Bands:

Autumn
Location: Gigant Apeldoorn + Nirwana Lierop (NL)

Datum:

15.02.2008 + 16.02.2008
Tour: Nienke de Jong Farewell Shows

 

Für die Gothic Metaller Autumn stehen die Zeichen auf Wechsel und Neuerungen. Im letzten Jahr hatte man bei Metal Blade Records eine neue Labelheimat gefunden, mit „My New Time“ ein bisweilen rockiges und gleichermaßen hochwertiges Album an den Start gebracht. Die erste Deutschlandtour stand unmittelbar bevor, als Headliner sollte es erstmalig auch hierzulande auf Rundreise gehen. Kurz vor der Tour fiel besagte Konzertreise aber einer Erkrankung von Sängerin Nienke de Jong zum Opfer, sodass die geplanten Gastspiele ebenso wenig zu Stande kamen wie der zweite Auftritt der Band auf dem Metal Female Voices Fest in Belgien und einige Konzerte im Beneluxraum. Ende Januar diesen Jahres traf es die Anhängerschaft dann völlig unvorbereitet, als die dunkelhaarige Frontfrau mit der Betty-Page-Frisur überraschend ihren Abschied von Autumn ankündigte, um die Arbeiten in ihrem eigenen Studio zu fokussieren und sich mit DejaFuse, ihrem Nebenprojekt, einer anderen musikalischen Vision zuzuwenden. Um sich standesgemäß von Fans und Freunden zu verabschieden, wurden daraufhin 2 Abschiedskonzerte angekündigt, die am vorletzten Wochenende (mit sounds2move-Beteilligung) über die Bühne gingen und denen noch ein letztes Heimspiel in Leeuwarden Ende Februar folgen wird, welches nachträglich ebenfalls angesetzt wurde.

Die Anreise zu den beiden ersten finalen Vorhängern für Autumn in der aktuellen Konstellation gestaltete sich jedoch schwieriger als erwartet. Einige Autofahrer haben wohl das Reißverschlussverfahren nicht verstanden und verursachen immer wieder lange Rückstaus auf deutschen Autobahnen. Dies gilt wohl auch für einige Anhänger des Revierclubs Schalke 04, denn in der Nähe der Schalke-Arena geht abermals zähneknirschend nur wenig, während die Uhr gnadenlos weitertickt. An der Grenze zu unseren niederländischen Nachbarn dann ein weiteres Highlight. Die lieben Grenzschutzbeamten scheint der Arbeitswahn gepackt zu haben und so muss man – natürlich an einem Freitagabend unmittelbar vor dem Start in Wochenende – mal eben den kompletten Grenzverkehr im Schneckentempo über einen Parkplatz umleiten, um sich die im Schritttempo vorbei kriechenden Fahrzeuge und deren Insassen genau anschauen und ggf. direkt mal rauswinken zu können. Wie durch ein Wunder schaffen wir es dennoch pünktlich ins versteckt liegende Gigant, das nicht nur in einer Fußgängerzone platziert ist, sondern dessen Konzersaal sich auch wenig bis gar nicht ausgeschildert hinter einem voll besetzen Cafe, mehreren Türen und einem langem Gang verbirgt, der auch zu einem kleinen Theatersaal führt, in den sich an diesem Tag nicht wenige Besucher verlaufen, während sie den angrenzenden Rockschuppen suchen. Im Inneren poltert schon eine wenig passende Supportband unbekannten Namens vor sich hin, die wenig inspirierten Death Metal zum Besten gibt und die so gar nicht zum Headliner des Abends passen mag. Das findet auch Tourmanager Peter, der uns wenig später freundlich und mit kühlen Getränken begrüßt. Viel Zeit zum quatschen bleibt allerdings nicht, da seine Schützlinge bereits in den Startlöchern stehen. Und die servieren zum Auftakt den „Summer’s End“ Doppelpack „The Coven“ und „The Silent Madness“, die gut kommen aber auch die Frage aufwerfen, wie man diese Stücke später mit einer anderen Stimme aufnehmen wird. Gleiches gilt auch für die Songs vom großartigen, aktuellen Longplayer „My New Time“, welcher im Rahmen beider Abschiedsshows in voller Länge zum Besten gegeben wurde. Bei ihrem ersten Abschiedskonzert in Apeldoorn wirkte Nienke de Jong bisweilen etwas zerfahren und abwesend. Oder einfach nur in bitter-süßer Melancholie schwelgend? Diese Frage muss wohl bis auf unbestimmte Zeit ungeklärt bleiben. Ungeachtet dessen zeigte sich die Sängerin den Fans noch einmal von ihrer besten Seite, während sie die Stücke mit Inbrunst und oft weit aufgerissenem Mund zum Besten gab. Dazwischen immer wieder funkelnder Augenkontakt mit den Noch-Kollegen, die sich zwar stets ebenfalls zu einem stumm antwortenden Lächeln hinreißen ließen, denen der Abschied von ihrem Aushängeschild aber offensichtlich auch alles andere als leicht zu fallen schien. Während die Zeit wie im Flug zu vergehen scheint, sausen Gothic Metal Leckerbissen wie das rockige „My New Time“, „The Green Angel“ oder das altgediente „The Witch in Me“ an einem vorbei, bevor mit Nienkes Lieblingssongs aus dem Autumn-Kosmos („Forget to Remember“) fast schon das Ende des regulären Sets erreicht ist, welches mit dem im übertragenden Sinne passenden „Summer’s End“ abgeschlossen wurde. Nach kurzer Verschnaufpause kehrten die Sechs in die leider nur etwa zur Hälfte gefüllte Konzerthalle zurück, wo zuerst „Premedicated Dying“ gereicht wurde, das von der zu Verabschiedenden dazu genutzt wurde die Kabellänge ihres Mikrofons zu ermitteln, während sie einen spontanen Spaziergang durch die Menge machte. Schon sichtlich ergriffen kam im Anschluss der erste finale Vorhang in Form von „Epilogue“, welches auch den dritten Autumn-Longplayer abschließt und das mit seiner melancholisch-schwermütigen Art diesen Anlass überaus passend beendete. Nach einem knappen „Thank you all“ eilte eine zu Tränen gerührte Nienke de Jong fluchtartig von der Bühne, um direkt im Backstagebereich zu verschwinden. Große Worte erwartet nach einem solch speziellen Abend und unter den vorherrschenden Umständen hoffentlich niemand, zumal sich die Sängerin bereits wenige Songs vor dem Ende mehrsprachig von den Fans für ihre Hingabe und das Erscheinen an diesem Abend bedankt hatte.

Der zweite Tag des Abschiedsdoppelpacks begann für das sounds2move-Zweigestirn entspannt und ausgeschlafen mit einem netten, äußerst schmackhaften Frühstück. Zum Nachmittag hin musste man dann feststellen, dass nicht nur das Gigant in Apeldoorn so gut versteckt liegt wie das Bernsteinzimmer, sondern dass auch der potentielle Besucher des Nirwana in Lierop seine Gewohnheiten am besten über Bord wirft. Von wegen Stadtkern, zentrale Lage, Industriegebiet oder Bahnhofsnähe. Denn besagter Schuppen liegt eigentlich außerhalb der eigentlichen Ortschaft in Sichtweite zu den letzten Häusern direkt an der Weggabelung von 2 Feldwegen ins mutmaßliche holländische Niemandsland. Selbige Feldwege müssen dann auch als Parkmöglichkeiten für die Besucher herhalten, die auch an diesem Abend nicht zahlreich genug sind, um von ausverkauftem Haus zu sprechen, aber die ausreichen um von einem stattlichen Mob berichten zu können. Alles in allem werden es etwa 150-200 Besucher an diesem Samstagabend gewesen sein, während am Vortag (aber auch bei deutlich größeren Räumlichkeiten) grob überschlagen 300 Anhänger anwesend waren.

Parallel zu unserem an diesem Tag endlich wie geplanten und frühzeitigen Erscheinen bestreiten Autumn gerade ihren vorletzten Soundcheck im noch-aktuellen Line Up. Als es im Anschluss im Konvoi zu einem von gerade einmal zwei Gastronomiebetrieben in Lierop zum Abendessen geht, vertreibt man sich dort angekommen gegenseitig die Zeit mit allerlei Rock N Roll Anekdoten und Fachsimpeleien über Album-Artworks, die europäische Festivallandschaft und natürlich die harte Musik im Allgemeinen. Angenehmerweise steht der weit gereiste Tourmanager Peter auch heute mit Rat und Tat zur Seite und wartet mit einer englisch-sprachigen Übersetzung der natürlich holländischen Speisekarte auf. Frisch gestärkt dann zurück ins Nirwana, wo bereits XXX auf den Brettern stehen und einen zwar keinesfalls sonderlich kreativen, dafür aber immerhin annähernd zum Headliner passenden Gothic Metal mit starkem Klischee- und Kitschfaktor präsentieren. Leider besitzt deren Sängerin nicht wirklich das Charisma einer großen Diva, selbst wenn sie sich immer wieder (größtenteils erfolgreich) in den höheren Gesangsregionen versucht. Autumn präsentieren an diesem Abend zwar die gleiche Setlist wie am Vortag, was angesichts der Setlänge aber kaum – geschweige denn negativ – ins Gewicht fällt. Viel mehr kann man sich darüber freuen, dass Nienke de Jong an diesem Abend merklich entspannter als noch am Vortag auftritt und dass sie ihren zweiten von drei Farewell-Abenden allen Anschein nach wirklich genießen konnte. Und auch nach dem Konzert sind Autumn heute quasi fast ohne nennenswerte Pause im Anschluss an die letzten Töne von „Epilogue“ zurück im Zuschauerraum bei ihren Fans um für Fotos bereit zu stehen, CDs und Poster zu signieren oder einfach nur mit den Besuchern zu quatschen, die zu einem Großteil in der Halle verweilten, um noch einmal den Kontakt zur Band zu suchen. Zuvor gab es wie erwähnt den Gothic Metal Cocktail vom Vortag, inklusive des Schreibers Liebling „The Green Angel“. Dazu warme Worte von Seiten der Band und die positive und doch irgendwie seufzende Gewissheit die sicher bald als „gute alte Zeiten“ schwelgerisch aufgegriffene letzte Chance auf eine Autumn-Show mit ihrer „Ur-Stimme“ beim Schopf gepackt zu haben. Vielleicht waren diese beiden Konzerte nicht die stärksten Autumn Shows in über zehn Jahren – sicher aber mit die intensivsten.

Markus Rutten – www.sounds2move.de

 

Setlist Apeldoorn / Lierop:

The Coven
The Silent Madness
Blue Wine
Angel of Desire
Satellites
My New Time
Closest Friends Conspire
Gallery of Reality
Communication on Opium
Twisted and Turned
Shadwomancer
State of Mine
The Green Angel
The Witch in Me
Forget to Remember (Sunday Mornings)
This Night
Summer’s End
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Premedicated Dying
Epilogue