Bands:

Riverside + Gum

Location:

Die Halle Frankfurt

Datum:

29.09.2006

Tour:

"Second Life Syndrome" Tour 2006

 

Wie eine Mischung aus Kneipe und betagtem Jugendzentrum wirkt sie, die Konzertlocation „Die Halle“ in Frankfurt Eschersheim, die an diesem Freitag im September die polnischen Progressive Metaller Riverside beheimatete. Wer noch nie hier gewesen ist, der kommt nach Bruchteilen von Sekunden zu dem Entschluss, dass „Halle“ doch an eine sehr kalküle Übertreibung grenzt. Dafür punktet die Örtlichkeit durch eine sehr intensive und intime Atmosphäre. Geschätzte 150 Besucher haben sich an diesem Abend am Main eingefunden, von denen etwa die Hälfte bereits zur Frankfurter Vorband Gum vor der leichten Erhöhung, die sich Bühne nennt, versammeln. Der angekündigten Bezeichnung Progressive Rock werden die Hessen dabei nur bedingt gerecht, tauchen in ihrem Sound doch mal Hardrock-Drumming, mal tiefer gestimmte New Metal-Gitarren und dann wieder eher thrashige Instrumentalisierungen auf. Man mag offensichtlich Slayer, System of a Down, Fates Warning, Dream Theater und die Red Hot Chilli Peppers gleichermaßen, weiß aber im Gegenzug nicht so recht, wohin der eigene Sound gehen soll. Ein paar schöne (wenn auch sicher nicht komplett eigene) Riffs, aber auch viele belanglose Kompositionen später räumen die Lokalmatadoren ihren Platz um nach einer aufgrund technischer Probleme etwas ausgedehnteren Umbaupause Platz für die Headliner Riverside zu machen.

„Die Halle“ ist mittlerweile mehr als gut gefüllt und mit den ersten Klängen des warmen, verspielten Intros liegt dieses gewisse Knistern in der Luft, wie es nur die wenigsten Künstler erzeugen können. Mit „Volte-Face“, „Artificial Smile“ und „I turn you down“ – alle vom göttlichen aktuellen Album „Second Life Syndrome“ - nimmt die stimmungsvolle Darbietung der Proggies umgehend Fahrt auf. Beeindruckt stellt man schell fest, dass diese Band live die gleiche, wenn nicht sogar eine noch intensivere Atmosphäre erzeugen kann, als sie es mit ihren beiden bisherigen Studioalben sowieso schon getan hat. Wären da nicht einige kleine Probleme mit der PA gewesen, so hätte man auf den ersten Blick auch von einer Playback-Show ausgehen können. Doch weit gefehlt, denn die recht jungen Musiker sind absolute Handwerksmeister, die nur sehr dezent und im Ausnahmefall auf Samples zurückgreifen. Dabei fällt vor allem das virtuose Gitarrenspiel von Piotr Grudziński ins Auge, der von der Statur und der gesamten Optik eher an einen grobschächtigen Fleischer, denn an einen virtuosen Saitenhexer erinnert. Was der Mann allerdings an diesem Abend aus seinem Instrument zaubert sind Riffs und Soli, die dem Zuhörer eine Gänsehaut nach der anderen über den Rücken jagen. Ein weiterer Blickfang der Band ist unbestritten der charismatische, mit seiner Mimik dezent an Kurt Cobain erinnernde Sänger Mariusz Duda, der sich an diesem Tag außerdem als unerwartet begabter Bassist outet und nicht nur am Mikrofon glänzen kann. Mehr im Hintergrund aber ähnlich begabt präsentieren sich Michał Łapaj  am Keyboard und Piotr Kozieradzki an den Drums, die mit ihren Instrumenten präzise die Basis für den Gesamtsound von Riverside legen. Das Publikum, dass sich zu großen Teilen in Shirts von Dream Theater oder Porcupine Tree gehüllt hat, feiert sowohl aktuelles wie das komplexe „Second Life Syndrome“, aber auch „The Same River“ oder „The Curtain Fall“ vom Debüt „Out of Myself“ stürmisch ab und holt die Musiker nach dem Ende des regulären Sets natürlich lautstark auf die Bühne zurück, die sich nicht lange bitten lassen und noch das von vielen freudig erwartete „Out of Myself“ sowie „Reality Dream Pt. II“ als Dessert reichen. Doch selbst nach über 2 Stunden hatte die Mainmetropole an diesem Abend noch nicht genug und so wurden Riverside noch einmal für eine zweite Zugabe förmlich auf die Bühne zurückgezerrt. Zur Feier des Tages holten die Polen zum Abschluss sogar noch einen Song aus der Versenkung, den sie eigentlich schon aus dem Live-Programm gestrichen haben und der laut Mariusz „von einer anderen Band eigentlich viel besser gespielt wird“. Die Rede ist von „Radioactive Toy“, dem Überhit des 1991er Porcupine Tree Debüts „On the Sunday of Life“. Riverside sind übrigens nach einigen Jahren mal wieder ein Band im Progressive Metal Bereich, der man eine ähnliche Karriere prophezeien kann wie einst Steven Wilson und Co. Wenn die Band auf diesem Niveau weiter veröffentlicht, dann war dies mit Sicherheit der letzte Auftritt der Band in einer solch winzigen Location. Wobei: Hat nicht schon allein das bisherige Schaffen dieses aufgehenden Sterns ein wesentlich größeres Publikum verdient?

Markus Rutten - www.sounds2move.de / 02.10.2006

 

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