Halestorm + Dayshell, The Smoking Hearts

23.04.2014

Batschkapp Frankfurt

 

 

 

Obwohl man gerade eigentlich mitten im Songwriting für das dritte Studioalbum ist, reißen Halestorm mal eben eine mehrwöchige Headlinertour durch Europa runter. Ein ungewöhnlicher Schritt, denn eigentlich ziehen es viele Künstler vor, sich entweder auf das eine oder das andere zu konzentrieren. "Diese Tour tut uns richtig gut, wir mussten einfach mal wieder raus", verrät Sängerin Lzzy Hale dem s2m-Abgesandten am späten Nachmittag vor dem Konzert. Ihr Bruder Arejay stößt ins selbe Horn: "Wir waren seit Ende letzten Jahres so lange am Stück zu Hause wie seit Jahren nicht mehr, und irgendwie fehlt es einem schon, nicht unterwegs zu sein. Manchmal weiß man daheim gar nicht was man den ganzen Tag anfangen soll, außerdem ist es komisch für uns, in einem richtigen Bett zu schlafen, so viel Platz und die Stille sind wir nicht mehr gewöhnt, und auch daran, dass der Untergrund nicht mehr hin und her wankt wie im Bus muss man sich erst mal wieder gewöhnen", lacht der Ober-Sympath. Auch deshalb hat man diese Tour mitten in die Arbeitsphase an der neuen Scheibe gelegt, um zwischendurch einfach mal raus zu kommen, die eigenen Ideen und Songs sacken zu lassen und später mit frischen Eindrücken und einem freien Kopf wieder einsteigen zu können. Ein angenehmer Nebeneffekt ist zudem, dass man neues Material ganz unverbindlich "am lebenden Objekt" ausprobieren kann, aber dazu später mehr.

 

Erst einmal heißt es für die einzige europäische Band auf dieser Tour, den Abend zu eröffnen. Obwohl schon ein paar Hundert Fans in und vor der nagelneuen Batschkapp herum lungern, sind die Reihen zu Beginn noch relativ licht vor der Bühne, und viele der Anwesenden zeigen THE SMOKING HEARTS eher die kalte Schulter und lassen das Gebotene reglos an sich vorüberziehen. Die Engländer ziehen trotzdem tapfer ihr Programm durch und erspielen sich so zumindest ein paar neue Fans. Das harte Tagwerk eines Newcomers. DAYSHELL sind da schon ein Stückchen weiter und können auch mehr Leute vor die Bühne ziehen. Das Quartett vermischt Metalcore mit Rock und einer leichten Emo-Note, was zwar noch nicht zur totalen Party taugt, aber absolut gut hörbar ist und live mehr Ecken und Kanten hat als aus der Konserve. Um die 40 Minuten dürfen sich die Kalifornier zeigen, bevor nach "I owe you nothing" Schluss ist.

 


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Pünktlich um 21:30 treten dann HALESTORM ziemlich unglamourös und ohne jedes Intro ins Scheinwerferlicht. Ein kurzes Gitarrenfeedback fliegt durch den Raum und schon wird mit dem Kracher "I miss the Misery" eingestiegen, dem das nicht weniger energische "Love bites" folgt. Eigentlich ein geiler Einstieg, der auch durchaus ansprechend quittiert wird, aber völlig überraschend bleibt die große Euphorie in den ersten gut 20 Minuten noch aus. Was zu einem gewissen Prozentsatz auch daran liegen könnte, dass die Röhre von Lzzy Hale noch nicht ganz so will wie es die Sängerin, die erst vor einigen Wochen den Titeltrack von Pop-Violinistin Lindsey Sterlings zweitem Album "Shatter Me" eingesungen hat, sich vorstellt. Die ersten Tourwochen haben ihre Spuren hinterlassen und der Amerikanerin die branchenüblichen Tour-Krankheiten beschert, selbst wenn man kein Wort der Klage über Erkältung und angeschlagene Stimmbänder hört. So braucht es erst ein bisschen, bis sich alles eingegroovt hat und man zum Dio-Cover "Straight through the Heart" dann endlich auf Betriebstemperatur ist. Geschont wird sich allerdings auch in der Folge nicht, und so wird ganz unverfroren mit dem Publikum geflirtet ("Wer sieht uns heute zum ersten Mal?" - ein paar Hände gehen nach oben - "Welcome to the Family, bitches!") und sich mehrfach artig für das Erscheinen der Fans bedankt, deren Verdienst allein es sei, dass man immer wieder nach Europa kommen und solche lächerlichen Outfits präsentieren darf, wie Lzzy in Zebra-Spandex und mit Killernieten-Korsett nicht ganz zu unrecht mit viel Selbstironie feststellt. Die hessischen Fans danken es auf ihre Art und singen besonders bei "You call me a bitch like it's a bad thing", "Rock Show" und "Familiar Taste of Poison" aus voller Kehle mit. So wird doch ein Schuh draus, und endlich haben beide Seiten die Party, für die sie heute gekommen sind. Zwischen vielen Ohrwurm-Rockern darf es dann trotzdem auch mal eine Verschnaufpause sein, nämlich mit der Fleetwood Mac-Coverversion "Gold Dust Woman" und der Pianoballade "Break in", für welche die drei Männer kurzerhand der Bühne verwiesen werden (O-Ton: "Ich darf die Jungs auch mal von der Bühne schmeißen, immerhin muss ich seit über zehn Jahren jeden Tag ihre stinkenden Socken ertragen").


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Nach dem Gänsehautblock hat dann Schlagzeug-Tier Arejay seinen großen Auftritt, und während seine Mitstreiter hinter der Bühne kurz durchpusten, überzeugt der geborene Entertainer einmal mehr mit dem Beweis, dass ein Drumsolo alles andere als langweilig sein muss. Wer sich ein genaueres Bild machen will, möge sich einen der unzähligen Mitschnitte auf YouTube ansehen. Viel mehr Einsatz geht nicht, könnte man meinen, doch auch da beweist uns der Blondschopf das Gegenteil, denn nachdem später am Abend der letzte Song gespielt ist, springt der klatschnasse Drummer direkt noch mal in den Fotograben, um mit den Fans ein letztes Mal auf Tuchfühlung zu gehen, Hände zu schütteln und in die eine oder andere Kamera zu grinsen, während der Rest des Quartetts alles in die Menge feuert, was irgendwie zu entbehren ist, vom Plektrum, über die Setlist bis hin zu übrig gebliebenen Wasserflaschen. Eine Viertelstunde zuvor präsentierte man noch einen Ausblick auf erwähntes neues Songmaterial, nämlich einen furiosen Brecher mit dem Arbeitstitel "Mayhem", der auf Anhieb überzeugte. Für diese bis dato unbekannte Nummer entschuldigt man sich nicht ohne Ironie prompt im Anschluss und schlägt so gekonnt die Brücke zu einem Song, der "garantiert schon jedem zu den Ohren heraus hängt", nämlich Daft Punks "Get Lucky", der launig mit "we bore the shit out of you" angekündigt wird. Vom Partymachen lässt sich Frankfurt trotzdem nicht abhalten, sodass es danach nur noch heißen kann "Here's to us, Frankfurt!". Binnen Sekunden sind alle Arme und ein paar Feuerzeuge in der Luft, sodass eine der besten Rockballaden der letzten Jahre einen würdigen Rahmen verpasst bekommt, bevor Halestorm euphorisch verabschiedet werden.

 

Markus Rutten - www.sounds2move.de 

 

 

Setlist Halestorm:

 

I miss the Misery

Love bites (so do I)

It's not you

Freak like me

Straight through the Heart (Dio-Cover)

You call me a Bitch like it's a bad Thing

Innocence

Don't know how to stop

Rock Show

Gold Dust Woman (Fleetwood Mac-Cover)

Break in

Familiar Taste of Poison

Drum Solo Arejay

Dissident Aggressor (Judas Priest-Cover)

Mz. Hyde

Daugthers of Darkness

I get off

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Mayhem (Arbeitstitel, neuer Song)

Get lucky (Daft Punk-Cover)

Here's to us