Bands:

The Offspring + Rival Schools
Location: Schlachthof Wiesbaden

Datum:

18.08.2009
Tour: Shit is fucked up Tour 2009”

 

Am Einlass bekommt der Fan „gefährliche“ Nietenarmbänder und andere Mordwerkzeuge abgenommen, das zweifarbige Tourshirt kostet 30 Euro, der Hoodie 60. Nicht gerade der Spirit des Punk, aber The Offspring sind schon seit Ewigkeiten keine reine Punkband mehr, auch wenn am Ende des Abends das unvermeidliche „Self Esteem“ richtig schön heavy und dreckig einen schweißtreibenden Abend euphorisch ausklingen lässt. Davor liegen jedoch zweieinhalb Stunden im Dampfbad. Denn als eben solches erweist sich der altehrwürdige Schlachthof an diesem Tag. Draußen brutzelt die Sonne unbarmherzig, innen sind die meisten Fans schon Minuten nach dem Betreten der Halle gut durch.

Kleiner Kalauer: Warm werden muss somit also keiner mehr und trotzdem schicken die Orange County Pop-Punker vorab natürlich einen Anheizer (Kalauer 2) auf die Bühne. Der hört heute auf den Namen RIVAL SCHOOLS und ist für fast alle Besucher ein unbeschriebenes Blatt. Keine große Überraschung, hatte sich die Band doch nur zwei Jahre nach ihrer Gründung schon 2003 aufgelöst, um 2008 wieder auf der Bildfläche zu erscheinen und lässt bisher noch auf das zweite Album warten (ein neuer Deal wurde bis dato auch noch nicht unterschrieben). Doch auch ohne aktuelle Platte geht bisher in Europa zumindest konzertetechnisch überraschend viel, allerdings machen die vier Herren sich das Leben heute leider selbst schwer. Ansagen gibt es fast keine – selbst das erste „Thank you“ kommt spät im Set -, und von Publikumsanimation kann erst recht keine Rede sein. Ob’s daran liegt, dass den Musikern selbst die Brühe literweise vom Körper läuft? Die Pausen zwischen den Songs bringt Fronter Walter Schreifels (german names anyone?) deshalb auch vornehmlich inmitten der Luftströme der beiden auf dem Boden stehenden Ventilatoren zu. Angesichts der Tatsache, dass zu „The Switch“ nach Aufforderung doch einige Hände in die Luft gehen, kommt dieser Geistesblitz leider verdammt spät, denn einen Song später ist die Spielzeit für Rival Schools auch schon wieder abgelaufen. Fazit: Musikalisch solide, aber austauschbar und insgesamt verzichtbar, da wenig zwingend.


[...ZUR FOTOGALERIE...]

Ebenso überflüssig ist die Tatsache, dass THE OFFSPRING ihre Fans lieber noch mal 15 Minuten in der Bullenhitze stehen lassen, anstatt nach der eigentlich recht zügigen Umbaupause direkt loszulegen. Wenigstens die Schlachthof-Crew ist da deutlich aufmerksamer und umsichtiger und versorgt die Wartenden vor der Bühne tapfer und großzügig mit schnell herbeigeschafften Wasserflaschen – vorbildlich! Ein paar vereinzelte Kreislaufzusammenbrüche später geht das Licht endlich aus und Offspring starten mit „Stuff is messed up“, dem noch einige weitere Songs vom aktuellen Album „Rise and Fall, Rage and Grace“ folgen sollen, ihre Gaudi und werden dabei von der ersten Minute an (Kalauer 3) überaus warm in Empfang genommen. Ein kurzer Blick vom Fotograben in die klatschnassen aber euphorischen Gesichter in den ersten Reihen genügt um zu erkennen, dass heute garantiert niemand ein Textbuch braucht, denn so ziemlich jedes Wort sitzt. Darüber freut sich auch Dexter Holland, welcher anfangs zwar noch etwas hölzern und orientierungslos von einem Bühnenende zum anderen stapft, seine Anhänger aber dennoch absolut im Griff hat. Bemerkenswert: Dafür muss er sich nicht mal in endlosen Dialogen verlieren oder in alle erdenklichen Posen werfen (das kann Brillen-Fetischist Noodles sowieso deutlich besser), sondern kann einfach die vielen Hits für sich sprechen lassen. Und diese regnen genau wie die Schweiß- und Kondenswassertropfen, die in regelmäßigen Abständen von der Hallendecke fallen, auf den springenden, schiebenden und singenden Körperbrei der Fans nieder. Der Evergreen „Come out and play“ von „Smash“ regelt, der „Americana“ Doppelschlag „Have you ever“ / „Staring at the Sun“ rockt und sogar die ruhigen Momente („Kristy, are you doing ok?“) gefallen. Musikalisch beweisen das Ska-mäßige „Why don’t you get a job“ und das markant um Soundspielereien erweiterte „Hit That“ die Wandlungsfähigkeit von The Offspring, die genau wie Green Day für einige alte Fans längst Hochverrat am Punkrock begangen haben, für weniger verbissene Zeitgenossen hingegen unter Beweis gestellt haben, dass ein Blick über den Tellerrand das Salz in der Suppe sein kann. Rotzig rocken können die Burschen unbestritten trotzdem, was das grandiose Drei-Akkorde-Heiligtum „The Kids aren’t alright“ beweist. Bei „Pretty Fly“ geht natürlich noch mehr, denn das kennt auch die Eventtouristenfraktion in der Halle auswendig. Und auch Gitarrist Noodles, der trotz Rocker-Kluft nicht wie sein Frontmann sein Alter (immerhin ist der Axtmann schon 46 Jahre jung) so wunderbar zu verschleiern weiß, scheint noch einmal gebüffelt zu haben: Der Sympath hat sich nämlich ein paar Sätze auf deutsch zurecht gelegt, über deren Gelingen er sich freut wie ein Schnitzel. Zu Recht, denn welcher Fremdsprachler hat schon Sätze wie „Willst du mein Mädchen sein“ und „Meinst du das wirklich oder sagst du das nur so?“ parat? Womit der schlaksige Kalifornier auch die meisten Lacher des Abends auf seiner Seite hat. Nach ziemlich genau siebzig Minuten ist dann leider schon Schluss mit lustig, während die letzten Mitsingpassagen von „Self-Esteem“ noch durch die sich leerende Halle schallen. Trotz Luftverhältnissen wie in einer rustikalen finnischen Sauna wäre etwas mehr Programm zwar gern gesehen gewesen, jedoch scheint inzwischen sowieso jeder hart an der Grenze des Zumutbaren zu sein. Und damit ist ausdrücklich der Erschöpfungszustand aller Beteiligten gemeint, nicht etwa das musikalische Rahmenprogramm. Denn eines ist auch nach 25 Jahren The Offspring für mich persönlich glasklar, nämlich dass die Punkrock-, Pop-Punk- oder welcher Szene auch immer man das Quartett zuteilen mag ohne diese in Würde gealterten Helden meiner Jugend ein ganzes Stück ärmer wäre.

Markus Rutten – www.sounds2move.de


Setlist The Offspring: 

Stuff is messed up
Bad Habit
You’re gonna go far Kid
Come out and play
Walla Walla
Have you ever
Staring at the Sun
Gone Away
Kirsty, are you doing ok?
Hit That
Half-Truism
Why don’t you get a job
---
Americana
All I want
Pretty Fly (for a white guy)
(Can’t get my) Head Around you
The Kids aren’t alright
---
Hammerhead
Want you Bad
Self-Esteem

 

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