Bands:

Rammstein + Combichrist

Location:

Thomas & Mack Center Las Vegas, Nevada (USA)

Datum:

21.05.2011
Tour: US-Tour 2011

 

Samstagabend in der Glitzermetropole Las Vegas. Comedian Jerry Seinfeld spielt im Caesar’s Palace auf, die Blue Man Group und Chippendales haben ohnehin ein Dauerabo in Nevada gelöst und auch David Copperfield gehört hier längst zum Inventar. Da hat das Stelldichein der deutschen Industrial Metaller Rammstein schon einen deutlich exklusiveren Charakter. Über 10 Jahre waren die Berliner nicht mehr auf dieser Seite des großen Teichs, bevor im vergangenen Winter eine One-Off-Show im legendären Madison Square Garden in New York City (binnen weniger Minuten ausverkauft, wurde bereits als zukünftige DVD-Veröffentlichung angekündigt) gespielt wurde, und Anfang 2011 eine „richtige“ Tour angekündigt wurde. Die gebuchten Arenen sind groß, die Dimensionen der Hallen in der Heimat werden weitestgehend gehalten und liegen jenseits mehrerer Tausend Zuschauer. Etwas Derartiges war zuvor nur den Landsleuten von den Scorpions vergönnt, was schon mal eine Ansage ist.

Ist man sich der Tatsache bewusst, wie selten sich Till Lindemann und Co. auf dem amerikanischen Kontinent blicken lassen, und berücksichtigt auch welche Faszination die fremde Sprache, das bisweilen martialische Image der Band und nicht zuletzt die aufwändige Show ausüben, so versteht man zumindest ansatzweise, warum viele Fans vor dieser Show aufgedreht wie Graf Koks sind. Manche kommen extra aus Lateinamerika um die Show zu sehen, andere aus allen Winkeln der USA. Wie das Pärchen, das für dieses Konzert aus Tennessee eingeflogen ist und bereits im Taxi zum Thomas & Mack Center unruhig und mit funkelnden Augen auf dem Rücksitz hin und her rutscht. Da kommt der deutsche Mitfahrer wie gerufen, um die brennendsten Fragen auf der Fanseele nach bestem Wissen und Gewissen zu beantworten. Das unbekannte, exotische scheint die amerikanischen Fans unglaublich zu fesseln.
 


Der Ort des Geschehens: Das Thomas & Mack Center

So wird dieses Konzert scheinbar zum „deutschen Abend“ erklärt. Die Anhänger tragen alles auf, was nur irgendwie deutsch ist oder an Deutschland erinnert. Von Fußballtrikots, über Bundeswehrhemden bis hin zu Shirts mit „Heckler und Koch“-Aufschrift (!) und modisch gewagten Anglerhüten in Schwarz-Rot-Gold. Sogar Tattoos in deutscher Sprache (z.B. „Freiheit“) werden offen präsentiert. Es scheint als hätten die von Natur aus patriotisch geprägten Amis Deutschland an diesem Abend quasi adoptiert und legen eine Begeisterung und offene Sympathie an den Tag, wie sie hierzulande maximal während einer Fußball WM praktiziert wird. Und dann in den meisten Fällen aus Modegründen. Apropos Mode: Obwohl Rammstein sich ein normales Shirt mit $30, ein Tourshirt gar mit $40 vergüten lassen, steht das Publikum geduldig an 3 großen Merch-Ständen Schlange (und der Ami an sich steht unheimlich gern in Schlangen), um sich mit allerlei Fanutensilien (Shirts, Pullis, Jacken, Gürtel, Caps…) einzudecken – man weiß ja nie wann man mal wieder die Chance dazu bekommt, scheinen sich manche zu denken. Somit sind viele Besucher beim Startschuss durch COMBICHRIST noch im Eingangsbereich, wo neben dem Merch auch unzählige Snack- und Getränkestände die Kundschaft anlocken und – natürlich – auf diversen Monitoren das NBA Play-Off Spiel von Dirk Nowitzkis Mavericks gegen Oklahoma City flimmert. Welchem Team die meisten Sportinteressierten an diesem Abend die Daumen drücken, dürfte klar sein.


Pyro bei "Engel"

Nachdem der Sieg für „Dirkules“ eingefahren ist, schlupfen aber auch die letzten Fans in die Halle, wo sie die heute wohl heißeste Show von ganz Vegas erwartet. Da kann sogar der künstliche Vulkanausbruch vor dem Mirage einpacken. Gespannt warten die Fans, vor allem im für europäische Verhältnisse ungewohnterweise nur etwa zur Hälfte gefüllten Stehbereich (teuerste Kartenkategorie, sehr beschränkte Stückzahl) auf ihre Berliner Helden und stimmen schon mal den einen oder anderen Kanon an, bevor pünktlich das Saallicht aus geht und die Halle in tiefes Schwarz gehüllt wird. Zum „Rammlied“ kämpft sich die Gitarrenfraktion durch eine Mauer aus Schaumstoffziegeln, wobei von hinten gleißendes Licht durch die Öffnungen strömt. Das kennt man zwar von der Europatour, gibt aber trotzdem ein imposantes Bild ab. Mit dem Betreten der Bühne von Zeremonienmeister Till Lindemann, ist der Siedepunkt sogleich erreicht. Ansagen gibt’s natürlich während der gesamten Show nicht, was allerdings niemanden stört, da diese im perfekt inszenierten Auftritt ohnehin unpassend wären. Stichwort Inszenierung: hier macht RAMMSTEIN garantiert niemand etwas vor. Die Darbietung ist gleichermaßen beeindruckend wie packend, zumeist überaus düster, ohne jedoch in totale Depression zu verfallen. Dafür sorgen allein schon die großen und kleinen Scharmützel zwischen dem breitschultrigen Lindemann und Keyboard-Spargeltarzan Flake, der traditionell den Kürzeren zieht. Noch ein Grund warum einem der Tastenmann leid tun kann, der ohnehin schon einen Großteil der Show auf einem Laufband zurücklegen muss, welches unter seinen Füßen unerbittlich rattert.

Ganz und gar nicht lustig sind die von der Bühnendecke hängenden, bereits schwer malträtierten Babypuppen, die während „Wiener Blut“ genüsslich in die Luft gejagt werden, was den Einheimischen den Atem nachhaltig stocken lässt – derartiges Entertainment sieht man im Land des verbannten „F-Word“ eher selten. Noch größer werden die Augen danach nur noch beim Abschluss des regulären Sets mit „Pussy“: Als letzten Paukenschlag haben Rammstein eine riesige Schaumkanone in Penisform dabei, mit welcher die ersten Reihen mal so richtig schön und sprichwörtlich eingeseift werden. Zur Zugabe geht dann die „Sonne“ auf, Licht- und Pyrotechniker dürfen noch mal alles geben und als endlich das ersehnte „Ich will“ erklingt, holen die Amis noch mal alles aus ihren Stimmbändern heraus, was zugegebenermaßen ob des unvermeintlichen Dialekts ziemlich witzig klingt. Mit „Engel“ gibt es noch eine allerletzte Zugabe, Till Lindemann präsentiert passend dazu gigantische, mechanische Engelsflügel auf seinem Rücken, die – Überraschung – natürlich Feuer spucken. Das macht noch einmal Eindruck bevor sich der Sänger im Namen seiner Band mit etwas holprigen, aber sympathischen Worten verabschiedet. Während sich alles noch von den Eindrücken ziemlich geflasht hinaus in die Samstagnacht der sündigsten Stadt der Welt schiebt, macht es Spaß den US-Fans zu lauschen, denen fast die Superlative ausgehen. Da ist „ich habe Kiss und Maiden gesehen, die können beide einpacken!“ und „So was habe ich noch nie gesehen, davon kann ich meinen Enkeln erzählen“ noch das zurückhaltendste. Einer spricht in der Euphorie des Augenblicks sogar vom besten Abend seines Lebens. Vielleicht etwas voreilig, denn der Arme hat die Warteschlange am Taxistand vermutlich noch nicht gesehen, an den sich (das Thomas & Mack Center liegt etwas ab vom Schuss bzw. Strip) nur hin und wieder ein Taxi verirrt. Am Ende warten einige Fans deutlich über zwei Stunden auf einen fahrbaren Untersatz, was kein Problem darstellt, denn nicht nur wegen der kleinen Scharmützel zwischen T-Shirt-Bootleggern und der aus dem nichts auftauchenden Staatsmacht – Sprinteinlagen inklusive – hat man ja mehr als genug Gesprächsstoff. Notfalls für die ganze Nacht.

Markus Rutten – www.sounds2move.de

 

Setlist Rammstein:

Rammlied
B*******
Weidmanns Heil
Keine Lust
Weisses Fleisch
Feuer Frei
Wiener Blut
Frühling in Paris
Ich tu’ dir weh
Du riechst so gut
Benzin
Links 2, 3, 4
Du Hast
Pussy
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Sonne
Haifisch
Ich will
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Engel


Alles was das Herz begehrt: Der prall gefüllte Merch-Stand