Festivalbericht zum Ragnarök 2009


Mitte April fand im fränkischen Lichtenfels zum sechsten Mal das Ragnarök-Festival statt. Auch wenn am Ende immer noch ein positiver Gesamteindruck bleibt, müssen auch ein paar deutliche Worte der Kritik ausgesprochen werden. Hatte ich in meinem letztjährigen Nachbericht geschrieben, dass die Organisation in Sachen Anfahrt, Parken und Camping noch ausbaufähig sei, so hat sich die Situation in diesem Jahr leider noch deutlich verschlechtert. Als anreisender Festivalzuschauer erwartet man eigentlich, von den Hilfskräften dorthin gelotst zu werden, wo man parken/campen kann bzw. soll. Hier jedoch wurde man ausschließlich immer weiter gewunken, weil scheinbar alles voll war. Grundproblem der Parksituation: Sämtliche Wege am Main, die letztes Jahr noch genutzt werden konnten, waren in diesem Jahr gesperrt. Die Folge: Viele mussten auf dem EDEKA-Markt, im Parkhaus oder in den anliegenden Wohngebieten nächtigen. Dass da kein echtes Festival-Feeling aufkommen und es andererseits zu Problemen mit der Bevölkerung kommen kann, ist klar. Sollte den Veranstaltern da keine Lösung mit den örtlichen Behörden gelingen (z. B. Nutzung der Flächen am Main) muss man sich vielleicht doch Gedanken über einen anderen Veranstaltungsort machen. Gänzlich hausgemacht war dann aber das Chaos beim Einlass am Freitag. Tausende Fans standen vor einem viel zu kleinen Einlasszelt ohne jegliche Hinweise, wo die Bändchenausgabe, wo der Einlass (Männer und Frauen getrennt) ist. Die Folge: Man stand ca. eine Stunde im Regen, verpasste die erste Band und wurde dann irgendwann durchgewunken, da man die Sicherheitskontrollen verringerte, um nicht noch mehr Unmut vor dem Eingang aufkommen zu lassen... Positiv erwähnen muss man erneut die gute Stimmung bei fast allen Bands, die fairen Preise, die Location (mit Ausruhtribüne), und dass es in diesem Jahr gelungen ist, die Spielfolge der Bands einzuhalten. Gewundert hat es mich nur, dass etwaige Verspätungen zulasten der Bands (auch der Headliner) gingen. So spielten z. B. Korpiklaani nur 45 (statt 60) Minuten, Melechesh nur 35 (statt 50) Minuten.

 

 

Freitag:

 

Nachdem ich aus oben genannten Gründen FINSTERFORST verpasst hatte, kam ich genau richtig zum Auftritt von KIVIMETSÄN DRUIDI in die Halle. Die verrückten Finnen hatten leider etwas mit dem zu lauten und unsauberen Sound zu kämpfen. Dennoch war die Resonanz auf Songs wie „Blacksmith“ oder „Jäässä Varttunut“ schon recht ansprechend. Zum humppatauglichen „Mustan Valtikan Aika“ gab es dann sogar den ersten Pogo-Pit. Blickfang der Band ist natürlich Sängerin Leeni-Maria, die mit figurbetonter Kleidung und ausdrucksstarken Tänzen zu überzeugen wusste. Ihre Stimme dürfte dagegen wohl nicht Jedermanns Sache gewesen sein. Von ihrem Status her viel zu früh im Billing kamen dann ADORNED BROOD an die Reihe. Leider entwickelte sich der Auftritt der deutschen Pagan-Legende halbwegs zur Enttäuschung. Irgendwo auf dem Weg von Grevenbroich nach Lichtenfels muss wohl Sängerin/Flötistin Ingeborg-Anna von Bord gegangen sein und damit die Seele der Band. Auf gefühlvolle Balladen wie „Erdenkraft“ musste man somit schon mal verzichten. Der Schwerpunkt der Songauswahl lag beim neuen Album „Noor“. „Under Yggdrasil“, „Noor“ oder  “Sons of the Damned” sind zwar beileibe keinen schlechten Songs – und wurden vom Publikum auch abgefeiert – ich hätte aber lieber ein paar mehr alte Klassiker gehört. Von denen wurde leider nur „Wigand“ geboten, dafür die oberpeinliche Coverversion „7 Tage lang“, die man schon fast als Schändung des einst sozialkritisch gemeinten Bots-Titel ansehen muss.

 


Setzten ein erstes kleines Ausrufezeichen: Kivimetsän Druidi (Foto: Ruth Gräbeldinger)


So richtig voll in der Halle wurde es erstmals im Anschluss bei den schottischen Saufnasen ALESTORM, deren Sound man am besten mit Running Wild meets Keyboard bezeichnen kann.
Die Menge tobte zu Songs wie “Over The Seas”, “Captain Morgan's Revenge” oder “Wolves of the Sea”. Bei einem der neu vorgestellten Songs waren sogar partytaugliche Humppa-Einflüsse zu hören. Als absolute Geschmacksverirrung muss ich allerdings das Dieter-Bohlen-Gedächtnis-Keyboard zum Umhängen deklarieren, mit dem Christopher Bowes die Tasten klingen ließ. Der König der Friesen heißt nicht etwa Otto Waalkes sondern „Koning Radboud“. Davon wussten im Anschluss die Niederländer HEIDEVOLK zu singen. Die Band machte einen ausgezeichneten und auch sehr sympathischen Eindruck. Die beiden Sänger – zumeist im Klargesang agierend – verpassten dem hymnischen Pagan-Metal eine ganz besondere Note. Ulkig klingende niederländische Texte über Steinzeitmenschen taten ihr übriges. Definitiv eine der positiven Überraschungen des Festivals. Das kann man von den folgenden WOLFCHANT leider nicht behaupten. Gefielen sie mir im Vorjahr schon nicht besonders, hat sich die Situation durch den vermehrten Einsatz von True-Metal-Elementen nicht gerade verbessert. Michael Seifert und Uwe Lulis von Rebellion verstärkten die Band um Sänger Lokhi auf der Bühne. Auch Festivalveranstalter Ivo Raab gab einen Gastauftritt. Dennoch wollte bei mir der Funke nicht überspringen. Schon gar nicht bei der abschließenden Grave-Digger-Coverversion „The Clans are Marching“. Live eine Bank sind TYR, die seit Jahren ständig auf Tour zu sein scheinen und dennoch regelmäßig neue Alben am Start haben. So gab es heute auch einen Vorgeschmack auf das bald erscheinende „By the Light of the Northern Star“. Mit ihren überwiegend ruhigen Songs sorgen sie für eine etwas andere Atmosphäre. Das heißt natürlich nicht, dass bei Songs wie „Hail to the Hammer“ oder „Regin Smiður“ weniger Fäuste und Hörner nach oben gereckt würden als bei anderen Bands. Für die weiblichen Besucher gab es dann noch den Kettenhemdstriptease von Sänger Heri zu bewundern.

 


Überraschten mit niederländischen Texten: Heidevolk. (Foto: Ruth Gräbeldinger)

Nicht viel anfangen konnte ich mit den folgenden DORNENREICH. Anfangs war der Sound so mies, dass es mich sogar aus der Halle trieb. Später ging es zwar klanglich in Ordnung, änderte aber nichts daran, dass der kopflastige Black Metal und die introvertierte Attitüde der Band nicht mein Fall war. Unumstrittener Headliner (zumindest was das Publikumsinteresse angeht) waren dann KORPIKLAANI. Die Halle war brechend voll, und selbst in den hintersten Ecken wurde noch getanzt und gepogt. Songs wie „Hunting Song“, „Beer, Beer“ und „Happy Little Boozer“ taten ihr Übriges für eine ausgelassene Party. Doch mein persönlicher Headliner folgte erst im Anschluss. MANEGARM aus Schweden stehen seit über zehn Jahren für Black-Pagan-Folk-Metal der Extraklasse. Der in so einem Rahmen natürlich viel zu kurze Auftritt hatte neben den zu erwartenden Hits der letzten beiden Alben „Genom världar nio“ und „Vedergällningens tid“ von „Vargstenen“ sowie „Sigrblot“ und „Hemfärd“ von “Vredens Tid“ auch einige Überraschungen zu bieten. Mit „Nattväsen“ wurde ein Song vom irgendwann in diesem Jahr erscheinenden neuen Album vorgestellt und mit „Utfärd“ präsentierte man erstmals live ein Stück von der Akustikscheibe „Urminnes Hävd“, welches auch ohne den Gesang von Umer seine Wirkung nicht verfehlte. Komplettiert wurde die Setlist von den Dödsfärd-Stücken „Fimbultrollet“ und  „I evig tid“ sowie dem alten Demotrack „Ett gammalt troll“. Überflüssig zu bemerken, dass die noch anwesenden Fans ausrasteten und die Band gehörig abfeierten. Die letzte Band des Abends, FALCHION aus Finnland, hatte danach die undankbare Aufgabe, den Rausschmeißer zu spielen. Mit dem technisch sehr anspruchsvollen, melodischen Death Metal, konnten die Jungs allerdings nicht mehr viel ausrichten. Zum Höflichkeitsapplaus von ca. 100 Restbangern reichte es aber noch.

 

 

Samstag:
 

Etwas schwungvoller ging es am Samstagmorgen los. IRRBLOSS aus Schweden spielten routiniert ihren Black-Pagan-Metal, der auf die Dauer allerdings etwas eintönig wirkte. Deutlich besser machten es ihre Landsleute YGGDRASIL, die mit Keyboard, Klargesang und durchdachteren Songstrukturen wesentlich mehr Abwechslung und Atmosphäre boten. Definitiv eine Band, die man im Auge behalten sollte. Dies gilt auch für die Russen ALKONOST, die einen hervorragenden Auftritt hinlegten. Zwar konnten sie nicht die gleichen Begeisterungsstürme wie im Vorjahr Arkona ernten, was nicht zuletzt auch an der wesentlich ruhigeren, Gothic-Metal-orientierten Musik liegt, dennoch wurde die Band zur Mittagszeit schon ordentlich abgefeiert. Auch bei Alkonost steht eine Sängerin im Mittelpunkt, doch scheint sie das krasse Gegenteil von Masha von den befreundeten Arkona zu sein. Die zierliche und recht unscheinbare Alena bewegt sich auf der Bühne kaum und unterlegt ihren Gesang mit einem gleichbleibend stoischen aber freundlichen Gesichtsausdruck. Umso unglaublicher ist, was da für eine kraftvolle Opernstimme aus ihrer Kehle kommt. Sicherlich nicht Jedermanns Sache, aber technisch einwandfrei – wie der gesamte Auftritt von einem glasklaren Sound unterstützt – vorgetragen. Für mich eines der Highlights des Festivals.

 

Da ich danach kurz pausierte, bekam ich von ANDRAS nur den Schluss mit: eine Cover-Version von Grave Diggers „Heavy Metal Breakdown“. Zwar ist das Anliegen, die Metal-Wurzeln damit ehren zu wollen, lobenswert, andererseits stellt sich die Frage ob angesichts der kurzen Spielzeit bei einer Band wie Andras, mit mehreren Alben in der Hinterhand, so eine Aktion für die Fans sinnvoll ist. Wesentlich unmetallischer ging es im Anschluss bei FEJD zu. Schwedische Folklore auf diversen authentischen Instrumenten wurde geboten. Eigentlich ist das genau die Musik, die mir Spaß macht, und die Band ist beileibe auch nicht schlecht, aber irgendwie war mal wieder der Sound der Lautstärke nicht gewachsen, weswegen ich mich in die hinteren Reihen verzog. Auf Windirs Spuren wandeln COR SCORPII, die mir mit ihrem melodischen, keyboardlastigen Black Metal eher gefallen haben, als im Vorjahr Vreid, die ebenfalls aus der Valfar-Band hervorgegangen sind. Echte Begeisterung lösten sie in mir aber auch nicht aus. Das schafften schon eher im Anschluss METSATÖLL aus Estland, die ebenso wie Fejd auch ein paar echte Folk-Instrumente mit am Start hatten. Außerdem konnten die Balten mit mehrstimmigen Acapella-Gesängen aufwarten. Insgesamt ein stimmiger Auftritt, auch wenn es mir bisweilen ein wenig zu ruhig rüber kam. Bei den wenigen Gewaltausbrüchen war dann allerdings immer ein extrem harter Pogo im Gange, den ich bezüglich der Musik auch etwas unpassend fand. Als Geheimtipp werden FJOERGYN gehandelt, und für mich bleibt es ein Geheimnis, was an dieser Band so toll sein soll. Insbesondere der Klargesang, der mich eher an Hamburger Schule oder Sportfreunde Stiller als an Metal erinnert, geht überhaupt nicht. Zudem wurde der Auftritt noch durch eine sinnlos in die Länge gezogene Verlosungsaktion (warum müssen X Namen von Methorn-Gewinnern genannt werden, wenn diese sowieso per E-Mail benachrichtigt werden?) zerrissen.

 

Kompromisslos hart zeigten sich im Anschluss DARK FORTRESS. Die bayerischen Black Metaller haben zwar auch ein Keyboard mit im Aufgebot, doch sollte man sich davon nicht täuschen lassen. 45 Minuten lang gab es hier voll auf die Zwölf. Auch eher was für Puristen, allerdings mit mehr Thrash Metal-Einflüssen, boten im Anschluss MELECHESH. Die Exil-Israelis konnten mich allerdings mit ihrem Sound, an dem ich ein wenig die versprochenen orientalischen Einflüsse vermisst habe, nicht von der Tribüne nach unten bewegen. Dann steuerte das Festival seinem Höhepunkt entgegen. Spätestens mit ihrem neuen Album „Hels Vite“ haben es die Schweden THYRFING geschafft, in die erste Riege der Viking-Metal-Bands aufgenommen zu werden. Mit „En Sista Litania”, “Från Stormens Öga” und “Griftefrid” kamen auch drei Stücke davon zum Einsatz, die untermauerten, dass die Band atmosphärisch-hymnisch live genauso gut kommt wie mit ihren Stimmungshits wie „Ur askan ett rike“ vom Debüt oder „Storms of Asgard“ von „Valdr Galga“. Erstaunlicherweise wurde das 2002er Album „Vansinnesvisor“ gleich mit drei Songs bedacht („The Voyager“, „Kaos Aterkomst“ und „Digerdöden“) während von „Farsotstider“ (2005) nur „Far at Helvete“ gespielt wurde. Den trotzdem sehr guten Auftritt beendete „Mjölnir“ vom „Urkraft“-Album.

Danach wurde erst einmal die Erwartungshaltung ins Unermessliche geschraubt. Als einzige Band des Festivals ließen EINHERJER einen schwarzen Vorhang herunter, um die Umbauarbeiten zu verbergen. Was konnte man da erwarten? Ein Wikingerdorf? Ein Schiff? Oder wenigstens ein paar spärlich bekleidete Pleasureslaves? Nichts von alledem! Das Ganze war wohl nur dazu gedacht, noch mehr Spannung auf den ersten Auftritt der Norweger nach langer Abstinenz zu lenken. Zum Glück konnte die Band diese peinliche Nummer mit einem erstklassigen Auftritt wieder wett machen. Mit “Einherjermarsjen” und “Hammar Haus” vom aktuellen Album “Blot” stiegen die Mannen um Frode Glesnes in ein Set ein, das eigentlich kaum Wünsche offen ließ. Der Sound war druckvoll, die Gitarre vielleicht etwas zu dominant. Doch den Stücken wie „Dreamstorm“ oder „Ballad of the Sword“ vom Debüt, sowie „Crimson Rain“ von „Norwegian Native Art“ oder „Naar hammeren heves“ von der „Leve Vikingånden“ EP (später veröffentlicht auf der „Far far North“ EP) schadete dies kaum. Auch das „Aurora Borealis“ Demo kam mit "Det sorte soers Land" zu Ehren. Ausgespart wurde eigentlich nur das etwas arg dudelige „Odin owns ye all“ Album. Das furiose Finale eines grandiosen Auftritts stellte dann natürlich „Dragons of the North“ dar, gefolgt vom Blot-Doppel „Berserkergang“ und „Ironbound“. Als Zugabe gab es das unvermeidliche Far Far North obendrauf. Willkommen zurück Einherjer!


Die Avantgarde Metaller Dornenreich waren einer der Exoten im typisch Folk / Pagan-dominierten Billing. (Foto: Wolfgang Kühnle)

 

Was konnte danach noch kommen? Natürlich: Der Sensemann betrat die Bühne – und zwar in gestalt von DRAUGNIM-Frontmann Mikko Häkkinen. Die finnische Nachwuchshoffnung konnte mit ihrem atmosphärischen, überwiegend ruhigen Black Metal allerdings nicht mehr all zu viele Fans vor die Bühne bringen. Ich selbst machte mich dann auch auf den Nachhauseweg, womit die abschließende Band SARKOM leider ohne mein Urteil leben muss.

 

Ich bin gespannt, wie es mit dem Festival weiter geht.

 

Alexander Dontscheff – www.sounds2move.de