Bands :

Most Ignored

Location :

CVJM / Gießen

Datum :

16.03.2004

Tour :

Autor : Katrin Reichwein

 

Dieser Bericht sollte wohl am Besten den Titel "ein merkwürdiger Abend" oder "falsche Erwartungen" tragen. Aber welche Erwartungen stellt man schon an ein Punk-Konzert im Haus des Christlichen Vereins Junger Menschen (CVJM) in Gießen? Welche Vorstellung hat man von einem Konzert im Rahmen der "Jesus House"-Veranstaltung, deren Werbekampagne schon seit Wochen nervt? Wir hätten es wohl besser wissen sollen.

Die Veranstalter-Website kann nicht gerade mit großen Informationen aufwarten. Beginn soll um 19.30 Uhr sein, spielen werden Most Ignored. So schön, so gut. Das eine Stunde später immer noch eine Live-Übertragung aus der "Jesus House"-Zentrale Berlin gezeigt wird und danach erst ein mal heftig über das Thema Sehnsucht diskutiert wird, konnte ja keiner ahnen. Dazu werden Saft und belegte Brötchen gereicht. Uns ist dies alles sehr suspekt, wir bleiben stille Beobachter von außen. Allerdings scheinen wir aufzufallen: überall schallt es freundliche Hallorufe von völlig Unbekannten. "In welchem Film sind wir denn hier gelandet", denken wir uns und ergreifen erst ein mal die Flucht in Richtung Tankstelle, denn ohne Alkohol, der in diesem Haus, wie auch Tabak und Drogen anderer Art natürlich verboten sind, wäre es gar nicht auszuhalten gewesen.

Von Drummer Tim erfahren wir wann Most Ignored auftreten werden und sind pünktlich zu Konzertbeginn wieder da. Die Band wusste im Übrigen auch nicht wirklich auf was sie sich da eingelassen haben. Trotz allem kann sich ihre Show sehen lassen. Sie geben sich alle Mühe vor dem überwiegend christlichen Publikum zu überzeugen: Ein Song mit Inhalten wie "Sex is good, drugs are good, alcohol is fine" wird kurzerhand mit "mmhh is good" angekündigt - das Publikum könne ja eigene Worte einsetzen. Prompt kommt "Jesus is good" ... Hatte ich schon von Erwartungen gesprochen?!

Seit vier Jahren gibt es die fünf Melody-Corer, wie sie sich selbst bezeichnen. Ihre Musik ist allerdings nicht so einfach in die Schublade Melody-Core zu stecken - die Ska-, Punk-, Crossover- und Hardcore-Einflüsse lassen sich nicht so einfach von der Hand weisen. Zwei Bläser und einen Keyboarder machen die Ska-Punk-Crossover-Mischung an diesem Abend perfekt.

Ein Blick vor die Bühne zeigt allerdings, dass wohl auch die Veranstalter nicht wussten, was für eine Band sie sich ins Haus holten. Eine halbe Stunde nach Konzertbeginn wurde der Saal zusehends leerer und leerer. Getanzt wurde übrigens auch kaum, statt dessen gab's Pogo im Sitzen. Ist Tanzen oder gar Spaß haben vielleicht eine Sünde? Wenn wir schon dabei sind, muss ich wohl los werden, dass ich während dem Konzert mit Sicherheit fünf Gebote gebrochen habe. Wird mich das nun in die Hölle befördern?

Ohne viel Applaus und wenigen, vereinzelten Zugabe-Rufe ist es auf ein mal unheimlich einsam in diesem Haus geworden. Schlagartig haben alle das Gebäude verlassen, die Band baut ab, wir gehen in eine Kneipe, um uns von diesem Schock zu erholen...

Anmerkung: Nichts gegen das Christentum und andere Religionen, jeder soll bitte das glauben, was er für richtig hält. Aber für uns war diese Veranstaltung eher wieder mal ein Beweis, warum wir mit Kirche und Institutionen dieser Art nichts zu tun haben wollen.

Katrin Reichwein - sounds2move.de

 

- Zurück zur Übersicht -