour-Tross gehörenden Melted Space. Pünktlich zurück in der Sumpfblume erlebe ich dann die für mich schönste musikalische Entdeckung des Festivals, CESAIR aus den Niederlanden. Eine grandiose Mischung aus Weltmusik und Folklore, keltische und skandinavische Einflüsse treffen sich mit orientalischem Habitus. Namen wie Dead Can Dance drängen sich hier sich ebenso auf wie die Merlons (falls die noch wer kennt). Dazu hat die Band mit Monique van Deursen eine bezaubernde Frontfrau in ihren Reihen, die nicht nur mit ihrer Stimme sondern auch durch ihre sexy Tanzeinlagen überzeugt. Zudem hat sie mit ihren sympathisch rüber kommenden Ansagen die jetzt gut gefüllte und in Schwung gekommene Sumpfblume jederzeit im Griff. Dass der Auftritt für die Niederländer ein voller Erfolg ist, zeigt im Anschluss die kaum abflauen wollende Menschentraube am Merchandise-Stand.

 

Dann geht es für mich erstmals in die große Rattenfängerhalle, wo um 19:15 Uhr LEAVES' EYES spielen sollen. Diese ist nur in den vorderen Reihen gut besucht, bis zum tatsächlichen Start der Show um 19:30 Uhr wird es aber noch etwas voller. Nach einem Intro gehen die Eheleute Krull und Band mit „Halvdan the Black“ vom neuen Album gleich in die Vollen. Ein paar Schauspieler im Wikinger-Kostüm leisten Unterstützung. Dann folgen „My Destiny“ von „Njord“ drei Highlights von „King of Kings“ („The Waking Eye“, „Edge of Steel“ und „Swords in Rock“) sowie „Hell to the Heavens“ vom Vorgänger. Die Stimmung ist top, die Band gibt sich spielerisch und soundtechnisch keine Blöße, alles im Lack. Doch als dann Liv Kristine den Titeltrack von „Symphonies of the Night“ mit „das ist unser letztes Lied“ ankündigt, glaube ich meinen Ohren nicht zu trauen. Zwar gibt es dann als Zugabe noch mit „Blazing Waters“ den Übersong vom neuen Album, dennoch ist nach rund 40 Minuten Spielzeit Schluss. Man hat also die 15 Minuten Umbauverzögerung komplett abgezogen bekommen und dennoch die vorgesehen Spielzeit nicht bis zum Ende genutzt. Erstaunlicherweise scheint das niemandem außer mir negativ aufzustoßen, alle verlassen zufrieden die Halle.  Draußen verfolge ich auf der Open Air Bühne die Fantasy Folk Band TIBETRÈA. Diese sorgt ordentlich für Stimmung. Neben den üblichen Mittelalter-Einflüssen haben die Jungs und Mädels auch einen Trompeter in ihren Reihen, der dem Sound der Gruppe einen Farbtupfer verleiht, der sie aus dem Gros der vergleichbaren Bands herausstechen lässt.

 


Diabulus in Musica @ Autumn Moon Festival 2015 (Foto: Alexander Dontscheff)

 

Wieder zurück in der Rattenfängerhalle ist es Zeit für BEYOND THE BLACK. Die erfolgreichen Newcomer spielen ihren gefälligen Gothic Metal solide herunter. Dennoch will bei mir der Funke nicht überspringen. Und auch die Halle ist nicht wesentlich voller als bei Leaves´ Eyes. Den Stimmungslevel können die Mannheimer jedenfalls nicht halten, das liegt aber wohl in erster Linie daran, dass sie keinen Alex Krull in ihren Reihen haben, der auch noch das kleinste Häuflein vor der Bühne auf Trab bringt. Ob BTB ihre vorgesehen 75 Minuten Spielzeit (bei gerade mal einem veröffentlichten Album von 55 Minuten Länge) gefüllt bekommen haben, weiß ich nicht, denn nach der dritten Ballade innerhalb der ersten halben Stunde habe ich genug und schau mir lieber das Treiben vor der Halle an. Auf der Bühne stehen mittlerweile WALDKAUZ, die zwar konventionellen, aber sehr effektiven Mittelalter-Folk spielen. Und vor der Bühne tanzt inzwischen eine Menge an Menschen, für deren Anzahl viele der Bands auf den anderen Bühnen dankbar gewesen wäre.

 


Lyriel @ Autumn Moon Festival 2015  (Foto: Alexander Dontscheff)

Ein letztes Mal geht es für mich dann in die Sumpfblume. Hier bekomme ich den Rest von SCHWARZER ENGEL mit. Keine Ahnung warum die Band so viele Zuschauer zieht und offenbar auch einige Die-Hard-Fans hat. Relativ konventioneller Stampf-Metal mit einem Sänger, der zumindest stimmlich keinerlei Ausstrahlung hat. Der Klargesang ohne jedes Charisma, die „bösen“ Vocals ohne wirkliche Härte. Klingt eher nach Deutschpunk als nach Rammstein, die offenbar zu den Vorbildern von Schwarzer Engel gehören. Im Anschluss ist dann endlich Zeit für LYRIEL. Leider hat sich der Club schon deutlich geleert. Ein paar Getreue haben sich dennoch vor der Bühne eingefunden als die Rheinländer nach kurzem Intro mit Freitag-der-13.-Eishockey-Masken die Bühne stürmen und mit „Skin and Bones“ loslegen. Der Effekt verpufft aber durch erhebliche technisch Probleme. Die Streichinstrumente sind nicht zu hören, so dass eher die Soundlöcher für fragende Gesichter sorgen. Doch diese Probleme werden schnell behoben, die Band zeigt sich in guter Verfassung. Den Ausstieg von Gründungsmitglied Oliver Thierjung hat man gut verkraftet. Thomas Raser, der neue Mann am Bass beweist auch stimmliche Qualitäten als er bei der Ballade „Wenn die Engel fallen“ den männlichen Part souverän meistert, der im Original von Schandmaul-Sänger Thomas Lindner stammt. Ansonsten sind natürlich die beiden Frontdamen Jessica Thierjung mit ihrer Ausnahmestimme und Linda Laukamp am E-Cello oder im Duett mit Jessica die Hingucker. Ein absoluter Stimmungsmacher ist auch Violinist Joon Laukamp, der dem Ort angemessen eine Rattenfänger-Polonaise im Publikum initiiert, die einmal quer durch den Club und auch über die Bühne führt. Das gut einstündige Set beinhaltet neue Hits wie „Numbers“, Klassiker wie „Parting“ oder auch die Cover-Version „Star of the County Down“. Als Zugabe gibt es das großartige „Running in our Blood“. Vermisst habe ich dagegen die Über-Ballade „Regen“ und „White Lily“. Aber man kann nicht alles haben. Jedenfalls konnten Lyriel die Rolle des heimlichen Headliners voll ausfüllen. Auch wenn ich mit dieser Meinung sicherlich in der Minderheit bin. Die Rattenfängerhalle soll gerüchteweise zur gleichen Zeit bei den Synthie-Oldies And One richtig voll gewesen sein. Alles in allem hat sich die Halloween-Fahrt nach Hameln unter dem Strich aber gelohnt, auch wenn es letztlich anders kam als gedacht.
 

Alexander Dontscheff - www.sounds2move.de