Bands:

Swallow the Sun + Insomnium, Omnium Gatherum
Location: Conne Island Leipzig

Datum:

19.12.2009
Tour:

“New Moon over Europe” Tour 2009

 

Zum Jahresabschluss werden die s2m-Gesandten noch einmal ordentlich auf die Probe gestellt. Zuerst wird die eigentlich „nur“ zweieinhalbstündige Fahrt nach Leipzig zum meteorologischen Jakobsweg, denn nicht nur 10 Bundesländer wollen in die Ferien, sondern auch Väterchen Frost hat das Land fest im Griff, die Straßenmeistereien werfen tonnenweise Salz auf die Straßen und „zur Feier des Tages“ verabschiedet sich noch die Scheibenreinigungsanlage. Resultat: Tankstellen-Hopping zwecks Frontscheibenentsalzung. Nach schlappen 6 Stunden und der Ankunft in Sachsen war’s das aber immer noch nicht. Der nette Ex-Genosse in der Herberge weißt selbstsicher und mit großen Gesten den Weg zum Ort des heutigen Geschehens, immerhin ist man nicht nur mit dem Besitzer per Du, sondern auch ortskundig wie kein Zweiter weit und breit. Glaubt der gute Mann zumindest und schickt uns prompt in die genau entgegen gesetzte Richtung.

90 Minuten und 4 sich völlig widersprechende Zielfindungshilfen der Einheimischen später trifft der Autor dann doch noch im Conne Island ein, zu vernachlässigende 60 Minuten zu spät zum vereinbarten Interviewtermin (hierzu an anderer Stelle im Januar mehr) aber immerhin noch pünktlich, um die Thrasher OMNIUM GATHERUM wenigstens noch zur zweiten Hälfte ihres Sets zu erwischen. Dieses fällt recht wuchtig und engagiert aus, hier und da wird eine Matte geschüttelt, aber ein Meter Sicherheitsabstand zur Bühne wird dennoch von den Fans nicht unterschritten. Da ergeht es INSONMIUM besser, denn dass die Melodic Deather eine richtig gute Band sind, haben vor allem mit den beiden letzten Alben doch endlich ein paar Leute mitbekommen. Auch in Leipzig ist die erste Reihe pünktlich zum Auftakt mit „Equivalence“ und „Down with the Sun“ fast durchgehend mit Shirts des finnischen Geheimtipps besetzt. Ein Auftakt nach Maß und das Fundament für einen richtig guten Auftritt einer inzwischen längst perfekt eingespielten Band, die ordentlich post und bei der vor allem Sänger Niilo Sevänen viel Applaus für seine Ansagen in gut verständlichem Deutsch erhält. Bei 1-2 Songs kühlt die Stimmung zwar zwischenzeitlich etwas ab, aber die ersten 2-3 Reihen zeigen viel Mosh-Einsatz und vor allem „Where the last wave broke“ vom neuen Album „Across the Dark“ punktet auf ganzer Linie. Da heute Tourabschluss ist, gehören zwangsläufig auch ein paar Streiche zum Programm, sodass Insomnium gegen Ende hin nicht nur Zöpfe geflochten bekommen, sondern deren Frontmann auch einen eilig aus einem CD-Karton gebastelten, beflügelten Hut aufgesetzt und ein Schild mit der Aufschrift „Korpiklaani“ (und der Skizze eines Genitals) verpasst bekommt. Swallow the Sun-Giarrist Juha freut sich diebisch über seine Idee, während Insomnium kurz darauf sogar zur Feier des Tages noch eine ungeplante Zugabe spielen dürfen. Außerdem beschließt die Band, ihr restliches Merch zum Sonderpreis raus zu hauen: Blöd nur, dass der Mercher zu diesem Zeitpunkt ohnehin nur noch gerade einmal 5 (!) Shirts über hat, da die Band während dieser mehrwöchigen Tour schon mächtige Absätze vermelden konnte.

 


Opfer von Korpiklaani-Späßen und Tourabschlussstreichen: Niilo Sevänen (Insomnium)

Doch auch SWALLOW THE SUN können heute noch einmal das ein oder andere Teil an den Mann bzw. die Frau bringen und haben auch sonst die Spendierhosen an. Zum etwas zu langen Intro latschen die Finnen nämlich mit mehreren Paletten Dosenbier auf die Bühne, das in der Folge zwischen den Songs großzügig an die vorderste Bühnenfront verschenkt wird. Eine sehr schöne Geste, wenngleich Swallow the Sun solche Bestechungsversuche eigentlich nicht mal nötig gehabt hätten, da die Setlist ohnehin genug Anlass zur Begeisterung bietet. Die geschätzten 200 Besucher im ordentlich gefüllten Conne Island (wohlgemerkt obwohl am gleichen Abend auch Arch Enemy und Destruction in der Stadt sind) bekommen jedenfalls 80 stimmungsvolle Minuten feinsten Düstermetal geboten, der gewohnt stimmungsvoll dargeboten wird, wenngleich sich natürlich auch der Headliner ein paar Sabotageversuchen (etwa dank eilig festgetaptem Mega-Dildo doppeldeutigen Mikrofon“ständer“) stellen muss. Wer nicht nur draußen in der Eiseskälte, sondern auch im wohlig warmen Club auf Gänsehaut aus ist, der kommt während dieser Headlinershow voll auf seine Kosten: „Lights on the Lake“, „Falling Worlds“, „These Hours of Despair“, „Plague of Butterflies“, „Don’t fall Asleep“, „New Moon“, „Out of this Gloomy Light“ – was für eine Lehrstunde in anspruchsvoller skandinavischer Schwermut! Ein kleines Problem hat die Band aber nach wie vor, was die Jungs bereits vor der Show mehrfach erwähnen: Gerade in Deutschland hält sich ein Großteil des Publikums oft zu sehr zurück, steht reglos da und hört lediglich zu, anstatt es den Musikern gleich zu tun und die Nackenmuskulatur bei Laune zu halten. „Vielleicht brauchen wir einfach mehr Double-Bass Passagen“, mutmaßte Juha noch knapp 2 Stunden zuvor. „Oder ein Akkordeon und Sauftexte“, wird grinsend ein kleiner Seitenhieb gegen die Humppa-Landsleute ausgeteilt. Und in der Tat: In Leipzig geht vorne einiges, weiter hinten fast nichts. Besonders seltsam ist zudem, dass sich die Sachsen hier in Connewitz zu sicher scheinen ob der obligatorischen Zugabe und es deshalb erschreckend still bleibt nach dem Ende des regulären Sets. Swallow the Sun legen trotzdem noch 2 Songs nach und ernten am Ende wenigstens doch noch den Applaus, der ihnen für dieses tolle Set eigentlich durchgehend zugestanden hätte. So findet die „New Moon over Europe“ Tour dann doch noch ein versöhnliches Ende, bevor es für die Nordlichter tags darauf am späten Abend von Frankfurt per Flieger zurück in die Heimat geht. Und auch für den geschundenen Schreiberling endet der Tag dank zweier erstklassiger Auftritte (Omnium Gatherum fallen aus der Wertung) kurz nach 1:00 Uhr und trotz authentisch-finnischem Wetter (O-Ton Mikko Kotamäki: „ein Hauch von Heimat“) mit einem seligen Lächeln auf den Lippen. Hier greift zum Jahresausklang die alte Floskel „Erst die Arbeit, dann der Lohn“ jedenfalls noch mal. In diesem Sinne, erholsame Feiertage.

Markus Rutten – www.sounds2move.de

 

Setlist Swallow the Sun:

These Woods breath evil
Falling Worlds
Out of this gloomy Light
Plague of Butterflies (Mittelteil)
Lights on the Lake (Horror Pt III)
Don’t fall Asleep (ft. Niilo Sevänen / Insomnium)
These Hours of Despair
Sleepless Swans
New Moon
Descending Winters
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The Giant
Swallow

 


Finnlands aktuelle Referenz in Sachen
 melancholischer Doom-Kost: Swallow the Sun


Und jetzt alle! Swallow the Sun, Insomnium
und Omnium Gatherum bringen die knapp
dreiwöchige Tour gemeinsam zu Ende.