Callejon + Adept, Tamas

Batschkapp Frankfurt

13.12.2015

"Wir sind Angst" Wintertour 2015

 

 

Ein kleines bisschen darf man sich schon wundern: Da spielt die unumstrittene Nr. 1 im deutschsprachigen Metalcore in der famosen Batschkapp und die Bude ist "nur" halbvoll. Wobei "halbvoll" in Zeiten der neuen Batschkapp ja nicht zwingend negativ belegt ist, denn der Club fasst inzwischen amtliche 1.500 Besucher. An diesem Sonntagabend muss man es dann bei geschätzten 700 (?) belassen, die den Freiraum aber durchaus zu schätzen wissen. Und außerdem: lieber 700 Steilgänger als 1.500 Rumsteher.

 

Damit Bewegung in den Laden kommt, dürfen sich nacheinander TAMAS (gewöhnungsbedürftig) und die Schweden ADEPT versuchen, und weil der Hesse an sich so gastfreundlich und partyerprobt ist, kommt bereits bei der zweiten Band des Abends durchaus Bewegung in den Haufen vor der Bühne. Adept haben sich in den letzten Jahren durchaus einen gewissen Ruf erspielt und überzeugen mit passgenauen Breakdowns und den herben Grunts von Frontmann Robert Ljung. Leider gehen die hymnischen Momente ein wenig unter, da der Sound bisweilen etwas matschig ist und man scheinbar größeren Wert darauf legt, seine harte Seite in den Vordergrund zu stellen. Damit geht ein bisschen Potential verloren, was das Quintett aber mit seiner unbändigen Energie und Bewegungsfreude wett macht. Sicher nicht die schlechteste Werbung für das kommende Album "Sleepless", welches im Februar erscheint.

 

Gerade erst abgeliefert haben CALLEJON, nämlich den Konzertmitschnitt "Live in Köln", der pünktlich zu dieser Tour in den Regalen steht. Das Teil macht natürlich Laune (Review demnächst hier), aber dabei sein ist noch schöner, und deshalb gibt es heute das große Hallo und von Beginn an Vollgas auf und vor der Bühne. Wie könnte man da passender einsteigen als mit "1000 PS"? Eben! Und weil die Düsseldorfer heute mit der großen Kelle austeilen, setzt es direkt im Anschluss "das asozialste Lied, das wir je geschrieben haben": "Porn from Spain 1". Da lassen die ersten Crowdsurfer nicht lange auf sich warten, und in der ersten Reihe wird zur Not sogar auf Krücken (!) gerockt - das nennt man Einsatz, und wer heute daheim geblieben ist, der ist ohnehin selbst schuld. Passend zur ausgerufenen Wintertour hat es "Polar" ins Set geschafft, einzig die Großwetterlage will nicht so ganz mitspielen, da Petrus dieser Tage lieber den endlosen Herbst ausgerufen hat. Der Batschkapp geht es - mit Verlaub - am Arsch vorbei was draußen für ein Wetter ist, denn auch im Inneren stehen die Zeichen weiterhin auf Sturm. Was nicht heißt, dass hin und wieder nicht auch mal Zeit für Gefühle ist: Dafür dass Sänger BastiBasti "Meine Liebe" augenzwinkernd als "Emo-Song" ankündigt, den nicht alle Fans mögen, kommt das Teil jedenfalls verdammt gut an. Das ganz große Gefühlskino bleibt natürlich "Kind im Nebel" vorenthalten, das akustisch dargeboten und von unzähligen Feuerzeugen umrahmt und aus allen Kehlen mitgeschmettert wird. Wer da keine Piloerektion bekommt, hat garantiert ein - Achtung: Wortspiel - "Dunkelherz". Gleichnamige Über-Hymne kommt auf der aktuellen Tour erst im Zugabenteil zum Zuge und macht weiter vorne unter anderem Platz für das emotionale "Unter Tage", das düstere "Neonblut" sowie den Fanliebling "Sommer, Liebe, Kokain". Und natürlich das obligatorische "Snake Mountain" vom Debüt "Willkommen im Beerdigungscafe", das inzwischen so alt ist, dass es zur Hochphase von MySpace erschien, was Charmeur BastiBasti erst mal dazu bringt vorsichtig nachzufragen, ob die jüngeren Semester im Publikum besagte Social Media-Plattform überhaupt noch kennen. Was die Kids definitiv kennen, ist eine oberamtliche Wall of Death, die mit besagtem Früh-Hit einhergeht. Da kommt dem einen oder anderen der anfangs erwähnte Freiraum im nicht ausverkauften Club zugute, denn wer keine Lust auf Zerstörung hat, kann problemlos Reißaus nehmen. Oder man bleibt doch mittendrin im Körpergulasch, wo zur ersten Zugabe "Wir sind Angst" (bei der die Band kurzzeitig etwas neben dem Takt liegt) direkt noch ein mächtiger Circlepit gezündet wird. Callejon haben nicht weniger Bock und sind die kompletten 100 Minuten in Bewegung (mit Ausnahme von "Kind im Nebel" natürlich), stacheln die Fans an und turnen über die Raiser, unter denen immer mal wieder die derzeit in Sachen Bühnenproduktion überall schwer angesagten Dampfsäulen empor schießen. Bleibt noch das obligatorische "Porn from Spain 2" samt kollektivem erst-sitzen-dann-springen und der damit einhergehenden Komplettverausgabung. Mehr geht nicht, selbst wenn die Frage durchaus berechtigt ist, warum man nach wie vor zwei Coverversionen im Set hat, obwohl es an eigenen Hits keinesfalls mangelt ("Was bleibt seid ihr", "Raketen", anyone?). Die Reaktionen geben der Band allerdings recht, die auch diese Tour dazu nutzt, um zu untermauern, dass sie in vielerlei Hinsicht die unangefochtene Referenz im deutschsprachigen Metalcore ist. Einem Genre, dem man bei genauerer Betrachtung eigentlich längst entwachsen ist.

Markus Rutten - www.sounds2move.de


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Setlist Callejon:

 

Intro

1000 PS

Porn from Spain 1

Veni Vidi Vici

Polar
Schwule Mädchen (Fettes Brot-Cover)

Meine Liebe

Neonblut

Blitzkreuz

Krankheit Mensch

Kind im Nebel (Unplugged)
Unter Tage
Lass mich gehen

Sommer, Liebe, Kokain

Snake Mountain

Schrei nach Liebe (Die Ärzte-Cover)

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Trauma

Wir sind Angst

Dunkelherz

Porn from Spain 2