Festivalbericht zum
Waldrock 2009
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Freitag 12.06.
So ganz in Festivalstimmung sind die Wettergötter am Warm-Up Freitag nicht, denn in und um das niederländische Örtchen Burgum ist es weitestgehend wolkenverhangen und es weht eine unangenehme, kühle Priese. Trotzdem sind die ersten Hundertschaften bereits vor Ort, um das bisher nur zur Hälfte zugängige Areal zu inspizieren und sich die ersten Riffs um die Ohren hauen zu lassen. Die Veranstalter gehen zum Anpfiff klugerweise kein großes Risiko ein und schicken statt dessen eine Coverband ins Rennen, die ihre Sache nicht schlecht macht und zum Beispiel „Burning Angel“ von Arch Enemy zum besten gibt. Im Anschluss ballern sich die unüberhörbaren Sodom-Fans LEGION OF THE DAMNED durch ihr zu höhenlastiges Old-Schlool-Thrash Set, das man standesgemäß mit der Bandhymne „Legion of the Damned“ startet. Bei ihren Landsleuten haben Maurice Swinkles und seine Mannen natürlich einen guten Stand, sodass es für viele zur Nebensache wird, das bei Songs wie „Son of the Jackal“ die Abwechslung ein wenig auf der Strecke bleibt. Zumindest aber ist das Publikum jetzt bestens aufgewärmt, sobald NAPALM DEATH das Tempo noch einmal deutlich anziehen. Grind ist jetzt Trumpf und die Band bei ihren Fans Kult, welche die Birminghamer Genre-Mitbegründer ordentlich feiern und Bewegung in den Pit bringen. Absolut nicht meins (mr), aber den Fans gefällt’s. Die Veranstalter bewiesen schon im Vorfeld Mut (oder Humor?), hat man doch mitten in diesen Knüppel-Tag die Duracell-Powermetaller DRAGONFORCE gebucht. Als Headliner des Warm-Up-Abends spielen Herman Li und Co. zwar mindestens genauso schnell wie Barney Greenways Truppe zuvor, allerdings mit vollständig anderem Ergebnis. So endet Tag 1 im Geschwindigkeitsrausch der Flitzefinger und glühenden Gitarrensaiten. Wer auf „Through the Fire and Flames“ gewartet hat, musste dabei erwartungsgemäß bis zum finalen Vorhang ausharren.
Ihren Ritterschlag bekommen DELAIN im Anschluss von Lemmy höchstpersönlich (Sängerin Charlotte Wessels wird dies später noch mit dem Kauf eines Motorhead-Tourshirts quittieren), der sich die Show der Symphonic Metaller vom Bühnenrand aus anschaut. Und das zurecht, denn die Holländer sind heute scheinbar besonders gut drauf und liefern unbestritten eine tolle Show ab. Schon zu so früher Stunde bekommt man beim Waldrock ein 60-minütiges Set geboten, was Delain auch voll ausnutzen. Der gesunde Mix aus den beiden bisherigen Alben der jungen Band beinhaltet unter anderem „Virtue and Vice“, die beiden Singles „Stay Forever“ und „Frozen“ sowie das beinahe schon obligatorische „The Gathering“. Einzig den Titeltrack des aktuellen Werks „April Rain“ vermisse ich an diesem Tag in der Setlist. Das Publikum spendet dem energischen Quintett heute allerdings größtenteils einen etwas mageren Applaus. Da hätte trotz der verhältnismäßig frühen Tageszeit und der nicht allzu großen Menschenmenge vor der riesigen Hauptbühne doch etwas mehr Feedback kommen können.
Zurück ins Zelt
und wieder auf Geknüppel eingestellt. Dort walzen sich
THE BLACK DAHLIA MURDER durch ihren
Schädelspaltenden Death/Grind-Mix, dem eine ordentliche Portion Napalm
Death beigefügt wurde. Vor allem die Bühnengebaren ihres Fronters lassen
ein ums andere Mal an die Ur-Grinder denken, wobei die Detroiter ihren
Sound zumindest hin und wieder mit melodischen Gitarrenläufen
auflockern. Bei solidem Interesse ist sogar der eine oder andere kleine
Pit auszumachen. Seit Jahren in Holland nicht mehr live zu sehen
gewesen, bekommen VOIVOD heute einen guten
Slot im Nachmittagsprogramm der Mainstage zugeteilt. Allerdings erweist
sich genau dieser heute als eine Nummer zu groß für die altgediente
Band, die zwar von ihren Anhängern warm empfangen wird, insgesamt jedoch
auf recht maues Interesse stößt. Der eigenständige, aber auch ziemlich
krude Stil der kanadischen Thrasher ist dann doch eine Nummer zu
speziell für viele Zuschauer. Im Anschluss machen die Fashion-Boys
BRING ME THE HORIZON das Zelt unsicher und
ihrem Ruf als eine der derzeit angesagtesten Deathcore Truppen alle
Ehre. Viele minderjährige und vor allem weibliche Fans haben sich schon
vor Stunden ihre Plätze in der ersten Reihe gesichert und kriegen
kollektiv feuchte Schlüpfer als die fünf durchgestylten Jungspunde
pünktlich in ihr Set einsteigen. Auch hier wird geballert was das Zeug
hält, jedoch mit dem bis dato größten Feedback des Tages auf Bühne 2.
Die Breakdowns sitzen, die Zeilen von Oli Sykes werden von den Fans
textsicher mitgebrüllt und die wohl bekannteste Nummer „For Stevie
Wonder’s eyes only“ wird schon früh in die Menge gefeuert. Auf der
aktuellen Tour hilft übrigens Ex-Bleeding Through Gitarrist Jona
Weinhofen aus, der wie bei seiner ehemaligen Band auch hier vollen
Einsatz zeigt. |
Unter freiem Himmel und zur Prime-Time läuft danach der nächste Vertreter der moderneren Metal-Schule auf. KILLSWITCH ENGAGE, deren neues Album Ende des Monats erscheint und wie bereits das Debüt selbstbetitelt ist, dürfen sich über gehobenes Interesse freuen und im Gegenzug bekommen die Waldrocker eine bestens gelaunte Musikeransammlung geboten. Doch wie könnte man auch griesgrämig drauf sein, wenn Gitarrist Adam D. mal wieder den Klassenclown gibt und heute mit Umhang im Leoparden-Look aufläuft und damit auf und vor der Bühne die Lacher auf seiner Seite hat? Der Mann ist durchgeknallt und grundsympathisch gleichermaßen und zudem ein perfektes Ablenkungsmanöver für Frontmann Howard Jones, der sich am liebsten im Hintergrund aufhält und wenig Aufsehens um seine Person macht. Dabei muss sich der Ami mit seiner markanten, vielseitigen Stimme eigentlich beim besten Willen nicht verstecken. Legen Killswitch Engage zum Auftakt schon ein paar hörenswerte Modern Metal Briketts in die Glut – etwa „Starting Over“, einen zukünftigen Livestandart vom nahenden Langeisen -, so brennen sie spätestens ab dem energischen „This is Absolution“ ein famoses Feuerwerk einiger ihrer wohl größten Hits ab. Bei „The Arms of Sorrow“, „My Curse“ und „Daylight Dies“ kommt man aus dem Grinsen gar nicht mehr raus, ehe der Klassiker „My Last Serenade“ und das Dio-Cover „Holy Diver“ die letzten Wählerstimmen sammeln. Effektiver kann man für „Killswitch Engage“ kaum schon mal die Werbetrommel rühren. Daraufhin startet eine kleine Völkerwanderung gen Zelt, das PAPA ROACH als erste Band des Tages fast überlaufen lassen. Anders als bei den aktuellen Headlinershows markiert heute „Between Angels and Insects“ den Opener, womit die vier Amis mindestens bei Fans des älteren Materials punkten können. Gewohnt energiegeladen fordert Frontmann Jacoby Shaddix die zu Anfang recht lahmen Holländer zur Bewegung auf – mit mäßigem Erfolg. Gerade die ersten Reihen erweisen sich allerdings als äußerst textsicher, was sich nicht nur bei Klassikern wie „Getting away with Murder“, sondern auch bei den neuen Songs („Hollywood Whore, „Lifeline“ und „I almost told you that I loved you“) zeigt. In den 60 Minuten Spielzeit kredenzt der Vierer aus Sacramento einen Querschnitt aus den bisherigen fünf Alben, ohne jeglichen Überraschungsmoment. Das Publikum zeigt sich zum Ende des Sets dann auch etwas wacher; der Stimmungsunterschied zum deutschen Publikum lässt sich allerdings nicht leugnen.
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Den würdigen Schlusspunkt unter ein gut organisiertes Open Air mit lupenreinem und fast uneingeschränkt perfektem Festivalwetter, das jedoch preislich vor allem bei der Verpflegung ordentlich zulangt, dürfen dann ab 23:00 Uhr die Lichtgestalten Dio, Iommi, Butler und Appice alias HEAVEN AND HELL setzten. Im Gegensatz zum Bang Your Head-Festival vor ein paar Jahren, damals allerdings auch noch ohne aktuelles Album, werden die Quasi-Black Sabbath ihrem Headliner-Status diesmal durchaus gerecht, wobei man von den Herren gehobenen Alters keine großen Sprünge auf der Bühne mehr erwarten kann. Tony Iommi schüttelt sich zwar nach wie vor spielerisch grandiose Riffs aus den Fingern, hat darüber hinaus aber einen Bewegungsradius im Bierdeckelformat. Damit bleibt die Aufgabe des Entertainers an einem kleinen Männchen namens Ronnie James Dio hängen, der immerhin schon stramm auf die 70 (!!) zugeht und trotzdem noch über ein wahnsinns Organ verfügt. Das beweist er direkt beim unverwüstlichen Opener „The Mob Rules“, aber auch bei „Time Machine“ und dem aktuellen „Bible Black“, das viele Fans und Kritiker für die Übernummer auf „The Devil you know“ halten. Obwohl das Publikum überwiegend in Erfurcht erstarrt und sich am liebsten vor den Ikonen in den Staub werfen würde anstatt noch einmal richtig Alarm zu machen, bedankt sich Dio artig nach jedem Song, schwadroniert über die Geschichte von Heaven and Hell oder tut einmal spitzbübig so, als wäre er überrascht, dass überhaupt noch jemand da ist, als es während einer kleinen Unterbrechung fast totenstill auf dem Gelände wird („Hey, ihr seid ja doch noch da – wie schön!“). In Form einer Videowand, über die einige nette Animationen flimmern, wurde das Bühnenbild auf den Stand der Zeit gebracht, während der von Kristallkugeln und Ketten dominierte Grundaufbau erwartungsgemäß old-schoolig ausfällt. Nach 90 Minuten metallischen Geschichtsunterrichts ist das Waldrock 2009 dann Geschichte und die s2m Redaktion um einen interessanten, weil hochkarätig besetzten, aber nicht überlaufenen Festival-Tipp reicher. Diese Veranstaltung sollte man bei der nächsten Sommertourplanung absolut auf der Rechnung haben. Nicht ganz billig der Spaß (75 Euro fürs Festivalticket, Bier 0,2 zu 2 Euro, eine Bratwurst mit Pommes für 6 Euro), dafür aber mit großzügigem Gelände, gut dimensionierter Händlermeile, überzeugendem Bühnensound, vielseitigem und qualitativ ansprechendem Programm und ohne Alibi-Spielzeiten von unter 30 Minuten. Schön war’s.
Markus Rutten & Simone Steinbüchel – www.sounds2move.de
Link: www.waldrock.nl