Bands:

Arch Enemy + Leaves’ Eyes, Mercenary, Sister Sin, Burden of Grief
Location:

Outback Bad Arolsen

Datum:

19.12.2008

 

Wer hätte gedacht, dass es in meinem Lieblingsbundesland solches Niemandsland gibt? Eigentlich ist das „große“ Kassel nicht so weit weg, doch ohne Navi wird der eine oder andere nicht-ortskundige vermutlich ein paar Problemchen haben, die einstige Hessentagsstadt Bad Arolsen zu finden. Und das Outback, ein noch recht junger Live-Club, macht es dem interessierten Konzertbesucher nicht eben einfacher, denn man hat sich ziemlich außerhalb in einer ehemaligen US-Army-Halle platziert und zudem nicht gerade großzügig den Wegesrand mit Hinweisschildern bestückt. Entsprechend gehört das s2m-Gespann zu denjenigen, die wie die Mehrzahl der Besucher erst einmal munter an der unauffälligen Einfahrt vorbei rauschen und einige Hundert Meter weiter auf einem Feldweg drehen müssen.

Am Ort des Geschehens eingetroffen kann man sich zumindest über ausreichend Parkmöglichkeiten in unmittelbarer Nähe freuen. Das Innere der (einstigen Lager-?) Halle versprüht nicht wirklich viel Charme und ist auch temperaturmäßig ziemlich kühl (was auch Kollege Tosso von Leaves’ Eyes im Zusammenhang mit dem Bandbereich bestätigt), dafür aber immerhin frisch renoviert und übersichtlich. Völlig überraschend und unangekündigt hat der lokale Promoter noch eine weitere Band dazu gebucht, von der wir allerdings nur noch die Rücklichter zu sehen bekommen. Eine nette „Killing in the Name“-Coverversion und ein anständiger eigener Song, der grob gen Metalcore tendiert, machen ein objektives Urteil dabei nicht wirklich möglich. BURDEN OF GRIEF hingegen dürfen sich zwar schon ein paar mehr Zuschauer anschauen, aber auch die können sich bei einer Spielzeit von 15-20 Minuten gerade einmal halbwegs warm spielen und direkt wieder abbauen. Musikalisch hinterlassen sie trotz Miniset (3-4 Songs) einen besseren Eindruck als noch im Sommer beim Rock Harz. Immer noch nicht überragend, aber immerhin sympathisch und handwerklich anständig. Handwerklich anständig agieren danach auch SISTER SIN aus Göteborg, wenn auch mit völlig anderer musikalischer Ausrichtung. Vulgär ausgedrückt könnte man sagen die Band klingt nach einem dreckigen Fick aus Warlock, Mötley Crüe und einem spannenden Blackie Lawless. Mag völlig obszön klingen, trifft aber trotzdem den Nagel auf den Kopf. Mit etwas mehr Zeit ausgestattet als die Band vor ihnen präsentieren die Vier einige tief in den 80ern verwurzelte Rock N Roll Nummern, die zwar stilistisch aus dem Rahmen fallen, aber trotzdem genug Neugierige vor die Bühne locken können. Oder sind es doch nur lauter Stelzböcke, die Sängerin Liv Sin nachstellen?

Einen eigenen kleinen Fanblock haben wie schon am Vorabend in Aschaffenburg die Aalborger Melodic Deather MERCENARY im Rücken, der seine Lieblinge vor der Bühne gebührend abfeiert und dabei auch den einen oder anderen neutralen Zuschauer mitreißen kann. Für die Dänen reicht es an diesem Tag unterbrochen von diversen technischen Problemen leider nur für gerade einmal 4 Songs („Black and Hollow“, „World Hate Center“, „The Endless Fall“, Execution Style“), die knallen aber zumindest amtlich, während sich Fronter Mikkel Sandager zwar heute nicht so oft an deutschen Ansagen versucht wie am Vortag, dafür streut aber Bassist Rene Pedersen spontan ein vom Fanblock gefordertes Basssolo während einer technisch bedingten Zwangspause ein. Alles in allem sind die Umstände nicht all zu prall, doch zumindest kann sich der Sechser achtbar aus der Affäre ziehen. Während der anschließenden Umbaupause strapaziert dann Drum-Zugang Seven Antonopolous – wie der Name schon vermuten lässt aus Los Angeles (äh, ja) – die Nerven der Wartenden mit einem sehr zähen Line-Check seines Drumkits. Nachdem alles angerichtet ist können die schwäbischen Wikinger von LEAVES’ EYES endlich mit „Vinland Saga“ und „Farewell Proud Men“ in ihr Set einsteigen, bei dem Grunt-Hüne Alex Krull fast konstant mit von der Partie sein darf. Und das ist auch gut so, denn der Mann ist ein alter Hase und weiß genau wie man das Publikum bei Laune hält. Zusammen mit Liv Kristines sirenenartigem Gesang und einer tighten Instrumentalfraktion steht einer gewohnt guten Vorstellung dann nichts mehr im Wege. Wie auch bei allen anderen Bands des Abends hätten es auch hier ein paar Leute mehr sein dürften, aber dafür ist die Stimmung unter den Anwesenden heute beim Gig von Leaves’ Eyes besser als tags zuvor im mit doppelt so vielen Menschen rappelvollen Colos Saal. Und dafür muss Meister Krull heute nicht mal über die Absperrung in den Zuschauerraum klettern. Dass bereits erwähnter Kesselmann Antonopolous klar aus der Rock N Roll Ecke kommt, hört das geschulte Ohr unterdessen aus den verschiedenen Variationen und veränderten Fills im Vergleich zum ursprünglichen Drumsound heraus, während optisch für jedermann offensichtlich ist, dass man es hier mit einem weitaus extrovertierteren Drummer zu tun hat, als es bei seinem österreichischen Vorgänger Mo Neuner der Fall war. „Legend Land“ und „Elegy“ gibt es traditionell zum Abschluss, bevor noch einige T-Shirts, Plektren, Sticks und ein Drumfell hergeschenkt werden. Ja is denn heut schon Weihnachten?

Wo wir gerade bei Schenken sind: Angela Gossow hat heute ihren offenen (und über   den ganzen Abend redseligen) Tag und lässt schon recht früh im Verlauf des Sets wissen, dass sich ARCH ENEMY die heutige Show beinahe geschenkt hätten. Eine Absage geisterte wohl immer mal wieder durch die Köpfe der Bandmitglieder und Tourverantwortlichen, begründet durch die schleppenden Vorverkäufe – genauer gesagt die schlechtesten Absätze der gesamten Tour. Doch die schwedisch-deutschen Melodic Death Kolosse haben gut daran getan diese Show doch zu spielen, denn am Ende ist die (trotzdem offensichtlich zu große) Halle doch noch bis zur Hälfte gefüllt, was sich schlimmer anhört als es effektiv ausschaut. Zudem hat das Publikum nicht nur eine für die Künstler sicher angenehm niedrige Begeisterungsschwelle, sondern vor allem die Headliner auch ihrem Status absolut gerecht werdende, euphorische Anhänger, die bereits beim Opener „Blood on your Hands“ mächtig Lärm machen und die Band lautstark mit Sprechchören begrüßen. Stellt man die Zahl der Besucher bzw. deren Konzentration mit dem Aschaffenburger Konzert in Relation, so zeigen sich die Nordhessen an diesem Freitagabend noch eine Schippe euphorischer als die Nordbayern am Vorabend, die dafür ihrerseits den schickeren Club haben. Nach nicht mal einer halben Stunde genügt von der zierlichen Arch Enemy Frontfrau dann nur ein kurzer Fingerzeig, um für einen beachtlichen 5-Meter-Pit zu sorgen, während die erstklassigen „Revolution Begins“ und „My Apocalypse“ mitgeschmettert werden. Die anderen Brecher im Set sind ebenso bekannt wie effektiv: „Ravenous“, „Taking back my Soul“ und das reguläre Setende „We will rise“. Dass es damit nicht getan ist, ist obligatorisch und so wird das Quintett unter Beifall und mit „Nemesis!“ Sprechchören zurück auf die Bühne zitiert. Besagter Überhit der Band wird dann natürlich rasch vorgelegt, bevor wenig später ziemlich überraschend die Uralt-Nummer „Fields of Desolation“ vom Debüt „Black Earth“ endgültig den Sack zu macht. Letztlich werden Arch Enemy glücklich sein, diese Show doch gespielt zu haben, genauso wie sich die Fans, die teilweise auch weitere Anfahrtsstrecken auf sich genommen haben, über eine satte Show gefreut haben. Entgegen aller Unkenrufe im Vorfeld funktionierte auch die Bandzusammensetzung prima, da zum einen für Abwechslung gesorgt wurde und alle Bands ihr Publikum mobilisieren konnten. Und auch Bad Arolsen hat Glück gehabt, denn endlich bekommt man hier mal RICHTIGES Metal-Entertainment geboten mit Schweiß, Fannähe (alle Bands ließen sich vor bzw. nach der Show am Merchandise sehen) und ehrlicher Leidenschaft. Im Sommer muss man sich dann wohl wieder mit Manowar begnügen.

Markus Rutten – www.sounds2move.de

 

Setlist Leaves’ Eyes:

Intro / Vinland Saga
Farewell Proud Men
Ocean’s Way
The Crossing
Through our Veins
New Found Land
Temptation
Solemn Sea
Legend Land
Elegy


Setlist Arch Enemy:

Intro / Blood on your Hands
Ravenous
Taking back my Soul
The Day you died
Dead Eyes see no Future
My Apocalypse
Revolution begins
Skeleton Dance
Drum Solo
Dead bury their dead
The last Enemy
I will live again
We will rise

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Snowbound
Nemesis
Fields of Desolation

 

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