Bands:

Boysetsfire + The Blackout Argument, Dear Tonight

Location:

Schlachthof Wiesbaden

Datum:

11.05.2007

 

Ein Blick ins Publikum an diesem Freitagabend spricht Bände. Genauer gesagt auf deren Oberbekleidung. Hatebreed, Coppelius, Bullet for my Valentine, Slipknot, Walls of Jericho, Oomph!, Metallica, Darkthrone (!), Xandria... Alles tummelte sich in trauter Gemeinschaft. Ein deutliches Indiz dafür, was Boysetsfire seit Beginn ihrer Karriere im Jahr 1994 geschafft haben: Sie haben Grenzen eingerissen. Und zwar sowohl im Bezug auf ihre bunt gemischte Anhängerschaft, als auch in musikalischer Hinsicht. Was als reine Hardcoreband ihren Ursprung fand, erweiterte sich von Album zu Album um immer mehr Facetten und Querverweise zu den verschiedensten Genres wie etwa Alternative, Emo, Punk und Metal. Auf dem Höhepunkt, nach der Veröffentlichung ihres Meisterstücks „The Misery Index: Notes from the Plague Years“, tritt das Quintett nun ab. Doch halt, da war doch schon mal was. Waren die Jungs nicht schon mal auf Lebewohl-Rundreise? Waren sie, und zwar im Vorjahr. Allerdings musste man dabei auf Gitarrist und Gründungsmitglied Josh Latshaw verzichten, der sich tragischerweise bei einem Arbeitsunfall schwer verletzt und dabei unter anderem das Genick gebrochen hatte. Daraufhin wurden  nicht nur die beiden letzten Heimspiele der Band, die für eine DVD mitgefilmt werden sollten, verschoben, sondern auch einige der Dates ein zweites Mal angesetzt, um dem Freund und langjährigen Wegbegleiter ebenfalls eine Abschiedstour zu ermöglichen.

Als selbige erneut in Wiesbaden Station machte, herrschte am frühen Abend bereits vor der Halle reges Treiben. Viele Fans wollten sich noch einmal von ihren Helden verabschieden und so hieß es schon einige Tage vor der Show „Sold out!“.  Entsprechendes Gedränge herrschte im inneren des alt-ehrwürdigen Schlachthofes schon bei den Supports Dear Tonight und The Blackout Argument, die beide einen erwartungsgemäß schweren Stand hatten. Keiner der beiden Bands gelang es wirkliche Akzente zu setzen und so fielen auch die Reaktionen sehr verhalten aus. Erstmals brandete zu fortgeschrittener Stunde Jubel auf, als die fünf zündelnden Jungs die Bühne enterten und die erste Runde Hits kredenzten, wovon das halb-akustische „Walk Astray“ für die erste Gänsehaut sorgte. Weitere Hits wie etwa „Last Year’s Nest“, „Handful of Redemption“ und natürlich „Requiem“ (überraschend früh im Set zu finden) folgten und wurden positiv aufgenommen. Nur positiv aufgenommen? Ja, denn die Stimmung flackerte zwar immer mal wieder auf, was fliegende Körper und kleine Pogo-Pits zur Folge hatte, aber auf breiter Front hätte noch deutlich mehr gehen können (oder müssen?). Doch an diesem Umstand ist auch die Band nicht ganz unschuldig, kappte man die Stimmungszündschnur doch immer wieder mit unnötig in die Länge gezogenen Ansagen und unkommentiertem Technik-Tuning. Wenn dann aber doch mal großes Rockkino angestimmt wurde (den Schwerpunkt bildete das letzte Album „The Misery Index“), schlugen die Fanherzen zu Hymnen wie „(10) and counting“ und „Empire“ noch einmal im Einklang mit ihren politisch engagierten und gewohnt wild posenden Helden. Und da die Band ohnehin etwas neben sich zu stehen schien, sparte man sich auch die Mühe zwischen Hauptblock und Zugabe die Bühne zu verlassen, sondern servierte lieber gleich noch einen Nachschlag, der in „After the Eulogy“ endlich sein würdiges Finale aus lautstarken Mitsingparts und „10.000 Fits in the Air“ fand. Trotzdem hinterlässt dieser Abschied von einer einflussreichen Band einen schalen Beigeschmack, denn Boysetsfire hätten einen etwas triumphaleren Abschied verdient gehabt. So bleibt zumindest die Gewissheit einer stets unabhängigen und durch und durch konsequenten Band die letzte Ehre erwiesen zu haben. Ob jemand und wenn ja wer diese Lücke in der Schnittmenge aus Hardcore und Alternative schließen kann, bleibt abzuwarten. Dann mal nix wie ran an die Buletten, denn über kurz oder lang braucht das Land neue Helden. Auch wenn der zu füllende Schatten abschreckend lang erscheint.

Markus Rutten – www.sounds2move.de  

 

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