Bands:

Dornenreich + Ahab, Fjoergyn

Location: KW70 Bad Salzungen

Datum:

19.09.2009
Tour: Nachtreisen 2009

 

Zum Tourabschluss der „Nachtreisen Tour 2009“ macht der deutsch-österreichische Tourtross noch einmal Halt in Bad Salzungen, wo die Headliner Dornenreich zum ersten Mal überhaupt ihre Zelte aufschlagen. Der lokale Veranstalter hat den Konzertanfang aus ungeklärter Ursache auf späte 21:30 angesetzt, sodass sich wohl auch aus diesem Grund eine Stunde zuvor noch nicht all zu viele Zuschauer in der Halle bewegen, während noch ein paar Dutzend es vorziehen an diesem milden Samstagabend an der frischen Luft auszuharren, zu rauchen und vorzuglühen. Merchandise und Theke finden trotzdem schon reichlich Zuspruch, bevor quasi „nach dem Abendspielfilm“ die Thüringer Lokalmatadoren FJOERGYN auf die Bretter gehen. Der Saal ist inzwischen ansehnlich gefüllt, nur die 2 Meter Sicherheitsabstand zur Bühne erscheinen unnötig; auch weil der Sound zwar klar, aber etwas zu leise ist. Fjoergyn lassen sich davon nicht abschrecken und starten anfangs etwas statisch aber mit zunehmender Sicherheit und steigendem Bewegungsradius in die ihnen gegebene halbe Stunde. Dabei tauchen schon früh die Seemänner von Ahab im Hintergrund auf, die ihren Kollegen Tentakeln aufsetzen, Wasserflaschen mit Tape zukleben oder sich an den Rockzipfel der Thüringer hängen. Heute ist nämlich Tag der Streiche, diese Tradition kennt man von den Shows zum Ende einer Tour. Das Quartett nimmt es mit Humor und zieht sein Set tapfer weiter durch und präsentiert auch einen Vorgeschmack (u.a. „Auf bald“, „Wie Jahr um Jahr“) auf das im November anstehende Album „Jahreszeiten“. Zwar kommt einem der auf ein paar Playbacks angewiesene Stilmix aus Folk, Pagan und Power Metal anfangs etwas gewöhnungsbedürftig vor, doch wenn man sich erst mal an den Sound von Fjoergyn gewöhnt hat, macht die Band durchaus Spaß. Den Heimvorteil und die Tatsache die eingängigste Band des Abends zu sein im Rücken kocht die Stimmung zwar nicht über, bleibt aber durchgehend wohlwollend, sodass nach dem eigentlich Set-Ende mit „Sade“ (zu dessen Anfang es sich Bassist Andre auf seiner Monitorbox bequem macht) zur Feier des Tages auch noch eine Zugabe kredenzt werden darf.

Im Anschluss stellen sich die Nautik Funeral Doomster AHAB in die Gischt der stürmischen See. Und das gleich in doppelter Hinsicht, denn wie heißt es schon in der Bibel: Wer Wind sät, wird Sturm ernten. Vor allem an einem Tourabschlusstag. So sind Kapitän Daniel Droste (auch bei Midnattsol) und seine Crew kaum in ihre Moll-Todessehnsucht eingestiegen, da treten auch schon die Mainzelmännchen auf den Plan, dekorieren Bühne und Musiker mit selbstgebauten Postern, reichen die Tentakel weiter und – darüber werden sich Ahab wenige Minuten später besonders freuen – tauschen die normalen Handtücher gegen mit Gaffa-Tape fixierte Frotteeröllchen aus. „So lustig sind Fjoergyn“ stellt Droste fest, wischt sich den Schweiß notdürftig mit den überstehen 5 cm Handtuch ab und weiter geht’s. Während sich ihre Vorgänger mit eilig auf die Bühne geräumten Gartenstühlen lesend mitten ins Geschehen hocken, fahren Ahab ungetrübt fort und bekommen zum Dank für ihre schwer verdaulichen Monoton-Epen im etwas lichter gewordenen Publikum hier und da inbrünstigen Haarflug zu sehen. Zwischendurch wechselt man von donnergrollendem in den klaren Gesang, der leidend elegisch für Auflockerung und einen guten Kontrast sorgt. Als Höhepunkt unter den präsentierten Songs darf „The Divinity of Oceans“ betrachtet werden. Alles in allem trotzdem „Not my cup of Tea“, für das was es sein soll aber wirklich gut gemacht. Vor allem die immer mal wieder flirrende Gitarre im Weltuntergangssoundtrack der Band hält den letzten Lebenswillen hoch.

DORNENREICH müssen sich im Anschluss keine Sorgen über lichte Reihen machen. Das Publikum (insgesamt wohl ca. 250-300 Besucher) ist gesammelt vor der Bühne, erstmalig ist auch die erste Reihe dicht besetzt und spätestens jetzt wird überdeutlich, dass die Österreicher viele in Samt und Leder gehüllte Damen (böse Zungen würden von Gruft-Bitches sprechen) zu ihren Konzerten locken, die womöglich die Hälfte des anwesenden Mobs ausmachen. Für Kontraste sorgt das Trio heute nicht nur musikalisch, sondern auch die Mimik der Musiker könnte unterschiedlicher nicht sein: Während Frontmann Eviga jeden Wechsel in der Dramaturgie mit seinen Gesichtszügen untermalt und dabei zwischen Inbrunst und Besessenheit hin und her schwankt, bleibt Geiger Inve weitestgehend bei ein und dem selben Ausdruck, nämlich einem seligen, breiten Grinsen. Das kann bei manchen der sehr abstrakten und von Tempowechseln durchzogenen Stücke zwar anfänglich etwas irritieren, aber man gewöhnt sich ja schnell an alles und überhaupt liegen die meisten Augenpaare ohnehin bei Eviga. Doch auch ein Blick ins inzwischen dicht stehende Publikum ist interessant, da die Reaktionen und Gebaren bei Dornenreich immer sehr unterschiedlich ausfallen. Hier teilt sich das Publikum oft zwischen Ekstase, angestrengtem Zuhören oder sogar oberflächlich quasi völlig versteinerter Emotionslosigkeit. Zumindest bis ein Stück beendet ist, dann nämlich sind sich alle einige und der Applaus schlagartig überschwenglich. Was bemerkenswert ist, wenn man die schwer verdaulichen Texte und die anspruchsvollen wie schwer nachzuzeichnenden, da von ständigen Tempowechseln durchzogenen Kompositionen betrachtet. Das macht schon „Jagd“ ebenso klar wie die folgenden und durch mehr Blast-Passagen heftigeren „Eigenwach“ und „Grell und Dunkel strömt das Leben“. Lyrisch und emotional geht es weiter, bis man zum Ende hin in der verhältnismäßig eingängigen „Trauerbrandung“ steht, bevor Eviga als letzte Amtshandlung der 70-minütigen Show „Wer hat Angst vor der Einsamkeit?“ wissen will. Unter sprichwörtlichen Beschuss gerät während des gesamten Auftritts übrigens nur der hochkonzentrierte Schlagzeuger Gilvan, der von großen Papierkugeln und –Fliegerangriffen der Supportbands heimgesucht wird. Shows wie diese sind jedenfalls die beste Werbung für die neue, endlich fertig gestellte Live-DVD „Nachtreisen“.

Markus Rutten – www.sounds2move.de

 

Setlist Dornenreich:
Drang (akustisch)
Jagd
Eigenwach
Grell und Dunkel strömt das Leben
Schwarz schaut tiefsten Lichterglanz
Flammentriebe II
Der Hexe flammend’ Ritt
Leben lechzend’ Hergeflüster
Trauerbrandung
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Wer hat Angst vor Einsamkeit?

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