Bands:

The Officers + Placebo

Location:

The Coronet Theatre, London

Datum:

07.03.2007

 

Vor ziemlich genau einem Monat war die Meldung

"Placebo will play an intimate one off London warm-up show on Wednesday 7th March 2007 at The Coronet Theatre, Elephant + Castle, London SE1 6TJ, before the band head off to play dates in South America."

auf der offiziellen Placebo-Homepage zu lesen. Noch eine Woche später war das Konzert innerhalb von unglaublichen fünf Minuten ausverkauft und ging als "the fastest selling gig ever" in Placebos Geschichte ein. In Minute drei des Vorverkaufs der streng limitierten Tickets, die nur für "over 18s only" erhältlich waren, war ich im Besitz eines Tickets, eines Hotelzimmers und Flugtickets und das ohne die Gewissheit überhaupt fliegen zu können. Diesen "intimate gig" mit einem Publikum von gerade mal 2.000 Menschen in einem alten Kinosaal galt es nicht zu versäumen, koste es was es wolle. Dank des schnellen Ausverkaufs und unzähliger Tickets bei eBay schoben Placebo dann aber noch ein zweites Konzert vor das erste. Es sollte eine nette Geste für die leer ausgegangenen Fans sein, die Enttäuschung machte den Meisten, die schon Karten für die eigentliche Special Show hatten aber gehörig einen Strich durch die Freude. So weit man in London in Erfahrung bringen konnte, muss das erste, eigentlich zweite, Konzert wohl aber um Längen schlechter gewesen sein als der Gig am 7. März. Aber genug der Vorrede und des Fangeschwafels. Nach einigen Stunden am Flughafen, in Bussen, der Tube und typisch-englischen Schlangenstehens tun sich die Türen des kleinen, kitschig-verspielten Coronet Theatres mitten im Herzen Londons auf.

Als Vorband spielen The Officers aus Leeds. Der einzige Grund hierzu ist wohl die Tatsache, dass sie sich das Management mit Placebo teilen und ihr Drummer früher schon bei Colour of Fire, die Placebo ebenfalls supportet haben, die Sticks schwang. Ihre Musik kann jedenfalls nicht der Grund gewesen sein. Auf der Bühne stehen fünf Herren, die schon rein optisch nicht wissen, welchem Stil sie angehören. Etwas Emo da, eine Prise Grunge dort und Tocotronic-Frisen hier. Musikalisch verschmelzen Electroclash, Rock, Grunge und teilweise sogar abstruse Versuche nach Emocore zu klingen zu einem einzigen Soundbrei, aus dem nicht eine Songzeile zu erkennen ist, geschweige denn, dass Emotionen von der Bühne kommen würden. Da helfen auch die verzweifelt hochgeworfenen Arme von Sänger Matt Southall, um das Publikum zu einer Reaktion zu bemühen, nicht mehr viel. Außer Gepose nichts gewesen.

Nach gut einer halben Stunde Umbau, bei dem ein Roadie dem staunenden Publikum seinen blanken Hintern präsentiert, stehen Placebo auch schon selbst auf der Bühne. Ungewöhnlich für britisches Publikum, das in der Regel ruhig stehen bleibt, rastet es schon bei den ersten Takten von "Infra-Red" komplett aus. Die englische Höflichkeit ist vergessen, nichts mehr von "excuse me"-Floskeln, es wird gedrängelt, geschoben, gepogt. So ein brutales Pack (man kann es wirklich nicht anders bezeichnen) habe ich lange nicht mehr auf einem Konzert erlebt. Zwei-Meter-Schränke drücken einen aggressiv und rücksichtslos zur Seite. Selbst bei den langsamen Stücken "Soulmates" und dem mehr als zum-weinen-animierenden "I Know" wird nicht innegehalten. Pogo zu Balladen, das ist Devise. Vielleicht tobt hier im Pit aber auch nur ein Kampf der Kulturen. Zu dem Konzert sind mindestens 50 Prozent Ausländer angereist, fast jede Nationalität ist vertreten. Man trifft Deutsche, Esten, Bulgaren, Franzosen und und und. Für mich ist nach einem powergeladenen "Bionic" jedenfalls Schluss im vorderen Drittel der Halle. Die Bar ist bei diesem Konzert auf jeden Fall der bessere, sichere Ort. Von hier aus macht es schon beinahe wieder Freude dem Geprügel bei "Special K" oder "The Bitter End" zuzusehen.

Mit der langen Version von "Twenty Years" ist ein Placebo-Konzert normalerweise zu Ende. Aber nicht hier: In Form der Ballade "Blind", die vorher schon im Set vermisst wurde, gibt es ausnahmsweise eine zweite Zugabe. Hinterher kommt noch direkt das unvermeidliche "Space Monkey", bei dem es für einige Fans zur Sensation auf der Bühne gekommen sein dürfte: Sänger Brian Molko greift sich in den Schritt und kuschelt mit Bassist Stefan Olsdal. Das ist der Stoff, den die hier Angereisten sehen wollen. Placebo wissen es ihnen zu geben. Mit der obligatorischen Verbeugung endet das intime Konzert. Molko lässt es sich nicht nehmen und kommt noch einmal heraus, um einen Strauß gelber Tulpen Blüte für Blüte, Ast für Ast ins Publikum zu werfen. Nach dem Konzert sichtet man überall strahlende Gesichter mit vertrocknetem Gestrüpp in den Fingern. So einfach kann man Menschen glücklich machen.

Wäre das Publikum nicht so dermaßen drüber gewesen, würde ich hier nun vom besten Placebo-Konzert aller Zeiten sprechen. Die Spielfreude seitens der Band ist immens. Auch wenn sich an der Setlist im Vergleich zur vergangenen Europatour außer der Songfolge nichts geändert hat, hat man das Trio, das auf der Bühne zum Quintett wird, selten so intensiv und mit großem Gefühl spielen sehen. Molko wird selbst ganz rührselig als er sich beim Publikum bedankt. Aber ein Konzert besteht (leider) immer aus zwei Parteien und die eine hat alles gegeben, um den Willen zu stärken, den Abend in Vergessenheit geraten zu lassen.

Setlist:

Infra-Red
Meds
Because I Want You
Drag
Soulmates
I Know
Song to Say Goodbye
Follow The Cops Back Home
Every You Every Me
Special Needs
One Of A Kind
Without You I’m Nothing
Bionic
Special K
The Bitter End
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Running Up That Hill
Taste In Men
Twenty Years
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Blind
Space Monkey

Katrin Reichwein - sounds2move.de / 12.03.2007

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