Bands:

Lacrimosa + Gothminister

Location:

Hamburg - Große Freiheit 

Datum:

01.06.2005

Tour:

Lichtgestalt - Tour 2005

Autor: Christine Schams

 

Nein, mehr kann man mehr von einem Konzert nicht erwarten. Eine Setliste, in der kein Hit fehlte, in der gekonnt der Bogen zwischen alten und neuen Songs gespannt wurde, in der die Band über zweieinhalb Stunden mit einer ungebrochenen Spielfreude auf musikalisch hohem Niveau agierte und insgesamt drei Zugaben spielte, die sowohl von der Spielzeit wie auch der Songauswahl eigentlich schon ein Konzert für sich waren. Man muss kein eingefleischter Lacrimosa-Fan sein, um offen sagen zu können: Was Lacrimosa an diesem Abend in der Großen Freiheit, Hamburg, boten, fällt definitiv in die Kategorie ‚Konzerterlebnis der Extraklasse‘. Wie sehr dieser Abend die Fans bewegte, verdeutlichen auch die größtenteils bereits einen Tag später verfassten unzähligen Einträge im Gästebuch auf der Band-Homepage.

Doch von vorne. Den Abend eröffneten Gothminister. Die norwegischen Industrial-Gothic-Rocker heizten mit brachialen Akkorden und tiefer Vokalkunst den Zuschauern vom ersten Song kräftig ein. Live noch kraftvoller und überzeugender als auf CD, boten sie eine eindrucksvolle Performance und ein gutes Konzert, in dem sie gewohnt-schelmisch die Grenze zur Selbstironie ein ums andere Mal überschritten. Hoch auf einem Podest in der Bühnenmitte thronte der Minister himself, Björn Alexander Brem, flankiert von seinem nicht minder düster geschminkten und vor allem düster dreinblickenden Clan. Mit Songs ihres Debutalbums Gothic Electronic Anthems , dem Nachfolger Empire Of Dark Salvation und einer guten Show lieferten Gothminister ein ausgewogenes und bisweilen lustiges Konzert, mit dem sie sicher den ein oder anderen neuen Fan hinzu gewonnen haben.

Um kurz nach neun Uhr verdunkelte sich der Saal erneut. Das Lacrimosa-Intro erklang, langsam öffnete sich der schwarze Vorgang, rechts und links der Bühne entrollten sich die Stoffbanner mit dem Markenzeichen der Band, dem Clown, auf die Bühne kamen die Band und Anne Nurmi, in dem von den Fotos zu Lichtgestalt bekannten aufreizendem Outfit und markanten Haarschmuck, unter frenetischem Jubel gefolgt von Tilo Wolff. Zum Song mit dem wohl größten Hitpotenzial des neuen Albums, Kelch der Liebe, eröffneten Lacrimosa den Abend. Was danach folgte, war schlichtweg ein musikalisches Potpourri aus der mittlerweile 15-jährigen Bandgeschichte, ein in sich stimmiger Bogen alter und neuer Songs, eine gelungene Mischung von getragenen und schnellen Songs: Alles Lüge, Copycat, Lichtgestalt, dem einzigen Song, bei dem musikalisch einige Patzer zu erkennen waren, The Turning Point, Malina, Halt mich, Letze Ausfahrt: Leben, Der Morgen danach, ältere Stücke wie Tränen der Sehnsucht, Das Schweigen oder Seele in Not, und, natürlich, was wäre ein Lacrimosa-Konzert ohne diesen Song, Stolzes Herz. Bewegend und eindrucksvoll auch die Livedarbietung des bis dato opulentesten Lacrimosa-Werkes überhaupt: Das Hohelied der Liebe.

In bester Spiellaune boten Anne Nurmi, Tilo Wolff und Band ein wahrlich überragendes Konzert. Von den Reaktionen der ausgelassenen Fans, die jeden Song ausgiebig bejubelten und mitsangen, ein ums andere Mal sichtlich bewegt zeigten sich Anne Nurmi und Tilo Wolff, die strahlend immer wieder den Kontakt zum Publikum suchten. Nicht in dieses Bild passte da allerdings ein Fan, der, offensichtlich nicht mehr ganz Herr seiner Sinne, mit seinem monotonen Zugabe-Rufen nach jedem Lied das Nervenkostüm seiner Umgebung mächtig strapazierte und, weitaus ärgerlicher, einen exorbitant großen Radius für seine ekstatischen Tanzeinlagen benötigte und diesen auch rücksichtslos verteidigte – was ein kurzes, aber heftiges Wortgefecht mit anderen Zuschauern zur Folge hatte.

Denn der Abend bewies bis auf jene Situation sehr eindrucksvoll, dass das Lacrimosa-Publikum eine friedliche und tolerante Haltung auszeichnet. Dies zeigte sich außerdem aber vor allem daran, dass Lacrimosa als eine der weltweit erfolgreichsten Independent-Bands Anhänger weit über die Szene hinaus hat: Denn wenn ein Publikum als buntgemischt charakterisiert werden kann, dann jenes an diesem Abend in der Großen Freiheit. Hier tanzte und wiegte sich das schwarz geschminkte Szenevolk in Rüschenkleidern oder Ledermantel harmonisch vereint neben Damen deutlich älteren Jahrgangs in Strickjacke und Slippern wie dem Banker im Nadelstreifenanzug oder dem älteren Herrn in blauer Jeanshose und weinrotem Sweatshirt. Für diesen Erfolg, für diesen gekonnten Spagat zwischen Szene und Nicht-Szene gebührt Lacrimosa Respekt.

Für sie alle hätte es auch nach der dritten Zugabe noch endlos weitergehen können. Sichtlich bewegt und überwältigt von dieser Resonanz bedankten sich Tilo Wolf, Anne Nurmi und Band nach zweieinhalb Stunden von ihren Fans – allerdings nur für kurze Zeit. Denn wer der Einladung des Veranstalters gefolgt war, im Kaiserkeller der Großen Freiheit den Abend weiter zu feiern, hatte Glück: Für sie gab es dort ein Wiedersehen mit Anne Nurmi und Tilo Wolff.

Christine Schams - www.sounds2move.de / 05.06.2005

 

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