Bands:

Front 242 + Covenant, Welle:Erdball, Suicide Commando, Destoid
Location: Capitol Hannover

Datum:

27.12.2009
Tour: The Christmas Ball 2009

 

Kaum ein Festival hat sich in den letzten Jahren so schnell und nachhaltig etabliert wie der Christmas Ball im Capitol Hannover. Vor drei Jahren als Alternative für das übliche weihnachtliche Programm ins Leben gerufen, debütierte der Christmas Ball am 26.12.2007 mit Unheilig, Welle: Erdball und Obscenity Trial vor ausverkauftem Haus. Damit war für die Veranstalter klar, dass das Experiment geglückt war und auch die Auflage 2008 mit Covenant als Headliner war ein riesiger Erfolg. Davon angespornt, entschlossen sich die Veranstalter, mit dem Christmas Ball auf Tour zu gehen. Erstmals fand der Ball 2009 in drei verschiedenen Städten statt, wobei man für die Heimatstadt Hannover ein besonderes Schmankerl parat hatte, denn nur hier spielten Front 242 zusätzlich als Headliner, während an den anderen beiden Locations „nur“ Destroid, Suicide Commando, Welle:Erdball und Covenant spielten. Aber auch diese Auflistung gehört zur Creme de la Creme der Elektro-Szene und besteht fast nur aus Headlinern. Und natürlich ging die Erfolgsstory weiter und die Veranstalter konnten sich über volle Hütte an allen drei Locations freuen, wobei man im hannoverschen Capitol zeitweise schon das Gefühl hatte, das hier vielleicht mehr Karten verkauft wurden, als offiziell Leute reinpassen, so voll war es. Aber wie dem auch sei, bis auf dieses „Sardinenbüchsen-Feeling“ waren Bands, Fans und Veranstalter rundum zufrieden und es herrschte eine tolle Atmosphäre.

Die Aufgabe, das Festival zu eröffnen, oblag DESTROID. Das Electro/Industrial-Projekt von Haujobb-Mastermind Daniel Myer machte seine Sache gewohnt gut, doch wie es bei den meisten Festivals so ist, sind die wenigsten Gäste wegen des Openers gekommen. Destroid erfüllten den Part des Einheizers aber bravourös. Würde man das Festival als mehrgängiges Menü sehen, waren Destroid die Vorsuppe, die den Gästen hervorragend gemundet hat, ohne zu schwer im Magen zu liegen, sondern erst richtig Appetit auf die Hauptgänge machte. Die nächsten drei Bands hatten allesamt das Zeug zum Headliner und waren es irgendwie auch, so dass die Reihenfolge, in der sie auftraten, egal war. Zunächst enterte SUICIDE COMMANDO die Bühne und sorgte dank seiner energiegeladenen Performance für ein ausgelassen mittanzendes Publikum, welches von Sänger Johan van Roy noch kräftig angefeuert wurde. Mit der Setlist bewies er wieder einmal ein Gespür dafür, welche Tracks die Fans hören wollten und lieferte einen Querschnitt seiner Clubkracher der letzten 20 Jahre. Darunter „Bind, Torture, Kill“, „Cause of Death: Suicide“, „Love Breeds Suicide“ und natürlich auch der Evergreen „Hellraiser“. Die aktuelle Single “Die Motherf***** Die!“ durfte natürlich nicht fehlen und wenn dieses Stück repräsentativ als Vorbote für das neue im Frühjahr erscheinende Album steht, können sich die Fans warm anziehen, weil da wohl ein echter Industrial-Megakracher ins Haus steht. Nachdem das belgische Selbstmordkommando gefühlt viel zu früh die Bühne verließ, wurde es Zeit, sich von den harschen und düsteren Industrialklängen zu verabschieden und sich den Achtziger Jahren und einem kleinen Heimcomputer zuzuwenden, der auch heute noch unzählige Fans hat. Der C-64!

Und zu seinen größten Fans gehören zweifelsohne WELLE: ERDBALL, die es immer wieder schaffen, neue elektronische Klänge aus dem alten „Brotkasten“ heraus zu holen. Auch sie hatten eine Art „Festival-Best-of“ als Setlist. Dabei durfte „Mensch aus Glas“ ebenso wenig fehlen wie „Arbeit Adelt!“ und auch der „Starfighter FG-104“ wurde wieder einmal gestartet. Außerdem erklärte Sänger Honey sich zum „Alpha-Tier“ und die Band verschickte Nachrichten per „Telegraph“. Sie stellten fest, das „An der falschen Front“ gekämpft wird und entführten die Fans ins „8-Bit Märchenland“, ehe sie im „VW Käfer“ davonfuhren. Den Fans fiel sofort auf, dass Keyboarder Alf entweder stark in die Länge gezogen wurde und sich ein neues Gesicht zugelegt hat oder, was weitaus wahrscheinlicher war, er fehlte. Honey erklärte die Abwesenheit seines Kompagnons damit, dass er gesundheitlich verhindert sei, aber bald wieder dabei ist. Kurzum, bis auf die ungewohnte Besetzungsänderung, ein gelungenes Konzert der C-64-Fetischisten. Nach der nächsten Umbauphase kamen die Skandinavier von COVENANT zum Zuge. Die drei nicht ganz so alten Schweden um Frontmann Eskil hatten das Publikum gewohnt schnell im Griff und eröffneten mit „Stalker“ das Programm. Danach war erst wieder „Bullet“ erwähnenswert und der neue Song, den Eskil dem Publikum vorgestellt hat, nach welchem die Band einen Kracher nach dem anderen spielte, was das dichtgedrängte Publikum im Capitol von einer Verzückung und Jubelorgie in die nächste versetzte. „20hz“, „We Stand Alone“, “Ritual Noise“ und „ Call all the ships to Port“ hintereinander weg sorgten für ein furioses Finale, welches die obligatorischen Zugaberufe nach sich zog. Die Band erhörte die Rufe der Fans und spielte sehr zu deren Begeisterung noch „Dead Stars“ ehe sie endgültig in die Nacht entschwand. Insgesamt ein ganz netter Auftritt, bei dem die Bässe allerdings zu omnipräsent waren und Eskil wirkte zeitweise auch etwas neben der Spur, was sich u. a. in von ihm nicht gewohnten Textpatzern äußerte.

 


Suicide Commando

Damit wurde es Zeit für’s Dessert, um bei der eingangs gestarteten kulinarischen Metapher zu bleiben. Von Anfang an hauten FRONT 242 in die Vollen und boten eine Setlist, die Klassiker und neues Material beinhaltete. Angefangen bei „Happiness“ ging die Reise nach „Moldavia“, man zeigte sich „Kampfbereit“ und auch Highlights wie „Im Rhythmus bleiben“, “Headhunter“, „Welcome to Paradise“ durften nicht fehlen, während Sänger Jean-Luc De Mayer mit dem ruhigeren Stück „Loud“ demonstrierte, dass er tatsächlich singen kann. Front 242 war ein krönender Abschluss eines gelungenen Festivals. Danach wurde im Dark-Star bei der Aftershowparty weitergefeiert. Die Vorfreude aufs nächste Jahr und die vierte Auflage kann beginnen. Doch zuvor wird in Hannover erst mal der Spring Ball ins Leben gerufen, bei dem bislang mit Klangstabil und De/Vision zwei Acts feststehen. Man darf gespannt sein, ob der Spring Ball in die großen Fußstapfen seines winterlichen Bruders treten kann.

Steve Palaser - www.sounds2move.de