Boysetsfire + Matze Rossi

UT Connewitz Leipzig

20 and counting - 20th Anniversary Tour ("An Evolution of Volume"-Show)

10.10.2014

 

 

In Sachen harter Musik ist die Sachsen-Metropole Leipzig alles andere als ein unbeschriebenes Blatt. Die Vielfalt an Kulturprogramm und damit auch Konzerten ist groß in der Studentenstadt, hier haben u.a. das Metal/Hardcore-Label Lifeforce und der große Merch-Mailorder Impericon (der auch für die Leibchen des Headliners des heutigen Abends in Europa zuständig ist) ihren Sitz. Außerdem ist es natürlich die Heimat des Wave-Gotik-Treffens, dem größten Festival für Gothic und artverwandte düstere Musik. An so einem Ort fällt auch der musikalische Samen der Post-Hardcore-Könner Boysetsfire auf fruchtbaren Boden, die hier traditionell in der Gunst des Publikum ganz weit oben stehen. Auch deshalb präsentieren sich die Gastgeber des heutigen Abends im Rahmen ihrer Tour zum 20. Jubiläum in besonderer Form.

 

Anfänglich sollte diese Show ein reines Akustikkonzert werden, was allerdings wohl auch daran scheiterte, dass der Band die Zeit fehlte "mal eben" ein komplettes Set auf "stromlos" umzustellen. Stattdessen präsentieren die Amis und ihr deutscher Bassist einen bunten Querschnitt ihres Schaffens, der von akustisch, über hymnisch rockig bis derb mit laufender Spielzeit zusehends am Härtegrad dreht. Der Support für den Abend orientiert sich dann erst mal am geplanten Unplugged-Auftakt, weshalb Singer-Songwriter MATZE ROSSI den Abend als One-Man-Show eröffnen darf. Das macht er grundsympathisch und souverän, sodass er nach dem eigentlichen Ende seiner Spielzeit sogar noch eine spontane Zugabe spielen darf. Fans von Thees Uhlmann und Konsorten dürfen hier gerne mal ein Ohr oder auch zwei riskieren.

 

 

Da im Anschluss nicht umgebaut werden muss und BOYSETSFIRE auch auf jede Art von Intro oder dergleichen verzichten, geht es etwa eine halbe Stunde später plötzlich ganz schnell, und schon stehen Sänger Nathan Gray und Gitarrist Chad Istvan auf der Bühne, lächeln verschmitzt in den rappelvollen Saal und begrüßen erst mal die Fans mit einer kurzen Ansprache. Man habe zu wenig geübt und außerdem die Hosen voll, wird mit einem Augenzwinkern verkündet, was wohl nicht komplett gelogen ist, denn der Frontmann hat sich einen Notenständer samt Songtexten auf die Bühne stellen lassen. Noch schnell für etwaige Verspieler und sonstige Fehler im Voraus entschuldigt, das ganze unter das Motto "Casual Friday" gestellt (was zum Running Gag des Abends und zur Entschuldigung für sämtliche Zwischenfälle herhalten wird) und schon geht es ab dafür mit "Let it bleed". Dabei wird schnell bestätigt, was vielen schon lange klar war, nämlich dass Nathan Gray - optisch mittlerweile in der Schnittmenge aus Mike Patton und Mike Ness angesiedelt - ein außergewöhnlich guter, ja sogar überragender Sänger ist. Da hören die Fans in Leipzig gerne genauer hin, weshalb es auch während der folgenden Songs (u.a. "Deja Coup", "With every Intention") so leise im Saal ist, dass man die viel zitierte Stecknadel fallen hören könnte. Gänsehaut pur! Inzwischen haben sich die restlichen Bandmitglieder mit auf die Bühne geschlichen und man wechselt fließend in den elektronisch unterstützten Teil des Abends. Auch hier finden sich selbstverständlich diverse Highlights und herausragende Songs, die großes Post Hardcore-Kino sind und wunderbar zur Location passen, denn das UT Connewitz ist ein über 100 Jahre altes Lichtspielhaus, das unter Denkmalschutz stehend einen etwas abgerockten aber überaus stimmungsvollen Eindruck hinterlässt. Genau der richtige Rahmen für "A far Cry", "Release the Dogs", ein überragend vorgetragenes "Walk astray", aber auch die ganz großen Hits der Marke "Empire", "(10) and counting" und natürlich "Requiem", das zweimal gespielt werden muss, da ein nicht mehr ganz nüchterner Fan die Bühne entert, um oben rum blank zu ziehen und sein selbstgemachtes T-Shirt zu präsentieren, auf das er ein Foto von sich und dem sich ob dieser Showeinlage lachend abwendenden Gray gedruckt hat. Übrigens nicht der einzige "Auftritt" des Promille-Stalkers, der im Laufe der Show mehrfach um Aufmerksamkeit buhlt und versucht die Bühne zu entern. Dann doch lieber der Schrank mit den mächtigen Dreadlocks, der beim Versuch des Stagedivings gleich zweimal hintereinander auf dem harten Boden der Tatsachen landet. Boysetsfire haben für all das nur launige Kommentare übrig und lassen sich nicht aus der Ruhe bringen, sondern legen weiter mit Höhepunkten ihrer 20-jährigen Karriere nach. "Rookie", "Closure" (als letzte Zugabe), "Until nothing remains", "After the Eulogy" - hier sitzt jeder Schuss, und die Fans sind zu recht aus dem Häuschen. Diese Truppe hätte sich beinah für immer verabschiedet und hat dann doch wieder zu uns zurück gefunden. Noch mal Glück gehabt, denkt sich sicher auch Bassist Robert Ehrenbrand, der seinen Posten nach der Reunion 2010 wieder eingenommen hat und live einer der Aktivposten der Band ist. Somit ist es für alle Anwesenden ein Segen, dass es überhaupt zu dieser Tour, zu diesem knapp zweistündigen Konzert gekommen ist. 20 Jahre sind eine lange Zeit, aber wer das letzte Album "While a Nation sleeps" gehört und die Jungs davor oder danach live gesehen hat, der weiß, dass diese Burschen noch nicht am Ende ihres Weges sind und sie noch einiges zu sagen haben. Futter für ihre Texte liefert ihnen die Welt aktuell ja mehr als einem lieb sein könnte.

 

Markus Rutten - www.sounds2move.de