Festivalbericht zum Soundgarden Festival 2009
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Inzwischen seit ein paar Jahren aus dem (Burg)Garten Eden vertrieben, findet das Soundgarden Festival mittlerweile auf der deutlich großzügigeren Seewiese im hessischen Friedberg statt. Doch auch ohne das einmalige Flair des altertümlichen Gemäuers rund um den Adolfsturm besitzt das kleine aber feine Festival noch seinen Reiz. Das sehen ca. 2000 Besucher ähnlich, die sich das mittlerweile 10. Soundgarden nicht entgehen lassen wollen. So tummeln sich schon ein paar Stunden vor Öffnung der Tore einige Besucher (zum Großteil zwischen 15 und 30) rund um das Festivalgelände und warten brav auf den Einlass.

 

Eine gute halbe Stunde ist das Gelände mit der kleinen Open Air Bühne und der deutlich größeren Zeltbühne geöffnet, als IN HUMAN auf erstgenannter das Programm eröffnen dürfen. Vor der Bühne ist vor allem zu Beginn noch ziemlich wenig los (das typische Los eines Contest-Gewinners), was mit der Zeit nur etwas besser wird. Der minimal angepunkte Poprock der Jungs entpuppt sich relativ schnell als Stangenwaren und reißt bei deutlich zu leisem Sound niemanden so wirklich mit, auch wenn die jungen Musiker einen durchweg sympathischen Eindruck hinterlassen. Das schaffen auch BREITENBACH aus Frankfurt, wenngleich auf merklich selbstsichererem  Niveau und mit mehr Bühnenerfahrung. Der musikalische Mix aus Post Grunge („Waiting“), melancholischem Alternative Rock und einer gewissen Vorliebe für Bands wie die Foo Fighters bringt durchaus Spaß ins Zelt. THE MAD TRIST aus Holland bringen anfangs nur wenig Bewegung in das zurückhaltende Publikum, das mit dem etwas verwaschenen und sperrigen Stoner Rock des Quartetts erstmal wenig anfangen kann. Bis sich dann eines der Festivalcrewmitglieder als Animateur versucht und die Kids vom Wellenbrecher aus zum Mitklatschen auffordert. Als unser Freund mit dem Walky-Talky dann noch vor die Bühne springt und sich zu dem bis dato einsamen Tänzer begibt und ordentlich mitzappelt, scheint das Eis gebrochen zu sein.

 

Da haben die Fuldaer MIGHTY VIBEZ mit ihrem Crossover aus Reggae, Ska und Hip Hop deutlich weniger Anlaufschwierigkeiten und bringen auch ohne Unterstützung aus dem Graben die Leiber zum zucken. Der lässige Sommer-Sound („Fiyah inna Dancehall“) der zehnköpfigen Bande lässt sogar die Metaller und Rocker im Publikum mindestens mit dem Fuß wippen, während ein ordentlicher Mob vor der Bühne darüber hinaus auch hüpft und klatscht. Nur die Frage wer denn im Auditorium auf Hip Hop steht, hätte man sich besser gespart, denn sagen wir es mal so: Die überschwängliche Euphorie schlägt Sänger Michael Mai nicht entgegen. Da es bei diesem einen Fettnäpfchen bleibt, darf dennoch von einem erfolgreichen Auftritt gesprochen werden. Trotzdem stecken ELFMORGEN aus Hanau diese Darbietung im Anschluss derart lässig in die Tasche, dass ausnahmslos jeder, der im akustischen Einzugsgebiet der Bühnen-PA steht hieran seine Freude hat. Einer der Band-Evergreens, „Kleines Universum“, wird gleich als zweites in die Menge geschossen und legt die Mitsinglatte direkt nach ganz oben. Warum diesem Trio so ein relativ undankbarer Startplatz mit nur 30 Minuten Spielzeit (am Ende werden sie doch etwas länger ran dürfen) zugeteilt wurde, erschließt sich nicht wirklich, da sowohl Musiker als auch Fans offensichtlich richtig Bock haben, der Zuschauerzuspruch sehr gut ist und man allseits nur in frohe Gesichter blickt. Egal, denn es wird gepogt, von der Bühne gesprungen, mit den Armen gewunken oder aber aus dem Sitzen in die Höhe gesprungen – Rock-Entertainment erster Kajüte! Da wäre die grundsympathische Selbstironie (Stichwort: „Konsequent hinter’m Trend“) der Band nicht mal nötig gewesen, die aus unerfindlichen Gründen nach wie vor ohne Deal ist, obwohl Spielfreude und ein Händchen für unterhaltsame deutsche Texte seit jeher vor allem live noch immer die Kohlen aus dem Feuer geholt haben. Doch hadern wir nicht mit der Ungerechtigkeit, sondern geben uns ganz dem vorzüglich unterhaltenden deutschsprachigen Punkrock hin, der die Stimmung mit dem unschlagbaren „Oberlippenbart“ auf ein vorläufiges Tageshoch katapultiert. Dem haben JAHCOUSTIX trotz großzügiger Spielzeit auf der Hauptbühne danach nicht all zu viel entgegen zu setzen. Der namensgebende Frontmann mit den langen Dreadlocks kann zwar durchaus einige Fans animieren, muss aber trotzdem hart kämpfen, um seinen guten Startplatz zu rechtfertigen. Sicherlich gibt es deutlich schlimmeres als diesen Mix aus Dance-Hall und Reggae, der Tagesbedarf des Autors ist nach dem Might Vibez für heute allerdings gedeckt.

 


Glänzten mit 80 Minuten Energie: Exilia (klickt auf das Bild, um zur Fotogalerie zu gelangen)
 

Auf einen Mix aus Alternative Rock und Sythies setzten danach WHITE NIGHT, die in der Frankfurter Szene längst keine Unbekannten mehr sind. Fans von jüngeren Apoptygma Berzerk dürfen das Quintett jedenfalls gern im Auge behalten. Seit ihrem letzten Gastspiel in Friedberg (2007) haben 5BUGS aus Berlin noch einmal an Bekanntheit und Souveränität zugelegt und präsentieren zudem ihr im Januar erschienenes neues Album „Best off“. Die stets Melodie-orientierten Songs zwischen Post-Hardcore, Modern Rock und Post-Grunge laufen auch im ersten Anlauf problemlos rein und werden professionell vorgetragen. Alte Hasen an der Livefront sind auch die MONSTERS OF LIEDERMACHING, deren Programm allerdings ganz und gar nicht einstudiert rüberkommt, sondern eher Wortwitz mit Singer-Songwriter, Akustikgitarre, Acapella und einem kleinen bisschen Anarchie kombiniert. Textsichere Anhänger hat man auch dabei, sodass „Punkermädchen“, „Tod in der Nordsee“ und Co. geradewegs zum Selbstläufer werden. Dazwischen und währenddessen tanzt man Sitzpogo und Niveaulimbo und hat mit alten und einigen neuen Fans ordentlich Spaß. Den Zugabenblock werten Andi von Elfmorgen („Oberlippenbart“ die zweite) und Überraschungsgast Götz Widmann auf und am Ende stellt man nicht nur fassungslos fest, dass trotz fieser Wolken und steifer Brisen das Wetter tatsächlich den ganzen Tag gehalten hat und es NICHT geregnet hat, sondern auch dass die eigentliche Spielzeit von 60 Minuten knallhart überzogen wurde. Macht aber nichts, denn als Headliner der kleineren Bühne und auf einem entspannten Event wie dem Soundgarden darf man das schon mal.

 

EXILIA hingegen spielen etwas weniger als die ihnen zur Verfügung gestellten 90 Minuten, rechtfertigen aber auch mit nur 80 durchaus ihren Platz an der Sonne im Line-Up. Mit klarem und wuchtigem Sound wird schon nach dem Opener „Phoenix“ auch dem letzten Besucher klar, dass man zum Finale die härteste Band des diesjährigen Festivals serviert bekommt. „Deleted“ und „Are you breathing“ machen den „My Own Army“-Start perfekt, bevor es mit “Coincidence” die zweite Chartsingle aus dem 2004er Durchbruchalbum “Unleashed” setzt. Ab sofort ist die Zeit der Hits gekommen und es folgen unter anderem „Kill Me“ und „Day in Hell“, dazu fliegen ordentlich die Körper durch den ersten amtlichen  Pit des Festivals, der fast auf Dauerrotation läuft. Ganz klar: Exilia sind live noch mal eine ganz Ecke metallischer als aus der Konserve. Wer zum Ende des regulären Sets noch stehen kann, bekommt noch ein besonderes Schmankerl geboten: Heute covern die Mailänder zur Feier des Tages nämlich das unkaputtbare „Enter Sandman“ von Metallica, was vor allem in Reihen der anwesenden Heavys Freudestrahlen und lautstarkes Mitsingen zur Folge hat. Den Nachschlag besorgen das einfühlsam-gemäßigte „Starseed“ sowie die Bandhymne „Stop playing God“, welche die eigentlich sehr klein gewachsene Sängerin Masha, die aufgrund ihres gleichermaßen rauen wie sicheren Organs auf der Bühne auf die doppelte Größe anzuwachsen scheint, abermals sehr gut meistert, während die Italienerin immer wieder den Haarrotor anwirft, über die Bühne prischt oder auf ihrem Podest kauernd ihre bisweilen pathosreichen Texte ins Zelt ballert. Es sollte übrigens noch erwähnt werden, dass die Band trotz mehrstündiger Verspätung bei der Anreise noch bis knapp 20 Minuten vor der Show geduldige und stets freundlich ihre Autogrammstunde nachgeholt hat. Für diese Fannähe gibt’s noch mal einen Bonuspunkt. Selbige konnten die ehrenamtlichen Veranstalter des Festivals zu genüge einfahren, da das Soundgarden Festival-Team nicht nur Petrus erfolgreich bestochen zu haben scheint, sondern auch mit einem bunt gemischten Programm und fairen Preisen überzeugen konnte. Die entspannte Atmosphäre und das überaus friedliche und feierwütige Publikum lassen da unterm Strich nur ein positives Fazit zu. Da kommt man 2010 gern wieder.


Markus Rutten –
www.sounds2move.de

 

 

Link: www.soundgarden-festival.de

 

 

Setlist Exilia:

 

Phoenix

Deleted

Are you Breathing?
Coincidence

Nobody Excluded

In a Coma

Emptiness of You

Day in Hell

Kill Me

Hunter

Enter Sandmann (Metallica Cover)

...

Starseed

Stop Playing God

 

Setlist Elfmorgen:

 

Es kommt
Kleines Universum

Große Liebe

Junger Mann

Sommer

RRP

Oberlippenbart

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Tag für Tag

Wenn du jetzt gehen willst

Lach mit mir

Mukkerpolizei