Festivalbericht zum Elements Of Rock 2009

 

„Lieber spät als nie!“, muss man sich als Leser dieser Zeilen denken. Das Elements of Rock fand dieses Jahr Ende Mai statt, leider fiel es uns schwer, den Bericht frühzeitig rauszuhauen, resp. es gelang uns nicht (ich schenke mir jetzt das Klischee mit den "looongsomen" Schweizer ;-), MR). Wie auch immer, das Festival ist und bleibt ein Schmuckstück unter seinesgleichen und hat in der verstrichenen Zeitdauer nichts von seinem Glanz verloren - deshalb hier nun unsere Eindrücke.

 

 

Freitag

 

Eine „kleine Überraschung“ eröffnete am Freitag, 22. Mai, den ersten Konzerttag. Die Schwedin Magdalena Martinsson gab auf der Bühne eine Darbietung in „spirituell-gothischem“ Bauchtanz. Das „spirituell“ mochte für die Tänzerin selber gelten, die Zuschauenden hingegen konnten sich in erster Linie an der, nicht zuletzt auch erotischen, audio-visuellen Ästhetik des Auftrittes erfreuen. Richtige Konzertstimmung kam dann verständlicherweise erst mit der ersten Band des Abends, DISOBEDIENCE, auf. Und genau diese Stimmung war das aussergewöhnliche an diesem Gig. Die Schweizer genossen ein Heimspiel, und das äußerte sich in einer mitreißenden Stimmung, die für einen Opening Act bemerkenswert war. Vor der Bühne bildete sich schon bald ein mindestens fünf Meter breites Meer von Headbangern. Da auch die Band selbst einiges aktiver und technisch überzeugender auftrat als noch beim Gig in Bubikon, gab diese Darbietung dem Festival einen wunderbaren Auftakt. Danach wurde es mit DIVIDING LINE, ebenfalls Schweizer, nach dem Bauchtanz schon zum zweiten Mal gothisch. Nach dem aufregenden Start war jetzt etwas Erholung angesagt. Der Stadthofsaal war zu so früher Stunde schon erstaunlich gut gefüllt, und die meisten blieben auch gleich. Das gothische Quintett lohnte es der Menge mit einem technisch absolut beeindruckenden Auftritt. Gitarrero Bruno Driutti zeigte ein paar ganz starke Soli und Sänger Reto Frischknecht war sowieso über alle Zweifel erhaben. Und so wurde auch dieser ruhige Auftritt vom Publikum wohlwollend aufgenommen und nach den Liedern mit frenetischem Applaus bedacht. Die selbst geschriebenen Gedichte allerdings, die Frischknecht hier und da zwischen den Songs gefühlvoll und ausdrucksstark vortrug, wurden stets von lautem Geschwatz „untermalt“. 

 

Mit den deutschen Todesmetallern RIFT stürmte dann ein alter Bekannter die Bühne. Für die Band war es zwar das EoR-Debüt, doch Sänger Claudio Enzler spielte nun immerhin schon zum vierten Mal in Uster auf (Nach zwei Gigs mit Sacrificium und einem mit Thy Bleeding Skies). Der „Lokalmatador“ sorgte wie gewohnt für viel Bewegung auf der Bühne (im Gegensatz zu seinen Mitstreitern), wirkte jedoch ab und an etwas unmotiviert. Vielleicht lag dies nicht zuletzt daran, dass die Meute vor der Bühne machte, was sie wollte. Claudio riet aus gesundheitstechnischen Gründen von einer Wall of Death ab, das Publikum kümmerte sich aber nicht groß drum und murkste auf eigene Faust etwas hin. Mir zumindest ging auch das ewige Stagediving auf die Nerven. Die Ausfälle beim Gesang (vor allem bei den hohen Screams) sorgten für noch mehr Unmut. Ob es an Claudio oder an der Abmischung lag? Auf jeden Fall wurde es im Verlauf des Gigs nur minimal besser. Die langsame Spielweise der Band (einiges langsamer und ruhiger als Sacrificium) und das nicht gerade einprägsame Songmaterial (weniger Eingängiges als bei Thy Bleeding Skies) sorgten dafür, dass der Gig arg in die Länge gezogen wirkte. Für eine tüchtige Portion Heavy Metal und eines meiner Highlights des Abends sorgten die Slowaken VINDEX. Die Mannen um Charismat Ludek Struhar waren nicht nur eine sympathische Erscheinung, sondern auch noch technisch schlichtweg überragend. Aus dem starken Kollektiv ragte einer besonders heraus: Filip Koluš, einer der beiden Gitarristen. Mit einem richtig langen und vielen kürzeren Soli sorgte er für freudig staunende Gesichter und entfesselten Applaus. Und die Slowaken huldigten sogar noch ihren großen Genre-Vorbildern. Frontmann Struhar sieht nämlich nicht nur aus wie ein zu glorreichen British Steel-Zeiten kryogenisch konservierter und nun wieder aufgetauter Rob Halford, nein, die Band gab sogar noch zwei Judas Priest-Cover zum besten, mit „Breaking The Law“ und „United“ bezeichnenderweise beide von oben genanntem Klassiker-Album von 1980. Beim hymnischen „United“ gab Struhar den versammelten Metalheads die Möglichkeit zum ausgedehnten Mitsingen bzw. -grölen, wovon eher wenige (natürlich u.a. der Verfasser dieser Zeilen) Gebrauch machten. War die Menge gerade nicht zum Singen aufgelegt? Kannten sie den (einfachen) Refrain nicht genug? Oder waren gleich zwei Priest-Cover einfach zu viel Blasphemie für ein christlich ausgerichtetes Festival?

 

Werfe ich einen Blick in meine Notizen, so finde ich unter INEVITABLE END lediglich ein Wort: „wild“. Auch wenn dies die treffende Beschreibung dieses Gigs sein mag, will ich euch natürlich nicht so billig abspeisen. Weitere Adjektive, die einen Eindruck von dieser starken Show vermitteln mögen: Schnell, brutal, ungestüm, technisch einwandfrei. Die Schweden brachten mit ihrem brachialen Todesblei so viel Bewegung auf die Bühne wie noch nie an diesem Abend, allen voran der wirblige Gitarrist Marcus Bertilsson.

Sie gehörten zu den großen Gewinnern und Zuschauerlieblingen am EoR 07. Das Festival-OK erhörte die Schreie der Fans, brach für einmal die Dreijahresregel und lud sie zum zweiten Mal ein. Die Rede ist von der polnischen Gothic Metal-Kapelle ILLUMINANDI. Die sechs Mann und eine Frau starke Band zog enorm viel Volk in die Halle, sorgte wohl gar für den Besucherrekord des Abends. Nicht wenige werden sich den 2007-Gig in Erinnerung gerufen haben. Dass viele nach einem Weilchen schon wieder das Weite suchten, lag wohl einerseits an der mittlerweile schon recht fortgeschrittenen Stunde, andererseits sicher auch daran, dass das Konzert in die Länge gezogen wirkte. Dafür gab's aber auch ein paar neue Songs zu hören.

 

An diesem ersten Konzertabend nahmen es gleich ein paar Bands nicht so ganz genau mit den Zeitvorgaben. Abgesehen von den Gigs von Illuminandi und vor allem Rift, die etwas gar langfädig waren, störte mich das grundsätzlich nicht, aber es war sicher mit ein Hauptgrund dafür, dass der Schlussact MISERATION nur noch vor dem „harten Kern“ der Festivalbesucher abrockte. Als die schwedische Todesblei-Formation die Bretter enterte, war zwei Uhr nämlich schon durch. Der kahl geschorene Frontmann Christian Älvestam, ein wahres Tier von Mann, sorgte dafür, dass wenigstens noch die paar Verbliebenen ihre Hinterteile in Reih und Glied vor die Bühne brachten. Der stämmige Nordmann wäre in der Wortwahl weniger zimperlich als ich, verteilte er doch schon vor dem ersten Lied Befehle im Stile eines US Marine Officers: „Wir werden nicht zu spielen beginnen, ehe nicht ALLE hier vor der Bühne sind! Kommt schon, bewegt eure Ärsche, auch die dort hinten!“. Etwas später ließ er verlauten: „Ach, ihr seid alle müde, gebt's doch zu! Aber Schlafen ist was für verdammte Luschen, richtig? Richtig?!“ Die Anweisungen von Captain Älvestam verfehlten ihr Ziel nicht, die paar Hartgesottenen bangten sich noch einmal die Müdigkeit aus den Knochen. Drummer Rolf Pilve machte seinem Spitznamen „Stuka“ alle Ehre und feuerte ein paar zerstörerische Blasts ab, was prompt Moshpits nach sich zog. Und so bereitete das nordische Quintett mit seinem schnellen, technisch einwandfreien Schwedentod dem Abend einen ebenso heftigen wie würdigen Ausklang. Und nun gebe ich an meinen Kollegen ab, denn am Samstag widmete ich mich eingehend  gepflegtem Haareschütteln und holdem Gerstensaft. (rh)

 

 

 

Samstag 

 

Ja, sehr richtig, vielen Dank. Dieser Kollege durfte im Gegenzug freitags über die Stränge schlagen, haha! Nun, wie auch immer. Samstags fand sich die Meute um 16 Uhr langsam vor dem Stadthofsaal ein und wurde um halb fünf in die dunkle Grotte gelassen. In den Genuss der etwas zwiespältigen Ehre als Opener kamen die noch sehr jungen Belgier von BLOOD DRIFT. In Folge von Krankheit war die Gitarrenfraktion unterbesetzt, trotzdem rockten die vier Spunde bereits zu früher Stunde wie Sau. Obwohl dem einen oder anderen Zuschauer noch deutlich die durchzechte Nacht im Gesichte stand, bildete sich zum treibenden Todesblei für die ganz Motivierten schnell ein Moshpit; Sänger Matt schmiss sich kurzerhand mittenrein, drehte die eine oder andere handgreifliche Runde und warf sich, pünktlich zu Gesangspart, zurück auf die Bretter, nur um dort seinerseits das Drumset seines Kollegen zu bearbeiten. Sowas wird gerne gesehen: Frühe Stunde, auf der Bühne Herzblut und im Publikum genügend fitte Geister, um entsprechend zu handeln!

 

Nach guten 40 Minuten war das erste Set zu Ende, die Belgier räumten das Schlachtfeld und überließen den Krieg den Norwegern MORGENROEDE. Norwegen? Vielleicht Black Metal? Richtig. Und zwar, welch Wunder, ganz ausgezeichneten, wie sich bald herausstellte. Den Schreihals mimte niemand Geringeres als der Ex-Sänger der mittlerweile (zum großen Bedauern des Publikums, dazu gleich mehr) aufgelösten, kontrovers diskutierten christlichen Black Metal Band Antestor. Die Vocals gelangen dementsprechend beeindruckend, sowieso, die Truppe wirkte, obwohl sie wohl noch nicht viele Jahre und Gigs gesehen haben dürfte, erstaunlich routiniert. Natürlich besteht noch Potential, aber auch dem BM-Fremden dürfte unschwer aufgefallen sein, dass mit diesem Auftritt eine mehr als solide Basis gelegt wurde bzw. vorhanden war. Das Publikum zog wieder erfreulich mit, die Halle hatte sich bereits bei diesem zweiten Gig fast zur Gänze gefüllt. Als dann „Antestor!“-Rufe laut wurden, gestikulierte Sänger Ronny Hansen kurz, warf dann ein „It’s a new era!“ in die Runde und folgte weiter souverän dem Konzept. Und Recht hatte er! Die wiederum 40 Minuten waren abwechslungsreich, die sechs Musiker auf der Bühne waren mit Elan bei der Sache, das Publikum begeistert an ihrer Seite – einziger Wermutstropfen: Obwohl lautstark gefordert, wurde keine Zugabe geliefert. Mit DARK SKY folgte ein Stil-, nein, Umbruch, wie er deutlicher nicht hätte sein können: Auf harten Black Metal folgte melodiöser, eingängiger Melodic Metal/Hard Rock. Das Publikum nahm’s hin. Zu Recht, die fünf Mannen mit und um Sänger Frank Breuninger zeigten ein interessantes Set und waren mit Begeisterung bei der Sache, dass es eine Freude war. Der anfänglich fast leere Konzertsaal füllte sich nach und nach, schlussendlich feierten hartgesottene Hard Rocker neben knapp dem Hardcore entwachsenen Jugendlichen (‘tschuldigung, konnte ich mir nicht verkneifen, hehe) die Baden-Württemberger ab. Es gab passende und versierte Soli, zum Mitjohlen animierende Choräle und gute Publikumsinteraktionen. Meine Vorbehalte mussten recht bald Respekt weichen, die beinahe 30 Jahre alte Band wusste zu überzeugen. Nach einer Zugabe überliessen die sympathischen Teutonen den Mit-Headlinern THEOCRACY die Show.

 

Kurz nach 20 Uhr kam dann, was von vielen heiß erwartet wurde. Die Amerikaner mit ihrem progressiv angehauchten Power Metal um Sänger/Gitarrist Matt Smith enterten die Planken und wurden mit frenetischem Gejubel begrüßt, ohne erst nur einen Finger gerührt zu haben. Die Halle war voll, und zwar von Beginn bis zum Schluss des etwas über eine Stunde dauernden Gigs. Die einmal mehr überaus eingängigen Melodien rissen das (zu einem großen Teil sehr junge und textsichere) Publikum in seinen Bann, auf der Bühne herrschte Bewegung, welche sich flugs auf die Konzertbesucher übertrug. Mit Gehüpfe, Gebange und, für mich etwas befremdlich, Gemoshe, wurde THEOCRACY gehuldigt. Zugegeben, mich als eine nicht wirklich dem Power Metal frönende Seele verschlug es nach den ersten paar Minuten in den hinteren Teil der Halle, wobei ich zeitgleich ein kühles Helles genießen und die Verhaltensmuster der teils überaktiven Zuschauer begutachten konnte. So verließen nach diesem Rundumschlag an Melodien und Klargesang zahlreiche verschwitzte, glücklich grinsende Gesichter den Stadthofsaal.

Nach einer etwas längeren Pause klang es deutlich old-schooliger aus den Verstärkern. Mit SEVENTH ANGEL feierte eine alt gediente, britische Thrash-Formation ihre Reunion. Ich persönlich war auf diese Show sehr gespannt und wurde mehr als positiv überrascht. Wiederum füllte sich die Halle weitestgehend, wobei ein deutlicher Wechsel im Publikum ins Auge fiel – viele Junge mussten sich wohl vom Power der Vorgruppe erholen und überließen dem etwas ält… äh, reiferen Publikum die Runde. Die einprägsamen Riffs, die erfahren gelungenen Growls und die sowieso durchweg gelungene Instrumentalisierung dürfte für manchen Besucher ein, wenn nicht DAS Highlight des diesjährigen Elements Of Rock gewesen sein. Ganz nebenbei erweckten die Thrasher Lust auf das noch in diesem Jahr erscheinende Album.

 

Um gut halb zwölf wurde es Zeit für CAGE. Die opulenten Bühnenelemente ließen keinen Zweifel daran, dass hierbei der Headliner des Abends auf der Bühne stehen musste. Nun, während mir das Gehabe um die Power Metaller und selbsternannten Drachentöter aus den Staaten gleich von Beginn an etwas auf den Wecker ging, fand sich der Saal sehr schnell sehr voll wieder und schien meine Meinung nicht ansatzweise teilen zu wollen. Zu bester Zeit schallten an diesem Samstagabend heroisch freudige Melodien und Weisen von der Bühne, technisch einwandfrei und durchweg professionell präsentiert. Sänger Sean Peck lief in dickem schwarzen Mantel auf und hielt ausgesprochen lange in der gewaltigen Hitze durch – verschwand dann kurz hinter einem Bühnenelement, nur um in einer Lederjacke wieder aufzukreuzen. Die Show war mächtig, wie ich neidlos eingestehen muss. Und trotzdem konnte ich den Klischees, welche in geballter Form auf die Zuschauerränge niederprasselten, nicht viel abgewinnen und begnügte mich damit, die Routine und das ausgeprägte Selbstbewusstsein sowie die gelegentlichen astreinen Soli zu bewundern. Nach gut anderthalb Stunden verließ ich den überhitzten Stadthofsaal mit eher kritischer Mine. Den Schluss-Act bildete eine Formation, welche mir dann schon deutlich besser in den (zugegebenermaßen etwas engen) Kragen passte. Der Black Metal tobte ein finales, vernichtendes und abschliessendes Mal durch Uster. Diesmal allerdings weniger melodiös als an diesem Abend auch schon gesehen, nein, SHADOWS OF PARAGON gingen ihr Handwerk noch eine breite Spur vernichtender und roher an. Richtig so! Nur leider wurde der Musik- und Showgenuss durch die zahlreichen technischen Probleme getrübt, mit welchen die Schweden anfangs zu kämpfen hatten. Als aber alles lief, schienen Dämonen (oder doch eher etwas, äh, unwirsche Engel?) entfesselt und Gebirge versetzt zu werden, zumindest auf mich und den Rest der an Front stehenden Meute erwirkte der markige Sound eine überaus belebende Wirkung. Die praktizierte Musik traf allerdings nicht jedermanns Geschmack, wozu sich die Müdigkeit gesellte und für eine etwas rarere Besetzung der Ränge sorgte. Die Truppe INFERNALE (mit in eine blutverschmierte Zwangskutte gehülltem Fronter) durfte dem kleinen aber mehr als feinen Festival einen würdigen Abschluss geben.

 

An dieser Stelle gilt dem OK-Team unser herzlicher Dank. Die Organisation sowie die Auswahl der Acts waren einmal mehr sehr gelungen. Auf ein nächstes Jahr! (mk)

 

Richard Hänzi & Micha Käser – www.sounds2move.de

 

 

Link: www.elementsofrock.com