The Gentle Storm + Stream Of Passion

Colos-Saal Aschaffenburg
15.04.2015

 

 

Außer bei Tribute-Konzerten hat wohl selten ein noch lebender Musiker, der selbst gar nicht auf der Bühne steht, eine Rock-Tour so sehr geprägt wie Arjen Anthony Lucassen die gemeinsame Konzertreise von The Gentle Storm und Stream Of Passion. Immerhin war der holländische Multiinstrumentalist an der Gründung beider Bands maßgeblich beteiligt.

 

Im Falle von STREAM OF PASSION ist dies freilich schon einige Jahre länger her, und von der ursprünglichen Besetzung sind nur noch Sängerin Marcela Bovio und Bassist Johan van Stratum übriggeblieben. Gleichwohl befanden sich in der Setlist der motiviert aufspielenden Band noch immer zwei Songs vom Debütalbum „Embrace the Storm“, das die hübsche Mexikanerin Bovio gemeinsam mit dem damaligen Gitarristen und Produzenten Lucassen geschrieben hatte. Dass die neueren Stücke sich vor diesen nicht zu verstecken brauchten, sondern eine ebenso passende Bühne für die glasklare und ausdrucksstarke Stimme der freilich im Mittelpunkt des Geschehens stehenden Frontfrau bildeten, zeigt aber auch, dass die neue Besetzung über eigene kreative Kräfte verfügt, die sie von nun an hoffentlich häufiger auf Konzerten in der Nähe unter Beweis stellt – gern auch wieder im schönen Colos-Saal. Der für mich subjektiv empfundene ästhetische Fauxpas, dass einer der beiden Gitarristen eine dieser kopflosen Gitarren verwendete, wurde übrigens elegant durch Frau Bovio ausgeglichen, die bei einigen Songs eine Violine in Form einer Flying-V zum Einsatz brachte.

 

Nach der bereits sehr gelungenen Einstimmung durch Stream Of Passion waren THE GENTLE STORM an der Reihe – bekanntermaßen ein Projekt von Sängerin Anneke van Giersbergen und (abermals) Arjen Lucassen, das vor kurzem sein Debütalbum „The Diary“ vorlegte. Dass der Komponist/Produzent/Multiinstrumentalist selbst die Tour nicht begleitete, war natürlich schade, wurde aber insbesondere durch Annekes hochsympathische Ausstrahlung kompensiert. Die einmalige Stimme der Holländerin, ihre erstklassige Gesangsleistung und ihre ungezwungene, immer wieder von selbstironischen Blicken durchsetzte Bühnenshow haben auch an diesem Abend eindrucksvoll klar gemacht, dass sie der Verehrung ihrer zahlreichen Fans absolut würdig ist. Aber auch der Rest der Live-Besetzung überzeugte. Der stets geschmackssichere Schlagzeuger Ed Warby – seinerseits Meister der songdienlichen, subtilen Rhythmustricks – sowie Basser Johan van Stratum, der im Rahmen dieser Tour anstrengende Doppelschichten schieben muss, sind ja ohnehin auch auf der „Storm-Version“ des aktuellen Albums zu hören. Darüber hinaus erweckten jedoch auch beide Gitarristen sowie Keyboard-Virtuose Joost van den Broek zu keinem Zeitpunkt den Eindruck, als spielten sie Fremdmaterial herunter, sondern waren mit Herz und Elan bei der Sache. Als sehr gute Idee erwies es sich auch, Marcela Bovio als Zweitstimme in die Band zu nehmen, denn sie und Anneke harmonierten sowohl gesanglich als auch allem Anschein nach persönlich sehr gut. Sind die einzelnen Songs des „The Diary“-Albums auf Platte einander bisweilen ein wenig zu ähnlich, war dies in der Live-Situation ein Umstand, der sein Störpotential gänzlich verlor. Denn zum einen eignen sich die Lieder überraschend gut für eine Konzertumsetzung, zum anderen war Abwechslung auch dadurch garantiert, dass Anneke weitere, mitunter überraschende Titel aus ihrer Karriere mit auf die Setlist brachte. Das schloss nicht nur zwei ältere The Gathering-Stücke, an denen die Sängerin offenbar im Rahmen des „The Sirens“-Projekts wieder Freude gefunden hatte, mit ein, sondern auch gleich vier Songs von Lucassens Rockopern-Projekt Ayreon, die schon in ihren Studiofassungen mit van Giersbergens Gesangsbeteiligung veredelt worden waren. Größte Überraschung des Konzerts war aber das sehr aktuelle Devin-Townsend-Project-Cover „Fallout“. Dabei wurden einige der ruhigeren Stücke in der Mitte des Konzerts in einem kleinen Akustikteil untergebracht, den Anneke van Giersbergen mit einem Solo-Cover des Pink Floyd-Klassikers „Wish You were here“ einleitete.

 

Es war ein tolles, von vorn bis hinten unterhaltsames Konzert, das die Hoffnung weckt, „The Gentle Storm“ auch noch auf weiteren Tourneen erleben zu dürfen.

 

Florian Gothe - www.sounds2move.de

 

 

Setlist The Gentle Storm:

 

Endless Sea

Heart of Amsterdam

Brightest Light

The Storm

Eléanore (The Gathering-Cover)

New Horizons

Wish you were here (Pink Floyd-Cover, akustisch)

The Moment (akustisch)

Valley of the Queens (Ayreon-Cover, akustisch)

Comatose (Ayreon-Cover, akustisch)

Cape of Storm

The Greatest Love

Waking Dreams (Ayreon-Cover)
Strange Machines (The Gathering-Cover)
Isis and Osiris (Ayreon-Cover)

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Fallout (Devin Townsend Project-Cover)

Shores of India