Bands:

Chris Cornell
Location:

Zeche Bochum

Datum:

31.05.2009

 

Zu seinen Fans ist CHRIS CORNELL in letzter Zeit richtig gut. Eine neue Platte ist draußen, die zwar hier und da Kritik einstecken musste (Banausen!), doch ungeachtet dessen taucht der US-Amerikaner mit seiner Band in regelmäßigen Abständen auf europäischen Bühnen auf. Während sich das eine oder andere Festival mit dem nahenden Sommer einstellt, schiebt der Maestro zwischen den Open Airs die ein oder andere Headlinershows ein, die Cornell an einem günstig gelegenen Sonntag vor einem Feiertagsmontag in die gute alte Zeche nach Bochum führt. Ebenfalls gut für die Anhänger: Wie schon bei der Special Show zum aktuellen Album „Scream“ in Berlin Ende Februar hat der Wahl-Pariser auch diesmal keinen überflüssigen Support-Act dabei, den am Ende eh niemand sehen wollen würde. Stattdessen hat der Hüne einen bunten Mix seines bisherigen Schaffens zusammen gestellt, der dem zwar nicht ausverkauften, aber gut gefüllten Pott-Club heute um die Lauscher gehauen wird.

Die Zeche ist gegen 19 Uhr noch relativ leer, die Besucher, die schon vor Ort sind zieht es stattdessen in den Biergarten oder vor die Halle ins Freie. Mit etwa zwanzig Minuten Verspätung legt der Sänger samt Backing Band dann mehr oder minder heimlich los. Das Intro – eine feine Streicher-Version des Soundgarden Überhits „Black Hole Sun“ (heute nicht in der Setlist) – scheinen viele anfangs gar nicht als solches wahr zu nehmen. Doch spätestens mit der einleitenden Fanfare von „Part of Me“ weiß auch der letzte, dass es endlich los geht. Cornell präsentiert sich von Beginn an gut gelaunt, auch wenn er wenig mit dem Publikum im Dialog steht. Stattdessen lässt er seine Musik für sich sprechen und diesmal enthält die Wundertüte im Vergleich zur „Scream“-Releaseshow (inkl. damals vollumfänglich dargebotenem Album) wieder überraschend viele Tracks aus dem Raritäten-Kabinett, nur diesmal nicht auf Zuruf. So setzt es nach dem tollen Bond-Track „You know my name“ mit „Sunshower“ ein fast schon vergessenes Nümmerchen aus dem Jahre 1998, welches seinerzeit nur auf dem Soundtrack zur Charles Dickensen Verfilmung „Great Expectations“ erschien. Na das kann ja noch interessant werden heute. Noch mal zwei Jahre älter, dafür immerhin etwas bekannter sind „Pretty Noose“ und „Burden in my Hand“ (Soundgarden), welche direkt im Anschluss kommen. Dass ein Mann von Welt wie Cornell in solch üppigem Maße mit Raritäten und Material seiner bisherigen Karrierestationen um sich wirft, ist wirklich bemerkenswert, immerhin gibt es genug andere Beispiele, in denen Musiker auf Solopfaden einen Bogen um Material von ihren sonstigen Bands machen. Ungeachtet dessen müssen zwischendurch selbstverständlich auch immer noch amtliche Hits vom Stapel gelassen werden, so zum Beispiel „Set if Off“ aus Cornells Zeit bei Audioslave oder das an sich schon gute, in der Rock / Live-Version aber noch einmal knackigere „Long Gone“ vom aktuellen Album „Scream“. Und natürlich die – und da ist sich die gesamte Zeche einig – unbestrittenen Höhepunkte des regulären Sets: Das grandiose „Spoonman“ und die Gänsehautnummer „Hunger Strike“, bei welcher Cornell seinen Mikrofonständer Angelruten-artig ins Publikum auswirft, um wahrlos ausgewählten Konzertbesuchern einzelne Strophen zu überlassen. Diese erweisen sich nicht nur ausnahmslos als textsicher, sondern auch äußerst gut bei Stimme, was der 44-Jährige gleichermaßen überrascht wie angetan zur Kenntnis nimmt und den entsprechenden Fans seinerseits mit Applausgesten und beeindrucktem Gesichtsausdruck quittiert. Absolut unnahbar gibt sich hingegen Chris’ angetraute, die Publizistin Vicky Karayiannis, welche das halbe Konzert im Fotograben zubringt und mit ihren beiden Handys zwar fleißig versucht Fotos von ihrem Gatten zu schießen, ansonsten hinter ihrer riesengroßen Sonnenbrille und dem durchgestylten Äußeren fast keinerlei Regung zeigt. Man kann sicherlich darüber streiten ob die Frau wahlweise einen Hauch von Glamour oder Upper-Class Schicki Micki versprüht. Angesichts des durch und durch von der Arbeiterklasse geprägten, geschichtsträchtigen Auftrittsorts ist allerdings beides gleichermaßen überflüssig wie unpassend. Zumindest erklärt sich so aber die Präsenz des fast zwei Meter großen, muskelbepackten Bodyguards am Rand des Grabens, dessen Tourdienste sicherlich nicht von dem verschwitzten, schwarz-gelockten Mann mit der Reibeisenstimme und den ausgewetzten Jeans auf der Clubbühne in Anspruch genommen wurden.

Doch noch ein letztes Mal zurück zum guten alten Rock N Roll: Der Zugabenblock geht mit Zweidrittelmehrheit an die Seattle-Legende Soundgarden und nach dem Ende des ruppigen „Rusty Cage“ spenden die Bochumer anerkennenden bis euphorischen Beifall und Ovationen, natürlich in der Hoffnung noch einen weiteren Nachschlag geboten zu bekommen. Diesem Wunsch kann leider nicht mehr nachgekommen werden, denn bis 23:00 Uhr will das Equipment der Band vollständig verladen sein, da die Zeche dann im Discotheken-Modus in die zweite Runde geht. Apropos zweite Runde: Auch der zweite deutsche Headlinerauftritt Chris Cornells in diesem Jahr war absolut eine Reise wert und konnte abermals mit wunderbar überraschender, wenn auch diesmal nicht spontan zusammengestellter Songauswahl glänzen. Die lang herbeigesehnte und sicher irgendwann kommende Soundgarden-Reunion kann somit kommen, unser Freund ist nämlich nicht einfach nur im Training, sondern auch noch bestens in Form.

Markus Rutten – www.sounds2move.de

 

Setlist:

Part of Me
Time
No such Thing
You know my name
Sunshower
Pretty Noose
Burden in my Hand
Set if off
Ground Zero
Never far away
Show me how to live
Long Gone
Cochise
Watch out
Arms around your Love
Hunger Strike
Spoonman
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Like Suicide
Scream
Rusty Cage

 

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