Die Schreiberzunft ist an diesem Mittwochabend spät dran, sodass die erste Hälfte des AMORAL-Gigs schon hinter dem bereits rappelvollen Colos Saal liegt. Die jungen Finnen um „Idols“-Gewinner Ari Koivunen haben auch live eine ordentliche Hair Metal-Schlagseite in ihrem Mix aus Power- und Melodic Metal – eine Prise alte Bon Jovi inklusive - , können damit bei den Bayern und Hessen im Publikum aber leider nur bedingt punkten, wenngleich vor allem die rockigen aktuellen Songs alles andere als schlecht sind. Die Fans scheinen es heute jedoch zum Großteil auf eine etwas härtere Gangart abgesehen zu haben.

Diese bedienen BEFORE THE DAWN vorzüglich, die mit „Dying Sun“ und „Exile“ vom aktuellen Dreher „Soundscape of Silence“ einsteigen und auch sonst natürlich vor allem selbiges Schmuckstück anzupreisen versuchen. Und das gelingt den Finnen ziemlich gut, denn schon früh nicken viele Köpfe im Publikum angetan mit, denen die kredenzte Melanche aus Melodic Death- und Dark Metal sichtlich Spaß zu machen scheint. Wer eine Vorliebe für Bands von D wie Dark Tranquillity bis K wie Katatonia hat, bekommt es von dem Quartett aber auch wirklich leicht gemacht: Gitarrist Juho Jäihä schraubt sich nahezu ohne Unterbrechung die Rübe vom Hals, der gruntende Gitarrist Tuomas Saukkonen wirkt mit seinem gepiercten und tätowierten Gesicht ebenso wuchtig wie seine Grunts, Drummer Atte gibt sich im Hintergrund keinerlei Blöße und vor allem Bassist Lars Eikind hat den Saal schnell auf die Seite seiner Band gezogen. Zwar versteckt der Finne die Spuren der bisherigen Tourstrapazen (Peter Tägtgren Gedächtnis-Augenringe, anyone?) hinter einem tief ins Gesicht gezogenen Cap, aber abgesehen davon überzeugt der Mann mit sympathischen Ansagen und seinem hochklassigen Klargesang. „My Darkness“ vom gleichnamigen Debüt entpuppt sich als absoluter Bringer und Hit vor dem Herren, das folgende „My Room“ überzeugt in seiner gänsehautverursachenden akustischen Umsetzung ebenfalls. Ab heute habt ihr einen Fan mehr meine Freunde.

Fans, Freunde und Sympathisanten sind für AMORPHIS auf dieser sehr gut besuchten Tour alles andere als Mangelware. Es war durchaus die richtige Entscheidung, keine übergroßen Hallen zu buchen und stattdessen auf mittlere Hexenkessel zu vertrauen. So steigt auch in Aschaffenburg das Stimmungsbarometer noch einmal ordentlich, als das Kollektiv um Esa Holopainen und Ober-Charismatiker Tomi Joutsen die ziemlich nackig wirkende Bühne betritt, die weder mit einem Banner, noch sonstigen Hinguckern irgendeiner Art geschmückt ist und auf der neben den Musikern einzig die Plexiglasscheibe zwischen Schlagzeug und Keyboard ins Auge fällt. Platzmangel? Sparmaßnahmen? Who cares! Optische Leckerlis (abgesehen von ihrem oben ohne antretenden Sänger, der den Damen seinen top fitten Oberkörper präsentiert) haben die Headliner nicht nötig, denn allein die Setlist des Abends ist das Eintrittsgeld schon wert. Die Band tut gut daran, sich auf jüngeres Material (sprich aus der Joutsen-Ära) sowie die Frühwerke („Tales...“, „Elegy“) zu verlassen. Die erste „Skyforger“-Single „Silver Bride“ ist ein Einstand nach Maß, der Ankündigung von „Towards & Against“ folgt ebenso lauter Jubel wie der des Klassikers „The Castaway“. Beachtlich ist, dass das filigrane Material des neuen Albums live fehlerfrei vorgetragen wird und sich selbiges auch noch großer Beliebtheit erfreut. Die Mitsingspielchen zu „House of Sleep“ im Zugabenteil hätte man jedenfalls auch problemlos schon beim zu recht euphorisch aufgenommenen Doppelschlag „From the Heaven of my Heart“ / „Sky is Mine“ initiieren können, textsicher sind die Anhänger nämlich längst. Und außerdem hochzufrieden nach diesem durchweg gelungenen Konzertabend, denn wie schon vor 2 Jahren haben Amorphis nicht nur wieder zwei absolut amtliche Supports im Schlepptau gehabt, sondern auch selbst für durchweg freudestrahlende Gesichter gesorgt. So etwas nennt man dann wohl eine verlässliche Konstante.

Markus Rutten – www.sounds2move.de

Setlist Amorphis:

Silver Bride
Sampo
Towards & Against
The Castaway
The Smoke
Majestic Beast
Alone
Silent Waters
Against Widows
From The Heaven Of My Heart
Sky Is Mine
Black Winter Day
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Sign From The Northside
House Of Sleep
My Kantele