Bands:

Die Ärzte, Beatsteaks, Kid Alex + Chico Trujillo

Location:

Stadion am Böllenfalltor Darmstadt

Datum:

16.07.2004

Tour:

Unrockstar Tour 2004

Autor: Katrin Reichwein + Sonja Waschulzik

 

Es herrscht Bullenhitze im Darmstädter Stadion am Böllenfalltor. Schon nach fünf Minuten fühlt man sich wie am dritten Tag eines Festivals. Dazu ist das Konzert mit knapp 20.000 Besuchern fast ausverkauft.

Einlass und Organisation im Stadion sind auch ein Ding für sich. Mal dürfen Glasflaschen mit aufs Gelände, dann aber wiederum keine TetraPaks. Die Security-Mannschaft scheint sich etwas uneinig zu sein. Es gibt Stempel, wenn man mal kurz raus zum Merchstand möchte und Stempel um in die 1. Absperrung zu gelangen - was sich später aber als eine gute Sache erweist; ein vorderer Platz bei Die Ärzte ist uns nach einem netten Lächeln sicher. Der Nachteil: Noch Tage später hat man überall blaue "Gs" und "Fs" am Körper. Vielleicht stellt dies die Abwechslung zu den blauen Flecken vom Pogen dar, denn in der 1. Absperrung so richtig abzugehen, scheint ein Ding der Unmöglichkeit:
Die Security packt Leute, die von ihren Freunden beispielsweise Huckepack genommen werden wollen, sofort am Kragen und beseitigt sie auf nimmer Wiedersehen. So kommt nur direkt im Moshpit und weit hinter der 1. Absperrung, Bereiche über die, die Security keine Macht hat, richtige Stimmung auf.

Pünktlich um 15Uhr kündigt Rod (Bassist, Die Ärzte) himself seinen chilenischen Landsmann Chico Trujillo an. Chico Trujillo bezeichnen ihre Musik selbst als "Cumbia & Música Fiestera from Chile". Man kann es auch schlicht Latin-Ska nennen. Latinos behaupten gerne von sich so viel und hart zu feiern, um ihre Sorgen zu vergessen. Chile muss es wirklich verdammt schlecht gehen. Von Beginn an verwandelt sich die Menge in einen Mob Salsa-Tanzwütiger. Dem anderen Teil ist allerdings so heiß, dass sie es vorziehen im Schatten zu verweilen.

Als nächstes erwarten wir die Beatsteaks, aber nein, da haben wir Bela wohl nicht richtig zugehört. Denn da steht definitiv eine andere Band auf der Bühne. Überraschungsgast Kid Alex hat sich an diesem Tag nicht viele Freunde gemacht. Die Mittelfinger schnellen in die Luft und Buh-Rufe sind zu hören. Entdeckt wurde Alex in einem Hamburger House Club, freundete sich schnell mit anderen Musikern an und blieb nicht lange beim House allein. Auf der Bühne sind heute nun auch Gitarren und diverses anderes Rockinventar zu sehen, dennoch keine Spur von Rock. Die Band bewegt sich irgendwo zwischen Electro, Funk, Hip Hop, House, Reggae, Soul und R&B - dabei heraus kommt eine abstruse NDW-Mischung. Es nervt! (kr)

Als nächstes kündigte unter lautem Geschrei Farin die Beatsteaks an. Ich durfte die 5 Jungs aus Berlin bereits im Mai in der Batschkapp erleben und hatte dem entsprechend meine Erwartungen. Um dem fremden Publikum gleich ordentlich einzuheizen, wurden schwere Geschütze in Form von „Let me in“ aufgefahren. Das Publikum war wohlgesonnen, aber nicht völlig ausgelassen, zeigte sich bei dem minutenlangen Police Cover „So lonely“ aber gesangsfreundig. Leider wurden Lieder wie „48/49“ oder „Me against the world“ von ihrer ersten Scheibe nicht angespielt; auch übliche Traditionen, wie das Aufsetzen von Arnims Hut gingen entweder unter oder fanden nicht statt. Dafür bekam man von dem neuen Album „SmackSmash“ ordentlich was auf die Ohren und natürlich waren Songs wie „Hand in Hand“, bei dem Arnim seine berüchtigte Stepeinlage hinlegte oder „I don´t care as long as you sing“ mit von der Partie. Generell schien die Verbindung zwischen Publikum und Band nicht so stark wie bei anderen Konzerten zu sein, was nicht an den Beatsteaks lag, da die sich wirklich bemühten und wie immer eine klasse Show ablieferten, aber selbst Arnims beherzter Sprung ins Publikum löste den Knoten nicht. Die Beatsteaks verabschiedeten sich mit dem Cover „Opelgang“ der Toten Hosen, was an sich Keinen vom Hocker hauen würde, wenn nicht die Ärzte auf die Bühne gesprungen wären, um beim Refrain lautstark mitzugrölen.
Lasst uns also vor lauter Versöhnlichkeit uns an den Händen nehmen und „Kumbaya my lord“ singen.

Nach einem beeindruckenden Umbau kamen endlich die Ärzte auf die Bühne und empfingen das Publikum mit dem Titel „Nicht Allein“. Wie immer bekam man viel Altes aber auch viel Neues von „Geräusch“ zu hören, aber bei einem Ärztekonzert wird ja bekannter Maßen nicht nur gesungen:
Wenn die Ärzte ihrem Publikum das Grundprinzip des Pogo erklären wollen, kann das schon mal in einem viertel Stunden Monolog von Farin Urlaub enden, wobei es um Biedermeier-Schränkchen und Mingvasen ging. Generell ist der Schlagabtausch von Farin und Bela das eigentlich individuelle und interessante bei einem Ärztekonzert, wobei der musikalische Part dem natürlich in nichts nachsteht. Die Ärzte ließen es sich auch nicht nehmen Witze über den Ortsnamen Darmstadt zu machen. Dass Wixhausen und Richen nur unweit von Darmstadt liegen, haben sie zum Glück nicht mitbekommen.
Das Allroundtalend Rod überzeugte nicht nur am Bass, an der Gitarre und im Gesang. Rod überzeugte auch als Begleitpianist am weißen Flügel bei dem Song „WAMMW“, der von Farin in einem weißen Anzug gesungen wurde.


Nach diesem Ausflug in die 20er Jahre wurde die Bühne für den Unpluggedteil umgebaut und die Ärzte erschienen in ihren roten Rock´n´Roll-Realschule-Jackets. Schnell wurde ein Unpluggedmedlay zu einem spanischen Flamenco und Bela hatte hatte nur Erbrochenes im Kopf.
Nach dem Unpluggedpart war es doch herzerfrischend zu sehen, dass erwachsene und gestandene Männer sich vor Lachen fast in die Hose machen, nur weil sie in einer Mülltonne auf die Bühne geschoben werden.
Die Ärzte verabschiedeten sich wie mit einem Donnerschlag nach 3 Stunden mit den Liedern „Ein Song namens Schunder“, „Schrei nach Liebe“, „Westerland“ und „Zu spät“. Und manch einer bekam fast das Gefühl, dass sie einfach die Bühne nicht verlassen wollten. Und jeder Ärztefan ging mit dem tiefen Wunsch im Herzen nach Hause sich ein Biedermeier-Schränkchen mit einer Mingvase zu kaufen. (sw)

 

 

Katrin Reichwein & Sonja Waschulzik - sounds2move.de

 

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