Bands:

Die Toten Hosen + Airbourne
Location: Messehalle Erfurt

Datum:

23.12.2008

 

Viel passender kann man eigentlich kaum in die Weihnachtsfeiertage hinein feiern... Wenn Die Toten Hosen, die uns bekanntlich als Die Roten Rosen vor 10 Jahren mit „Wir warten aufs Christkind“ ein komplettes Weihnachtsalbum kredenzt haben, am 23.12. zur Punkrock-Christmesse laden, dann können nur die wenigsten widerstehen. Trotz einiger Restkarten an der Abendkasse darf das Konzert in der Erfurter Messehalle als ausverkauft bezeichnet werden, was der amtlichen Kulisse von 12.000 Besuchern entspricht. 

Von denen dürfte maximal ein Viertel bereits von den Aussi-Rockern AIRBOURNE gehört haben, ein Umstand, der primär dem kunterbunten Publikum zu schulden ist und nicht der mangelnden Präsenz des Quartetts in der Fachpresse und auf den kleinen und großen Bühnen dieser Welt. Wacken und Rock am Ring durften die Burschen 2008 bereits verwüsten, die Headlinershows des in Deutschland schon vor der Veröffentlichung seines in der Heimat schon länger erschienenen Langeisens „Runnin’ Wild“ im Underground gefeierten Kleeblatts sind – egal wo – Wochen vorher ausverkauft. Umso mehr freuen sich die Hosen ihren Wunsch-Support dennoch bekommen zu haben, der von Hosen-Basser Andi persönlich angekündigt wird. Gewohnt wird daraufhin sofort mit dem programmatisch betitelten „Stand up for Rock N Roll“ die Marschroute für die anstehenden 30 Minuten perfekt vorgegeben. Dass ein Großteil der Bühnentiefe aufgrund der Stage-Produktion des Headliners tabu ist, schränkt den Bewegungsdrang der Musiker in keinster Weise ein; warum auch, denn man hat ja trotzdem eine enorme Bühnenbreite, die vor der eigentlichen Bühne platzierten Boxentürme und den Fotograben als Auslauffläche, die vor allem von Marathonmann und Sänger Joel O’Keeffe komplett und dauerhaft genutzt wird. Showelemente und Effektfeuerwerk? Fehlanzeige – Schweiß ist Trumpf. Am besten literweise. Airbourne stehen für pures Rock N Roll Entertainment und die entsprechenden Songs wie etwa „Too much, too young, too fast“ und „Runnin’ Wild“. Das alles funktioniert vor allem live prächtig und beschert den AC/DC-Fans sicherlich einige neue Sympathisanten.

Trotz guter Stimmung steckt schon das Erlischen des Hallenlichtes nach recht kurzer Umbaupause und der damit verbundene Lärmpegel die Jubellautstärke der vier zuvor aktiv gewesenen Duracellhäschen spielerisch in die Tasche. Genau genommen steht die Halle bereits mit der aktuellen, den Seteinstieg darstellenden Single „Strom“ Kopf. Die vier Jahre Wartezeit auf das aktuelle Album „In aller Stille“ scheinen die Fans gar nicht wahrgenommen zu haben, was bereits dadurch deutlich wird, dass die laufende Machmalauter Tour (bereits durch unzählige Zusatzshows erweitert) schon weit vor der Veröffentlichung besagter Scheibe fast komplett ausverkauft ist. Überrascht wird der aufmerksame Beobachter dennoch nicht sein, schließlich haben DIE TOTEN HOSEN sich seit ihrer Gründung im Jahre 1982 eine riesige, treue Fangemeinde erspielt. Hinzu kommen bei Konzerten neben einigen Schaulustigen natürlich auch ein paar Erziehungsberechtigte – vorzugsweise im hinteren und seitlichen Hallenbereich zu finden -, die das Gebotene geduldig über sich ergehen lassen, bis sie ihre verschwitzten Sprösslinge nach Showende wieder einsammeln können. Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg, denn die Altbier-Rocker haben fast zweieinhalb Stunden Programm mitgebracht. Darunter eine – Airbourne haben es vorgemacht – den Abend wunderbar umschreibende Nummer wie „Du lebst nur einmal“, die an Position 2 wunderbar funktioniert, bevor mit „Auswärtsspiel“ die erste Über-Hymne der Fortuna-Fans geschmettert wird. Natürlich lassen auch „Liebeslied“, „Wünsch dir was“ und „Niemals einer Meinung“ den Saal beben, denn diese Nummern kann nun wirklich jeder mitsingen, der nicht die letzten 20 Jahre in einer Höhle gewohnt hat. Gleiches gilt für „Madelaine aus Lüdenscheid“, das Campino, der hin und wieder für eine winzige Halsspraypause gen Bühnenaufgang enteilt, zwei weiblichen Fans widmet, die mit dem heutigen Tag satte 250 (!) Shows ihrer Helden gesehen haben – Respekt. Und auch sonst geht die Rechnung der Düsseldorfer Urgesteine auf, die insgesamt sechs aktuelle Songs zocken (neben „Strom“ kommt vor allem „Alles was war“ sehr gut), diese aber bis auf die Ballade „Tauschen gegen dich“ komplett im ersten Drittel der Show raus hauen, um im weiteren Verlauf quasi ausschließlich lieb gewonnene Gassenhauer anstimmen zu können. Dazwischen bleibt noch Zeit für nicht ganz so oft gespielte Nummern wie „Bofrost Mann“ und das Dillingers Cover „Cokane in my Brain“, wobei es bei letzterem zu einem minimalen Stimmungseinbruch kommt, der mit dem direkt drangehängten Evergreen „Niemals einer Meinung“ direkt wieder mehr als nur ausgebügelt wird. Clever platziert sind zudem die Gänsehautmomente bei „Alles aus Liebe“ und „Nur zu Besuch“, während man im ersten Zugabenblock der vor wenigen Jahren erschienenen Unplugged-Scheibe Tribut zollt und ein akustisches Intermezzo – unterstützt von Cello und Akkordeon – einschiebt. Ohne „Bayern“ und „Zehn kleine Jägermeister“ können Die Toten Hosen natürlich nicht von den Brettern gehen, sodass besagte Stücke kurz vor Schluss noch einmal für einen siedenden Stimmungspegel sorgen, bevor die FC Liverpool-Hymne „You’ll never walk alone“ den Schlussstrich unter die beeindruckende Vorstellung einer der besten deutschen Live-Bands setzt. Sicherlich sind die Hosen mit vielen ihrer Fans über die Jahre erwachsen geworden, was auch „In aller Stille“ dokumentiert. Ausflüge ins Schauspiel und die Präsenz in den oberen Chartregionen und in den Massenmedien konnten trotzdem die Authentizität des Quintetts nie untergraben, das sich damals wie heute noch ohne jede Berührungsängste mit Anlauf vom Bühnenrand ins Publikum stürzt. Bengalos und Schwenkfahnen sind auch bei Hallenkonzerten weiterhin fester Bestandteil des Gesamterlebnisses, mit dem Einsatz für Pro Asyl kommt man seinem Bildungsauftrag nach und auch die Erinnerung an den blutigen Amoklauf am Erfurter Gutenberg-Gymnasium (2002 hatte die Band sogar ihre Show am Folgetag der Tragödie aus Betroffenheit abgesagt) und die Widmung des traurigen „Nur zu Besuch“ an alle in irgendeiner Form betroffenen Personen am damaligen Massaker, wirken niemals aufgesetzt.

Unterdessen packt der dicke Mann mit dem Roten Mantel bereits seinen Schlitten für den morgigen Tag, während einige Elternteile noch auf ihre Zöglinge warten. Möglicherweise ist der eine oder andere davon gerade noch am vorderen Wellenbrecher zu finden, wo die bandeigene Security gerade die gesammelten (Schuh)werke für dessen teils barfüßige Besitzer aufreiht. Von diesem Service sollte man als Betroffener tunlichst Gebrauch machen, denn vor der Tür ist es mit Verlaub arschkalt. Die Bescherung wurde mit diesem großartigen Konzert zwar schon vorweg genommen, aber nach diesem Fest können die Feiertage kommen. Ein echter Glanzpunkt zum Jahresabschluss.

Markus Rutten – www.sounds2move.de

 

Setlist Die Toten Hosen

Strom
Du lebst nur einmal
All die ganzen Jahre
Innen alles neu
Auswärtsspiel
Disco
Madelaine aus Lüdenscheid
Teil von mir
Liebeslied
Alles aus Liebe
Wünsch dir was

Alles was war

Cokane in my Brain
Niemals einer Meinung
Bofrost Mann
1000 gute Gründe
Nur zu Besuch
Steh auf
Pushed Again
Hier kommt Alex
Freunde
---
Guns of Brixton (akustisch)
Still, Still (akustisch)
Tauschen gegen dich (akustisch)
Eisgekühlter Bommerlunder (erst akustisch, dann Speed-Punk ;-) )
Medley
Schön sein
Schönen Gruß, auf Wiedersehen
---
Little Drumerboy
Bayern
Zehn kleine Jägermeister
You’ll never walk alone

 

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