Festivalbericht zum Wacken Open Air 2009

 

Wacken 2009 – ein großes Jubiläumsfestival sollte es werden – herausgekommen ist eine doch recht zwiespältige Angelegenheit. Sicher war es mal wieder ein nahezu perfekt organisiertes Festival mit über 70.000 Metalheads aus der ganzen Welt, die bei nahezu perfektem Wetter für eine überwiegend sehr gute Stimmung sorgten. Auch sollte man mal erwähnen, dass das Wacken gerade für Journalisten (und andere bevorzugte Gäste) viele Annehmlichkeiten bereit hält, die es auf anderen Festivals nicht gibt (z. B. ein eigener bühnennaher Campingplatz, gratis Spülkos und Duschen sowie eine abgetrennte Chill- oder Party-Area, in der man auch mal mit dem ein oder anderen „Star“ in Ruhe ein paar Worte wechseln kann).

 


D-A-D

Doch auf der anderen Seite gibt es auch viele Kritikpunkte. Zu aller erst wären da die enttäuschten Erwartungen bezüglich des Line-Ups zu nennen. Zugegeben, das Wacken war eigentlich nie ein Festival der ganz großen Namen. Doch mit Iron Maiden im letzten Jahr und angesichts der Tatsache des 20. Geburtstages hatte man die Erwartungshaltung ins Unermessliche geschraubt. Doch statt Metallica, Rammstein oder gar AC/DC gab es mal wieder nur Motörhead, Saxon und Doro Pesch. Das alleine wäre noch gar nicht so schlimm, doch auch in der Breite der Bands gibt es immer weniger Exoten, ausgebuddelte alte Helden und unentdeckte Perlen zu bewundern, sondern vielmehr zunehmend Standardware. Von den kurzfristigen Ausfällen von Anthrax und Kampfar, die wohl nicht mehr zu kompensieren waren, will ich gar nicht erst anfangen. In jedem Fall sind aber auch die Preise absolut unverhältnismäßig gestiegen. Von 70 DM für mein erstes Wacken 1997 (übrigens mit einem qualitativ durchaus gleichwertigen Line-Up) zu den in diesem Jahr verlangten 120 Euro ist eine wirklich nicht mehr nachzuvollziehende Entwicklung. Sicher: Die Nachfrage ist groß. Und wenn das Festival bereits ausverkauft ist, bevor noch großartig Bands verkündet sind, ist das ein Zeichen für die Veranstalter, dass sie die Preisschraube noch weiter anziehen können. Auch die Preise auf dem Gelände sind inzwischen ins Unerträgliche gestiegen. 5 Euro für ein Nackensteak, 3,50 für ein Bier sind jedenfalls weitab von „fair“ und haben mit „von Fans für Fans“ nix mehr zu tun. Aus marktwirtschaftlichen Gründen kann man dafür sicherlich Erklärungen finden. Doch wenn sich dann das „Unternehmen Wacken“ auf seine Fahnen (und ins Programmheft) schreibt, dass man die ursprüngliche Atmosphäre und Intention des Festivals doch wohl beibehalten habe, dann kann einem bei dieser Lektüre schon mal der 5-Euro-Döner wieder aus dem Gesicht fallen. Und wenn mit den „vielen Kleinigkeiten, die dem Open Air seinen ureigenen Charakter geben“ Striptease zum Frühstück, Wrestlingzelt oder eine Fahrt im Jägermeister-Heißluftballon gemeint sind, dann kann ich darauf dankend verzichten.

 


D-A-D

 

Donnerstag, 30.07.

 

Kommen wir zu dem aus meiner Sicht wichtigsten Faktor eines Festivals (auch wenn die Veranstalter da offensichtlich anderer Meinung sind), den Bands: Zu Beginn gibt es erst einmal eine kleine Wacken-Geschichtsstunde. Skyline hieß die Band des Festival-Mitorganisator Thomas Jensen. Dieser Truppe Auftrittsmöglichkeiten zu verschaffen, war die eigentliche Intention der ersten beiden Wacken-Ausgaben 1990 und 1991. Zum 20. hat man sich noch einmal zusammengefunden, um mit Unterstützung von z. B. Doro Pesch einige Metal-Klassiker wie „Fear of the Dark“ zum Besten zu geben. Ich grabe derweil lieber in meiner eigenen Geschichte und mach mich zur Party Stage auf. Hier spielen die dänischen Hard Rocker D-A-D. Als regelmäßiger Roskilde-Fahrer, der ich im letzten Jahrtausend gewesen bin, habe ich die Dänen als Spaßgranaten in guter Erinnerung und werde auch diesmal nicht enttäuscht. Mit Hits wie “Bad Craziness” oder „Sleeping my Day away“ kann man auch nicht viel falsch machen. Vermisst habe ich nur “I won´t cut my Hair“. Aber man kann nicht alles haben. Dabei bietet das „Disneyland nach Einbruch der Dunkelheit“ eine gewohnt gute Performance. Alleine Bassist Stig Pedersen sorgt mit seinen vielen verschiedenen Viersaitern der Marke Eigenbau für Kurzweil. Der im Anschluss angekündigte „Secret Gig“ entpuppt sich zum Glück schnell genug als J.B.O., so dass ich noch rechtzeitig flüchten kann. Zwei Stunden und eine ziemlich peinliche Metal-Hammer-Award-Verleihung später ist es dann Zeit für den ersten echten angedachten Höhepunkt des Festivals. Running Wild wollen nach 30 Jahren ihr Piratenschiff für immer einmotten und nutzen das Wacken für einen zweistündigen Abschieds-Gig. Hat man das viel zu lange Schauspiel-Intro (von den Akteuren des Hamburger Dungeon) überstanden, macht sich langsam Ernüchterung breit. Zwar steigt Rock ´n´ Rolf mit seinen Matrosen mit „Port Royal“ traditionsbewusst ein, doch der Sound lässt doch noch einige Wünsche offen. Irgendwie kommt der Gig nicht so recht in Fahrt. Ob es am Wetter liegt? Der einsetzende Regen stört die angehenden Metal-Rentner scheinbar mehr als die Fans. Die Songauswahl vernachlässigt meiner Ansicht nach die beiden Anfangsalben zu sehr. Von diesen gibt es nur „Prisoners of our Time“ und „Branded and Exiled“ zu hören. Dafür verantwortlich ist allerdings weniger die Band, als die Fans, die die Setlist im Internet bestimmen durften. Daher gibt es einige echte Raritäten wie „Purgatory“ oder „The Battle of Waterloo“ zu hören. Naja, ich hätte mir zum Abschied schon noch einmal „Adrian“, „Genghis Khan“ oder wenigstens „Chains and Leather“ gewünscht. Zum Ausklang gab es dafür „Raise your Fist“, „Conquistadores“ und natürlich „Under Jolly Roger“. Auch nicht schlecht. Und ob das nun wirklich der absolut endgültige Schlussstrich unter der Geschichte von Running Wild gewesen ist – dafür würde wohl nicht mal Rock ´n´ Rolf seine Hand ins Feuer legen. Im Anschluss folgt schließlich mit Heaven & Hell ein Haufen Musiker, der noch deutlich älter ist als Herr Kasparek und immer noch eine gute Figur macht. Persönlich mochte ich Black Sabbath noch nie, und auch wenn ich Ronnie James Dio nicht ganz so grausam finde wie Ozzy, hält es mich nicht lange vor der Bühne, und ich beende den ersten Festivaltag relativ zeitig.

 

Samstag, 21.07.

 

Wer früh zu Bett geht, hat auch um 11 Uhr morgens schon die Energie für NAPALM DEATH. Irgendwie rutschen die Jungs aus Birmingham von mal zu mal weiter nach vorn im Billing. Egal. Es finden sich trotzdem schon genug Ausgeschlafene, die für einen amtlichen Moshpit, Pogo und sogar einige Walls of Death sorgen. So wie man die Briten kennt, werden brav alle Schaffensphasen abgearbeitet, und alle Songs kommen einigermaßen gleich gut an. Frontman Barney lehnt sich überdies weit aus dem Fenster und erklärt seine Band kurzerhand zur Schnellsten des Festivals... Will man in Wacken noch ein paar Geheimtipps entdecken, sollte man sich vor allem vor der WET-Stage herumtreiben. ADE, die Metal Battle-Sieger aus Italien, sind so eine Entdeckung. Durch den Aufbau der Instrumente (u.a. Flöte, Harfe und Mandoline) neugierig geworden, bin ich zunächst doch überrascht über den geradlinigen harten Death-Black Metal der Südeuropäer. Auch aufgrund der tiefen Stimme des Frontmanns erinnert es mich ein wenig an alte Septic Flesh. Wirklich gelungen sind die Parts, wo die exotischen Instrumente passig in das Gesamtkonstrukt der Songs eingebunden sind. Dann lassen sogar Negura Bunget grüßen. Im Anschluss auf der Black Stage folgt die Band, die noch am ehesten Herrn Greenways selbstbewusstes Credo widerlegen könnte: ENDSTILLE. Die norddeutschen Black-Metal sind wirklich sehr extrem. Und damit meine ich nicht ihre Kriegsbemalung und -rüstung oder die martialischen Texte vorwiegend über den Zweiten Weltkrieg. Die Musik ist einfach absolut konsequent. Entweder ultraschnell oder groovig-schleppend, aber in jedem Fall konsequent monoton. Bezeichnenderweise ist auch die einzige Regenwolke dieses ansonsten sonnigen Tages pünktlich zu beginn des Endstille-Gigs über der Black Stage, um sich zu entleeren.

 


Tristania

Da aus dem Baltikum überwiegend erstklassige Bands kommen, suche ich danach erneut die WET-Stage auf, um die Metal Battle Gewinner aus Litauen zu sehen. KIELWATER heißt die Band und macht recht ordentlichen, überwiegend im Midtempo beheimateten Metal. Auffällig ist in erster Linie die äußerst attraktive Sängerin, die allerdings einige Kommunikationsprobleme zu haben scheint. So fordert sie alle Männer auf, ihre Waffen, die sie doch immer bei sich hätten, raus zu holen. Keine Ahnung wie das gemeint war, seinen Dödel packt zum Glück keiner aus... Danach folgt die befürchtete Katastrophe: TRISTANIA ohne Vibeke Stene erweist sich als der erwartete Griff ins Klo. Ich will noch nicht einmal behaupten, dass Neusängerin Mary Demurtas eine schlechte Stimme hätte, sie passt aber überhaupt nicht zur Band oder zu dem, für was die Band in meinen Augen immer stand. Zugegeben: Vibeke hatte auf der Bühne den Aktionsradius einer norwegischen Eiche, aber mit ihrer Ausstrahlung und ihrem anmutigen Äußeren passte sie perfekt zu den bombastischen Gothic-Metal-Kompositionen. Die Neue dagegen trägt Pluderhosen und mimt auf der Bühne die Rockröhre. Wäre das noch nicht schlimm genug, ist heute auch noch der Sound absolut mies. Teilweise hört man nur den Bass. Außerdem ist Sänger Østen Bergøy nicht mit dabei. Für ihn singt Kjetil Nordhus, den ich bei Trail of Tears schon scheiße fand. Positiv zu erwähnen sind eigentlich nur das erstaunlich wohlwollende Publikum und die Setlist, die mit „Shadowmen“, „World of Glass“, „Beyond the Veil“ oder „Angellore“ einige Perlen zu bieten hat. Die beiden neuen Songs, die vom kommenden Album vorgestellt werden, lassen dagegen nicht viel Gutes erwarten.

 


Napalm Death

Wie viel man dagegen noch von den Alt-Thrashern WHIPLASH erwarten konnte, demonstrieren diese dann auf der WET-Stage. Die Band erlebt derweil ihren dritten Frühling und hat in diesem Jahr sogar ein neues Album heraus gebracht. Der letzte verbliebene Tony, Sänger und Gitarrist Tony Portaro, kann es kaum fassen, wie seine mittlerweile 25 Jahre bestehende Band heute abgefeiert wird. Das Zelt ist gut gefüllt und skandiert zwischen den jeweiligen Songs laute Whiplash-Whiplash Sprechchöre. Doch das ist nichts im Vergleich zu dem, was während der Songs abgeht. Fast das ganze Zelt ist ein einziger Circle-Pit, und wer dafür schon zu alt ist bangt sich wenigstens den Nacken taub. Zu hören gibt es neue und alte Songs, wobei die Hits vom „Power and Pain“-Debüt klar die Nase vorn haben. Vor allem „Power Thrashing Death“ gehört auch definitiv zu den besten Thrash-Metal-Songs aller Zeiten. Eine weitere Thrash-Legende gibt sich im Laufe des Gigs als Verstärkung die Ehre. Frank Blackfire greift bei zwei Songs zur zweiten Gitarre. Dieser Auftritt ist für mich eines der Highlights des gesamten Festivals. Gleiches von MOTÖRHEAD zu behaupten wäre übertrieben. Dennoch machen die alten Säcke ihre Sache recht ordentlich. „Iron Fist“, „Stay Clean“, „Metropolis“ und natürlich „Overkill“ (um nur einige zu nennen) bewegen noch immer die Massen vor die/der Bühne. Auch wenn die Zuschauer – wie Lemmy betont - wohl zum Großteil noch gar nicht geboren waren, als diese Songs entstanden sind. Zu „Killed by Death“ gibt es dann auf der Bühne noch den Einsatz von Stripperinnen, die aber nicht wirklich blank ziehen. Mehr an, als manch einer sich wohl gewünscht haben mag, hat auch Simone Simons. Dennoch ist der Auftritt von EPICA ein voller Erfolg. Gerade wenn man an den traurigen Auftritt von Tristania ein paar Stunden zuvor auf eben dieser Party Stage denkt, ist man froh, dass es noch Bands gibt, die harten, symphonischen Gothic-Metal in einem druckvollen Soundgewand mitreißend spielen können. Schon auf dem Rock Harz Festival einige Wochen zuvor hatte ich den Eindruck, dass die Band immer härter wird und dass ihnen das sehr gut zu Gesicht steht. Die Songauswahl beschränkte sich allerdings mal wieder auf die Klassiker (von „Cry for the Moon“, über „Consign to Oblivion“ bis hin zu „Menace of Vanity“ und „Sancta Terra“). Das kommende Album wurde zwar angekündigt, jedoch kein neuer Song präsentiert.

 

Im Anschluss mache ich mich noch einmal auf zur WET-Stage. Hier hat Black-Metal-Legende Nocturno Culto seinen zweiten Wacken-Auftritt nach 2004. Diesmal wird allerdings kein Darkthrone zelebriert, sondern es kommen SARKE zum Zug. Das neue Projekt bietet sehr schleppenden Oldschool-Black-Metal der 80er Jahre und erinnert streckenweise sehr stark an Hellhammer und Celtic Frost. Folgerichtig findet sich zum Schluss Tom Warrior auf der Bühne ein, um „Dethroned Emperor“ anzustimmen. Alles in allem ein nicht sehr origineller, aber dafür umso wirkungsvollerer Auftritt. Und Nocturno Culto gibt sich doch publikumsnäher als man erwartet hatte. Den Abschluss des Festival-Freitag geben AMON AMARTH. Und obwohl es schon 2 Uhr nachts ist, haben sich erstaunlich viele Fans vor der Black Stage versammelt, um die schwedischen Death-Metal-Wikinger zu sehen. Die haben auch allerhand aufgefahren, um die Meute zu unterhalten (Wikingerschiff, Schaustellertruppe, etc.). Leider ist der Sound (zumindest weiter hinten) dermaßen leise, dass kein wirklicher Konzertspaß aufkommen mag. An der musikalischen Qualität von Songs wie “Guardians of Asgaard“, „Valhall awaits me“, „Pursuit of Vikings“ oder „Death in Fire“ gibt es natürlich keinerlei Zweifel.

 

Samstag, 01.08.

 


Einherjer
 
Wie verheizt man eine Legende? Man lässt sie am Wacken-Samstag bereits um 12 Uhr Mittags auftreten. So geht es zumindest den Viking-Metal-Veteranen EINHERJER. Doch die Norweger machen das Beste daraus, und ein paar Hundert Getreue haben auch schon den Weg zur Black Stage gefunden. Zwar musste die Setlist im Vergleich zum Ragnarök-Headliner-Gig etwas abspecken, doch es gibt immer noch genug Hits zum Abfeiern. Und wer bei den Übersongs „Dragons of the North“ und „Far, far North“ keine Gänsehaut bekommen hat, sollte die Musikrichtung wechseln. Spielerisch und soundtechnisch ist natürlich mal wieder alles erste Sahne. Danach mache ich mich zum Metal Markt auf – eigentlich, um auf Raritätenjagd zu gehen. Doch dort kann man sein Shoppingerlebnis auch noch gleich durch eine Strip-Show aufwerten. Und als der letzte Schlüpfer gefallen ist, gibt es sogar noch gute Musik. Die deutschen Nachwuchs-Thrasher REZET locken zwar weit weniger Neugierige an als zuvor Möpse und Muschis, doch ist der Oldschool Thrash- und Speed-Metal der Jungs durchaus hörbar. Die gleiche Musikrichtung, nur deutlich mehr Jahre auf dem Buckel: Das repräsentieren danach TESTAMENT auf der True Metal Stage. Chuck Billy und seine Jungs sind zwar sichtbar in die Jahre gekommen, zeigen der Jugend aber noch immer, was eine Harke ist. Naturgemäß kommen bei solchen Auftritten die alten Klassiker wie „Disciples of the Watch“, „Over the Wall“ oder „Into the Pit“ am Besten an. Ein paar mehr alte Songs hätte ich auch gerne von BORKNAGAR gehört. Leider kann die zweite norwegische Viking-Legende (mit schwedischer Unterstützung) des Tages nicht so überzeugen wie zuvor Einherjer. Liegt es an den sperrigen Songkonstrukten, liegt es an Vintersorgs doch etwas jauligem Clean-Gesang? Keine Ahnung, mich reißt der Auftritt jedenfalls nicht gerade mit. Deshalb mach ich mich rechtzeitig auf den Weg zum in diesem Jahr erstmalig auf dem Campinggelände aufgebauten Wikinger- und Mittelaltermarkt.

 

Auf der Medieval Stage spielt nun nämlich die deutsche Pagan-Metal-Legende ADORNED BROOD. Die Mannen aus der Heimatstadt Horst Schlämmers spielen in einem stimmigen Ambiente und auch vor einer stattlichen und halbwegs begeisterten Kulisse. Aus meiner Sicht machen sie aber leider den gleichen Fehler wie auf dem Ragnarök und geben fast ausschließlich Lieder von ihrem neuen Album „Noor“ zum Besten. Songs wie „Under Yggdrasil“ oder „Sons of the Damned“ sind zwar ganz O.K., mit den alten Klassikern hat die Band aber wesentlich Besseres in der Hinterhand. Davon gibt es leider nur „Wigand“ zu hören. Die wohl besten Alben der Band „Asgard“ und „Erdenkraft“ gehen mal wieder komplett leer aus. Dafür gibt es wieder die unvermeidlichen Saufhymnen „7 Tage lang“ und „Drunken Sailor“. Der Versuch, danach wieder auf das Gelände zu kommen, gestaltet sich schwerer als erwartet. IN EXTREMO haben dermaßen viele Leute vor die Bühne gelockt, dass es sich bis zum Einlass staut. Während des Konzertes tritt dann leider das gleiche Phänomen wie bei Adorned Brood zuvor auf: neues Album statt alte Klassiker. Mich stört es in diesem Fall nicht ganz so sehr. Ich beobachte den Auftritt eher aus der Ferne und bestaune die riesige Menschenmasse, die die ganze Zeit hüpft, crowdsurft oder sogar Moshpits bildet. Wie man auf den Videoleinwänden gut verfolgen kann, nutzt auch der ein oder andere Wüstling die Gunst der Stunde, um den sehr zahlreichen weiblichen Crowdsurfern an die Titten zu packen. Nicht gerade die feine, schleswig-holsteinische Art! Da ich kein Fan von Elvis-Metal bin und auch Machine Head meiner Meinung nach ihre besten Tage längst hinter sich haben, mache ich eine letzte Pause, um mit TURISAS den Endspurt einzuläuten. Eigentlich hätte man denken können, die Veranstalter lernen aus den Fehlern der Vergangenheit. Doch Pustekuchen: Obwohl es vor zwei Jahren ob des großen Andrangs im Zelt fast zu einer Massenpanik gekommen wäre, spielen die Finnen wieder auf der WET Stage. Da ich mich rechtzeitig eingefunden habe, geht das Gedränge an mir vorüber und ich kann das Konzert in vollen Zügen genießen. Auch wenn die Setlist fast dieselbe ist wie vor zwei Jahren, macht die Band noch einmal so richtig Laune und versöhnt für vieles, was an diesem Wacken-Wochenende nicht so rund lief. Und man sollte Turisas definitiv nicht als reine Party-Band abtun. Sie haben weit mehr zu bieten als „Rasputin“ oder „Battle Mattle“, die in der Tat das Zelt zum Kochen bringen. Die ganze Bandbreite reicht aber von epischen Metalsongs wie „Miklagard Overture“ über Mitsingnummern wie „One more“ bis hinzu folkigen Songs wie „In the Court of Jarisleif“, die wirklich fast alle zum Tanzen bringen. Wirklich eine großartige Band.

 

Als ich danach das Zelt verlasse, stellen sich mir zwei Fragen: Erstens, warum sind SAXON eigentlich geschätzt dreimal so laut wie Amon Amarth tags zuvor? Und zweitens, warum dürfen die englischen Oldies als einzige Band des Festivals ihre Spielzeit massiv überziehen? Somit komme ich in den unfreiwilligen Genuss, noch „Strangers in the Night“, „Stallions of the Highway“ und „Denim and Leather“ zu hören, bevor es mit GWAR weiter geht. Die amerikanischen Schock-Metaller mit ordentlich Punk-Schlagseite haben schon immer eher durch ihre Show, denn durch ihre Musik auf sich aufmerksam gemacht. Auch heute haben sie jede Menge Effekte, Schauspieleinlagen und Videosequenzen aufgefahren, so dass das Ganze eher einem Metal-Musical gleicht. Natürlich gibt es wieder jede Menge Ekelszenen und Tabubrüche zu sehen. Da werden Babys aufgespießt, Showmaster enthauptet und jede Menge Kunstblut bzw. –sperma in die Menge geschossen. Allerdings wirkte die Show an manchen Stellen etwas überholungsbedürftig. So ist Michael Jackson nun ja inzwischen wirklich tot, und auch die Kontroverse Obama vs. Hillary Clinton ist Schnee von gestern. Insgesamt muss man auch sagen, dass der Andrang vor der Black Stage recht überschaubar ist. Der Großteil der Fans ist wohl derweil entweder schon auf dem Weg nach Hause oder bei Korpiklaani vor der Party Stage. Den würdigen Abschluss des Festivals sollen danach eigentlich SUBWAY TO SALLY geben. Leider vermasseln diese es komplett. Sorry, aber die Setlist ist einfach nur eine Frechheit und ein Schlag ins Gesicht für jeden Fan der Band, der nicht erst mit „Bastard“ zu der Band gestoßen ist. Fast ausschließlich Songs der eher mäßigen letzten beiden Alben, keinen einzigen aus der Phase vor „Herzblut“ (von dem es nur „Veitstanz“, zu hören gibt, der einzige Song, bei dem bei mir so etwas wie Stimmung aufkam): So etwas geht mal gar nicht. Und nachdem die Band nach Ende der eigentlichen Spielzeit doch noch mal zurück kommt, gibt es nicht etwa „Julia und die Räuber“, sondern eine komische Wacken-Hymne zu hören (die umgetextete Variante des DAD-Songs „It´s After Dark“). Leider ein misslungenes Ende eines im Ganzen eher durchwachsenen Jubiläumsfestivals.

 

Text und Fotos: Alexander Dontscheff – www.sounds2move.de

 


Kielwater

Link: www.wacken.com