Bands:

Coheed and Cambria

Location: House of Blues San Diego, CA (USA)

Datum:

10.05.2011
Tour: “Neverender: SSTB” Tour 2011 – An Evening with Coheed and Cambria

 

10 Jahre COHEED AND CAMBRIA, das ist durchaus ein Grund zu feiern. Und obwohl die vier Herren (zumindest abseits der Bühne) eher zu den introvertierten Zeitgenossen im Rockzirkus gehören, wollen sie sich nicht lumpen lassen und mit den Fans amtlich einen drauf machen. Zu diesem Zweck wurde eine mehrwöchige US-Tour gebucht, die CoCa in Reinkultur versprach: Frei nach dem Motto „An Evening with Coheed and Cambria“ machen sich die New Yorker also im Alleingang und ohne überflüssige Vorturner auf die Reise.

Das Set wurde selbstredend dem Anlass entsprechend zusammengestellt, wobei der Kern der Sache die ganzheitliche Aufführung des kultigen Debüts „Second Stage Turbine Blade“ darstellt. Bevor es allerdings so weit ist, serviert das Kleeblatt einen nicht minder exklusiven Schwung handverlesener Akustik-Songs, wie in allen anderen Städten startet man auch im schmucken San Diego gemütlich in den Abend. Claudio Sanchez und seine Kollegen nehmen auf Stühlen Platz, das Licht ist bis auf wenige farbige Spots ausgeschaltet. In diesem stimmungsvollen Ambiente kommen „Always and Never“ und „Pearl of the Stars“ gut zur Geltung und die Südkalifornier spenden zur Bestätigung tosenden Beifall zwischen den Songs. Auf der Bühne ist die Stimmung mindestens genauso gut, sodass die von den Fans nach vorn geworfenen Atzen-Brillen bereitwillig auf den Nasen der Protagonisten landen. Nach acht Songs ist dann erst mal wieder Schluss und es wird für die folgenden elektronischen Parts fleißig umgebaut, was am Ende trotzdem fast eine halbe Stunde dauert.

 

Mit dem Intro des „Second Stage Turbine Blade“-Blocks ist die Ungeduld aber augenblicklich verflogen und es wird richtig laut im House of Blues. Die Bühnenproduktion wurde passend zum Albumtitel gewählt, sodass sich im Hintergrund zwei riesige Turbinenventilatoren stoisch drehen und optische Akzente setzen. Dies schafft der CoCa-Frontmann Claudio Sanchez in erster Linie durch seine schier unglaubliche Haarpracht und natürlich seine längst zum erwarteten Standard gewordene doppelhalsige Gitarre. Wenn es zu diesem stimmigen Bild auch noch Songs wie das mit unbändiger Power vorgetragene „Devil in Jersey City“ auf die Ohren gibt, kommt natürlich ruckzuck Bewegung in die Bude, was einige Unerschrockene dazu veranlasst sich mal ganz charmant über das vorherrschende Auftrittsverbot für Crowdsurfer hinweg zu setzen. So kann erst mal nichts anbrennen, denn jeder weiß worauf er sich zu freuen hat, wodurch zwar niemand überrascht wird, die Stimmung aber auch keinerlei Einbrüche hinnehmen muss. Nach einer Stunde hat man dem eigenen Urknall dann genüge getan, verlässt die Bretter und kommt nach einigen Minuten zurück, um denen, die noch nicht genug haben (was natürlich alle sind!) mit einem Hitfeuerwerk den Rest zu geben. „Far“ geht schon gut, „Ten Speed“ setzt ein Ausrufezeichen dahinter, ebenso wie „No World for Tomorrow“. Als dann die ersten Licks von „Welcome Home“ erklingen, weiß jeder hier unten im Keller was die Uhr geschlagen hat: Die Kids drehen komplett frei, der Tieffliegerstrom erreicht bisher nicht gekannte Ausmaße, während alle gemeinsam versuchen, die PA in Grund und Boden zu brüllen – was für eine Göttergabe! Dieses Level ist im Anschluss schlicht unmöglich zu halten, auch nicht für „The Black Rainbow“, den Rausschmeißer der aktuellen Scheibe. Hiermit belohnen sich die Musiker vielmehr selbst, denn dieser spacige Track lädt mit großer Geste zum gepflegten Frickeln und Improvisieren ein. Ein finales Aufbäumen vor der Bühne, während sich die Band in eine letzte kleine Trance spielt. Dann ist Schluss, die ersten nassen Leiber schieben sich in Richtung Ausgang, andere suchen wahlweise ihre Begleitung, ihr Schuhwerk oder den Boden nach unentdeckten Picks ab. Doch halt – einen haben sie noch. Die beiden Urmitglieder Claudio Sanchez und Travis Stever wollen, dass sich der imaginäre Kreis schließt und geben noch eine finale Akustiknummer zum Besten, und zwar die SSTB-B-Seite „Elf Tower New Mexico“.

Wer darf (sprich über 21 ist) nimmt noch einen Absacker an der Bar, die Kids gucken hingegen in die Röhre und werfen nur einen verstohlenen Blick an den breit gebauten Sicherheitsleuten vorbei, welche die Trinker von den Nicht-Trinkern trennen und steigen die Treppen zur Straße hinauf. Diejenigen, die immer noch nicht genug haben, sichern sich am Merch-Stand noch die heutige Show für zu Hause im MP3 Format und zerstreuen sich dann in die „historische Altstadt“ von San Diego, das so genannte Gaslamp Quarter. Vorher geht’s noch einmal durch das lang gezogene House of Blues (vergleichbar mit den auch hierzulande bekannten Hardrock Cafes, bloß um einen Live-Club erweitert), wo am frühen Abend auf einer winzigen Bühne Cowboy Jack (!) aufspielte und seine jedes Klischee mitnehmenden Country-Songs zum besten gab („I saw miles and miles of Texas…“). Ob der nette Herr im Statson sich wohl darüber im Klaren ist, dass er heute den inoffiziellen Support für eine Horde langhaariger Kids und ihre Science-Fiction-Verrückten Helden gegeben hat?

Markus Rutten – www.sounds2move.de

 

 

Setlist Coheed and Cambria:

(Akustik-Set):

Always and Never
Mother Superior
Pearl of the Stars
Iron Fist
Milk Foot

(von Claudios Soloprojekt Davenport Cabinet)

Who watches the Watchmen?
(von Travis’ Soloprojekt The Prize Fighters Inferno)
Here we are Juggernaut
Wake up

 

(Second Stage Turbine Blade):

Second Stage Turbine Blade
Time Consumer
Devil in Jersey City
Everything Evil
Delirium Trigger
Hearshot Kid Disaster
33
Junesong Provision
Neverender
God Send Conspirator
IRO-Bot

 

(Zugabe):

Far
Ten Speed
Now World For Tomorrow
Welcome Home
The Black Rainbow
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Elf Tower New Mexico (akustisch)