Wacken Open Air – Festivalbericht 2008

 

Das erste August-Wochenende. Wacken-Zeit. Unbestritten ist das einstige „Dorffest mit lauter Musik“ mittlerweile längst im (Metal-) Mainstream angelangt und zieht jährlich zehntausende Besucher in die norddeutsche Provinz. 2008 ist man abermals ausverkauft und spricht offiziell konstant von 75.000, während das öffentliche Fernesehen und ein Teil der Klatschpresse – ebenfalls anwesend – gern auch von 100.000 sprechen. Von diesen 75.000 Menschen (wir halten uns einfach mal an die Zahlen der Veranstalter) beschwert sich im Verlauf der kommenden drei Festivaltage garantiert weit über die Hälfte darüber, dass das Gelände überbucht sei, man zu viele Karten verkauft haben und es generell zu voll gewesen wäre. Abgesehen davon, dass jeder weiß was ihn in Wacken seit Jahren erwartet, muss man die Veranstalter allerdings bezüglicher solcher Vorwürfe ein wenig in Schutz nehmen. Denn wenn man als erwachsener Mensch auf das Gelände kommt und sofort kerzengerade vor den beiden großen Bühnen stehen bleibt, dann ist es kein Wunder, dass sich in diesem Bereich schnell die Körper stapeln. Hätte man sich etwas großzügiger zu den Seiten hin verteilt, man hätte wesentlich entspannter und freier die Auftritt genießen können. Auch ein Rückstau bis zum ersten Zeltplatz vor dem Auftritt des Donnerstagsheadliners Iron Maiden hätte sich verhindern lassen, hätte ein Teil der Besucherschar den zweiten Eingang gegenüber der Party Stage mitgenutzt. Vielleicht wäre es auch hilfreich gewesen früher als 20 Min. vor Showbeginn auf dem Gelände zu sein. Dass die Hereinströmenden dann auch noch mit den Abwanderern nach der Leaves’ Eyes Show auf der Partybühne kollidierten, was wohl nur knapp an einer Massenpanik vorbeischrammte, ist ein deutliche Indiz dafür, dass im Folgejahr noch deutlicher auf den zweiten Eingang hingewiesen werden muss. Vielleicht sollte man sich auch den an anderer Stelle bereits geäußerten Vorschlag einiger Besucher den die hochfrequentierte Stelle noch mehr verengenden „Merch-Würfel“ an anderer Stelle zu platzieren zu Herzen nehmen. Doch soviel fürs erste zum Rahmen, steigen wir direkt ins musikalische Geschehen ein! (mr)

 

 

Donnerstag, 31.07.

 

Aufgrund der enormen Bühnenproduktion des Headliners bleibt die True Stage bis auf weiteres eisern jungfräulich (5 Euro in die Schlechtes-Wortspiel-Kasse), während die reifen Damen von GIRLSCHOOL (Black Stage) und die Hardrocker MUSTASCH (Party Stage) mit den ersten Riffs locken. Aufgrund des erwartungsgemäß neugierigen Publikums können sich beide Bands bereits über ordentlichen Zuspruch freuen. Mit NASHVILLE PUSSY geht es dann auf der dritten Open Air Bühne mit laszivem Schweinerock weiter, bevor im Zelt die erste Nicht-Metal-Battle-Band auflaufen darf. Oder genauer gesagt auftrumpfen darf! Denn CONCEPT INSOMNIA aus Altenstadt erwarten eigentlich nichts und bekommen dafür aber verdammt viel. Die Modern Metaller – bis dato noch ohne Deal – werden super aufgenommen, viele Häupter im zur Hälfte gefüllten Zelt kreisen zu den druckvollen, bisweilen progressiven, aber stets melodischen Kompositionen und auch die Band präsentiert sich tight und engagiert. Die 30-minütige Spielzeit scheint geradezu zu verfliegen, bevor die Band viele neue Fans zurück lassen muss. Eine wunderbar unverkrampfte, natürliche und unverbrauchte Band. Im Auge behalten!

 

AIRBOURNE sind da schon einen Schritt weiter. Das Tauziehen um die AC/DC-Fans hat jüngst Roadrunner Records für sich entschieden, die mit den Australiern noch Großes vor haben. Und dieser Plan könnte aufgehen, denn das Quartett um Hobbit-Lookalike Joel O’ Keeffe musiziert zwar ausnahmslos innovationsbefreit, dafür aber mit einem guten Händchen für schmissigen Pub-Rock. Da gerät der Standard-Opener „Stand up for Rock N Roll“ natürlich direkt zum Leitspruch des mit einer vollen Stunde großzügig bemessenen Auftritts. Großzügig sind auch LEAVES’ EYES an diesem Abend, die mit „Through our Veins“ direkt mal ein brandneues Stück Musik vom 2009 folgenden Album im Gepäck haben, um ihrem einzigen deutschen Festivalauftritt in diesem Jahr den entsprechenden Rahmen zu verleihen. Wobei... der ist sowieso schon pompös, denn Liv Kristine und ihre schwäbischen Wikinger haben nur für diese Show ihr wuchtiges Drachenboot von der DVD-Show im letzten Herbst nach Wacken karren lassen und zudem auch das eine oder andere pyrotechnische Bonbon im Gepäck. Leider ist es für die gut gemeinte Lichtshow während des kompletten Auftritts schlicht und ergreifend noch zu hell, sodass man die gewollte Wirkung von Funkenregen und Glitzerkanone nur erahnen kann. Im Gegensatz dazu kommen die Ohren zum Glück nicht zu kurz, da es mit „Temptation“, „Solemn Sea“, „Ocean’s Way“, „Elegy“ und „Legend Land“ im Minutentakt Hits hagelt. Nur auf das vernachlässigte „Heal“, den Bonustrack des zweiten Albums „Vinland Saga“, wartet der Autor vergebens. Getaugt hat es auch ohne – gewohnt reife Leistung. Nach diesem Schmaus geht die Stimmung erst mal rapide bergab, denn der eingangs erwähnte Übergang gen True Stage gerät zum Spießrutenlauf, da Tausende aneinander vorbei wollen, über weite Strecken aber einfach nicht können. Nicht wenigen an- bzw. abwandernden Fans wird es in dieser Situation flau im Magen und es fließen gar vereinzelte Tränen hier und da. Man kann von Glück sagen, dass es hier nicht zur Massenpanik gekommen ist. Solche Geschehnisse müssten 2009 unbedingt (!!!) verhindert werden.

 

Der Grund für soviel Chaos und bisweilen rücksichtslose, aggressive Vorstöße einiger Hohlköpfe sind übrigens IRON MAIDEN. Ihnen gehört heute die True Stage ganz allein und schon das Charisma eines Bruce Dickinson scheint die gigantische Bühne füllen zu können. Nach Ablauf dieses nicht ganz zweistündigen Auftritts werden viele Zuschauer von einer gewissen Magie sprechen, die in der Luft gelegen haben soll und womöglich haben sie sogar recht. Denn das Wacken Open Air empfängt die Eisener Jungfrau wie die Gläubigen ihren Messias, um dann in ekstatische Euphorie zu verfallen, die aus jedem der dargebotenen Songs einen kleinen Triumphzug macht. Selbst wenn sich etwa das epische und dennoch über jeden Zweifel erhabene „Rime of the Ancient Mariner“ nicht als Volle-Pulle-Party-Nummer eignet, so sind es doch die anderen, fast schon in einer lapidaren Dichte präsentierten Evergreens, die aus 75.000 Lungen geschmettert werden, was einen großen Teil dieser Gänsehautstimmung ausmacht. Während die Saitenfraktion über die Bretter fegt, hat Onkel Bruce natürlich die eine oder andere (ausladende) Anekdote zu bieten, wenn er sich etwa an die  Kirchengänger im Publikum wendet, eisige Stille erntet und dann grinsend anmerkt, dass die Band selbst oft und gern des Abends die Bibel aufschlägt – „in irgendeiner Kneipe“. Einige Lacher und natürlich massig Hits später ist die Messe dann auch schon gelesen, nachdem die letzten Noten von „Hallowed be thy Name“ verklungen sind. Die Veranstalter können sich nach dem unschönen Chaos vor dem Auftritt keine 3 Stunden später entspannt zurücklehnen, denn mit der Wahl des Headliners haben sie schlicht und ergreifend alles richtig gemacht. Gute Nacht! (mr)

 

 

Freitag, 01.08.

 

Der Freitag beginnt erst einmal mit einem organisatorischen Fauxpas. Während Grave und Primordial schon spielten, ist der Durchgang vom Backstage Campingplatz zum Festival-Gelände immer noch geschlossen, sodass es Presse, Musikern und VIPs erst mit einiger Verspätung vergönnt ist, am allgemeinen Treiben teilzunehmen. Da die von mir favorisierten PRIMORDIAL auf der weit entfernten Party Stage spielen, verpasse ich die ersten zehn Minuten. Trotz der frühen Stunde ist es vor der Bühne schon brechend voll und die Iren werden gebührend abgefeiert. Zwar ist gleißendes Sonnenlicht nicht unbedingt die beste Untermalung für die düsteren Hits der Marke „The Coffin Ships“ oder „Heathen Tribes“, doch gelingt es dem mal wieder kalkweiß geschminkten Sänger Alan ordentlich Bewegung in die Menge zu bringen. Danach gib es eine Oldschool-Granate, die sich gewaschen hat. MORTAL SIN aus Australien zeigen, dass sie auch nach über 20 Jahren Szenezugehörigkeit noch nichts verlernt haben. Ihr Thrash-Metal – irgendwo zwischen alten Metallica und Overkill – bringt bei Alt und Jung die Nackenmuskulatur in Schwung. Und da ist es fast egal, ob alte Klassiker wie „Blood, Death, Hatred“, „Lebanon“ oder „Mayhemic Destruction“ gespielt werden oder neuere Stücke vom 2007er Comeback-Album „An Absence of Faith“. Was ist eigentlich Deathcore? Diese Frage will ich beim anschließenden JOB FOR A COWBOY-Gig geklärt wissen. Wenn die Jungs aus Amiland stellvertretend für diese neue Spielrichtung stehen, lautet mein ernüchterndes Fazit jedenfalls: nix Spektakuläres. Der Sound hat zwar ordentlich Wumms und die Musiker sahen auch erfreulich metal-kompatibel aus, aber irgendwie fehlt mir bei der Musik die Seele. Petrus sieht es wohl ähnlich und öffnet erstmals in dieser Wacken-Woche die himmlischen Schleusen. (ad)

 


Old-School-Alarm: Mortal Sin lassen die 80er hochleben.

Darunter leiden auch die Feinschmecker vor der Partybühne, die erfolgreich dem Gerumpel der Viehtreiber auf der Black Stage entsagt haben. CYNIC sind eine echte Liebhaberband, denn wer seine Lieblingsbands aus den (Metal-)Massenmedien rekrutiert, der dürfte noch nie etwas von der Truppe aus Florida gehört haben, denn die letzte (und bisher einzige) Scheibe der Prog Deather stammt aus dem Jahre 1994. Richtig gelesen, „Focus“ ist das einzige Album in der 20-jährigen Bandgeschichte. Trotzdem ist eine angesichts der Umstände stattliche Anzahl Eingeweihter vor der Bühne, um den vertrackten Klängen der US-Boys zu huldigen. Großes Bühnenentertainment darf man hier allerdings nicht erwarten, denn besonders groß ist der Bewegungsradius der höflichen Herren nicht. Muss er aber auch nicht, denn „Veil of Maya“, „How could I“ und die Vorboten des zweites Albums, darunter das mittlerweile mehrfach live-erprobte „Evolutionary Sleeper“ sind auch so erstklassige Unterhaltung. Die Knüppeljugend verzichtet unterdessen und wartet lieber auf UNEARTH, welche die nächste Metalcore-Salve über die grüne Wiese jagen. (mr) Anschließend gibt ENSIFERUM-Sänger Petri Lindroos zunächst freimütig zu, das schlechte Wetter aus Finnland mitgebracht zu haben (um dann doch den Schweden den Schwarzen Peter zuzuschieben). Durchwachsen wie das Wetter ist leider auch die Qualität des Auftritts der Party-Wikinger.  Irgendwie wirkt selbst der Sound verwässert, und in der Setlist fehlt definitiv „Victory Songs“. Bei „Ahti”, “One More Magic Potion”, “LAI LAI HEI” oder “Token of Time” kommt natürlich trotzdem jede Menge Stimmung auf. (ad) Auf der True Metal Stage folgt darauf einer der in diesem Jahr sehr rar gesäten Festivalauftritte des Sechsers KAMELOT, die in Wacken mit einer fetten Bühnen- und Pyroshow aufwarten. Das Spektakel zieht die Massen an, vor den Hauptbühnen ist es spätestens jetzt rappelvoll und kein Durchkommen mehr. Da muss ein Platz in Reihe 80 (gefühlt) reichen, doch auch hier wird deutlich, dass der Sound nicht wirklich optimal ist. Trotzdem kommen Roy Khan und seine Mannen gut an und erfreuen das Publikum neben einer schön anzusehenden Pyroshow auch mit Gastauftritten von Simone Simons (Epica - „The Haunting“) sowie Alex Krull (Atrocity / Leaves´ Eyes - „March of Mephisto“). Eine tolle Show! (ss)

 

Direkt den 80ern entsprungen zu sein scheinen DESTRUCTOR aus Ohio. Alte Männer in Leder und Nieten zelebrieren eine leicht punkig angehauchte Thrash-Metal-Breitseite, die sogar noch Mortal Sin in den Schatten stellt. Das erstaunlicherweise eher junge Publikum dankt es den engagierten Oldies mit einem amtlichen Pit im modrigen Zelt. Mit so viel Zuspruch hat wohl Sänger Dave Just nicht gerechnet und wirft nicht nur Teile seiner Montur, sondern auch ein eigens zur Feier des Tages zerlegtes Keyboard in die Menge. (ad) „Keyboard“ und „zerlegen“ sind auch erstklassige Stichworte für den darauf folgenden Gig von SABATON auf der Partystage. Denn die bierseeligen Schweden machen dem Namen der Bühne auf der sie einlaufen erwartungsgemäß zum Programm. Das wird schon klar, als das Publikum (zum Teil mit aufblasbaren MGs bewaffnet) die einlaufenden Schweden mit lauten Sprechchören in Empfang nimmt, bevor „Ghost Divison“ sofort alle Fronten klärt. Joakim Broden und seine Mitstreiter haben zu Recht einen exzellenten Live-Ruf, dem sie in Wacken einmal mehr gerecht werden. Auch das Publikum ist heiß auf die Power Metal Band der Stunde und geht bei Hits wie „Cliffs of Gallipoli“, „Primo Victoria“, „Attero Dominatus“ und „40:1“ ordentlich steil. Klarer Fall: Diese Band hätte (auch vom Publikumszuspruch) auf jeden Fall auf eine der beiden Hauptbühnen gehört. Dort toben sich unterdessen SOILWORK aus, die mit Björn „Speed“ Strid genau den richtigen Mann in ihrem Reihen haben, um die Anhänger moderner Klänge vor der Bühne in Bewegung zu halten. Vor allem bei der Jugend angesagt sind die Schweden sowieso, sodass es entsprechend knackig voll ist vor der Black Stage. (mr) Im W.E.T.-Zelt steht nun eine echte Bewährungsprobe an, denn die Niederländer von AUTUMN bestreiten den erst dritten Auftritt mit Neu-Sängerin Marjan Welman. Das überschaubare Publikum bekommt trotzdem eine professionelle und energiegeladene Show geboten, Songs wie „My New Time“, „Satellites“ oder „Summer´s End“ funktionieren auch mit der Neubesetzung hervorragend. Über einige aufregungsbedingte Textaussetzer sehe ich gerne hinweg, denn die Interaktionen auf der Bühne stimmen einfach und das Sextett hatte sichtlich Spaß an ihrem mit 40 Minuten etwas zu kurz geratenen Auftritt. Währenddessen verzaubern die Finnen SONATA ARCTICA auf der Black Stage das Publikum mit ihrem eingängigen Power Metal. Der Überschneidung mit Autumn fällt ein großer Teil des Sets zum Opfer, denn erst mit dem letzten Song setze ich den ersten Fuß aus dem Zelt. Schade eigentlich, denn die Jungs scheinen sehr gut aufgelegt zu sein und der glasklare Sound kann wirklich begeistern. Sehr unglücklich, diese Überschneidung. (ss)

 

Ebenfalls schon ein paar Jährchen auf dem Buckel haben MASSACRE. Die Death-Metal Legende aus Florida um Kam Lee (der nicht müde wird, sich als ganz normaler Fan zu outen, der nur zufällig auf der Bühne steht) sorgt bei den zahlreich anwesenden Kennern der Todesblei-Szene für Verzückung. „From Beyond“, „Dawn of Eternity“ oder „Corpse Grinder“ sind eben echte Genre-Klassiker, die man (im Original) lange Zeit live nicht zu Gehör bekommen hat. Viel Unterhaltungswert haben auch die Ansagen von Großpapa Kam Lee, der wahlweise versucht die weiblichen Fans zum Titten zeigen zu ermuntern (mit vereinzeltem Erfolg) oder seinen Porno-Fantasien freien Lauf lässt. Man kann nur hoffen, dass er seinen Enkeln andere Gute Nacht-Geschichten auftischt. (ad) Abermals gute Überleitung Herr Dontscheff, denn Geschichten sollte Alexi Leiho von CHILDREN OF BODOM grundsätzlich auch nicht erzählen. Am besten sollte der kleine Alkoholvernichter gleich ganz die Klappe halten und sich auf sein Musterhandwerk, nämlich das Gitarrespielen beschränken. Am Folgetag wird man im Rahmen der WOA-Pressekonferenz erfahren, dass während der Show der finnischen Klimper-Deather satte 2.100 (!) Crowdsurfer gezählt wurden. These des Autors: Das sind nicht einmal halb so viele Körper, wie Mr. Laiho „fuck“s in seinen Ansagen verwendet hatte. Dazwischen war sogar noch Zeit für Musik, und zwar vor allem Evergreens wie „Needled 24/7“, „Downfall“ und „Silent Night, Bodom Night“. (mr) Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Oder zumindest die Wacken-Organisation. Da NIFELHEIM im Zelt spielen müssen und dieses mit dem Andrang mal wieder hoffnungslos überlastet ist (erschwert wird die Situation noch durch eine die WET-Stage umschließende gigantische Matschpfütze), muss ich auf die kultigen Schweden verzichten und versuchte mein Glück mit CORVUS CORAX. Und hier erlebe ich ein waschechtes Déjà-vu . Denn schon 2005 stand ich vor der Black Stage, die Füße im Matsch und langweilte mich zu Tode... Sorry, wahrscheinlich fehlt mir nur der intellektuelle Zugang, aber für mich kam da nix Brauchbares rüber. (ad)

 


Leckerbissen für Frühaufsteher: Primordial

 

 

Tobi Sammet’s Allstar-Projekt AVANTASIA obliegt die Ehre den zweiten Wacken Tag auf der True-Stage zu headlinen. Und die Vorraussetzungen sind gut: Das Wetter spielt mit, das Gelände ist bis zum Eingang mit Zehntausenden gefüllt. Mit klarem Sound und beeindruckender Lichtsshow fegt die Band los, eingespielt, spritzig und als würde man seit Jahren gemeinsam unterwegs sein. Zumindest auf Tobi und einen Teil der Belegschaft tritt dies teilweise zu, etwa auf Freund und Stammproduzent Sascha Paeth, der Avantasia live als Gitarrist zur Verfügung steht. Dass unser Lokalmatador (der zumindest hin und wieder für ein wenig Metal in der Fuldaer Regionalpresse sorgen kann) ein erstklassiger Entertainer ist sollte bekannt sein, aber dass er auch dazu in der Lage ist mal eben geschätzte 70.000 zu diktieren, ist doch beachtlich. Da verschlägt es selbst dem quirligen Sänger ein ums andere mal die Sprache, als etwa 140.000 Hände in der Luft sind oder mindestens 40.000 Kehlen jede Zeile von Hits wie „Avantasia“ oder der von einigen angeprangerten Top-10-Single „Lost in Space“ in den Wackener Nachthimmel schreien. Hin und wieder findet Sammet, offensichtlich zu Tränen gerührt, doch seine Sprache wieder. Beispiel gefällig? „16 Jahre in einem winzigen Proberaum und amerikanischen Scheißklubs – und heute stehen wir HIER!“. Auch wenn es abgedroschen klingt: Wer live miterlebt hat wie die Massen die bereits genannten Auskopplunge oder aber „Shelter from the Rain“, „Promised Land“ oder „Another Angel Down“ inbrünstig abfeiern, dessen Gänsehaut wird bestätigen können, dass auf dieser Kuhweide über 90 Minuten ein gewisses Knistern in der Luft lag. Mal mit, mal ohne Zylinder: Tobias Sammet ist der lebende Beweis dafür, dass man sogar einen Bayernfan ins Herz schließen kann. Und manchmal sogar muss. (mr) So kontrastreich kann das Wacken sein. Alberte Metal-Kasper Tobias Sammet noch eben  über die True Stage, entern wenige Minuten später die sich wohl etwas zu ernst nehmenden GORGOROTH die Black Stage. Noch satanischer als das „Black Mass Krakau“-Video sollte es werden, wurde im Vorfeld gemunkelt. Im Prinzip ist es aber eher eine 1:1 Kopie des selbigen (von der Setlist mal abgesehen). Im Klartext: zwei nackte Frauen und zwei nackte Männer hängen gekreuzigt im Hintergrund und jede Menge totes Viechzeug dekoriert zusätzlich die Bühne. Zusammen mit der Lichtshow ein eindrucksvolles Szenario, aber eben auch nicht mehr. Gaahl zeigt sich nicht sehr kontaktfreudig (keine Begrüßung, keine Ansagen, keine Verabschiedung), ist aber stimmlich gut beisammen. An der Setlist kann man eigentlich nur das Fehlen von „Destroyer beklagen, ansonsten wird ein solider misanthropischer Black-Metal-Auftritt geboten (ad)

 

 

Samstag, 02.08..

 

Der Heavy-Metal-Weckschrei des Samstag kommt von 3 INCHES OF BLOOD Sänger Cam Pipes. Sein an Udo Dirkschneider und Rob Halford erinnerndes Organ klingt wirklich durch Mark und Bein. Musikalisch geht es bei den Kanadiern ein paar Tacken härter zu, wenn auch das passende Gespür für Melodien nie zu kurz kommt. Zum Frühstück genau die richtige Kost. (ad) Eine durchaus brauchbare Untermalung für den ersten Kaffee des Tages und zugleich die ersten Symathiepunktesammler sind auch die dürren Jungs von MACHINE MEN. Die bewegen sich musikalisch wie optisch in der Mitte zwischen Heavy Metal und Glam Rock, oder eben musikalisch irgendwo zwischen Iron Maiden (man höre nur die Stimme von Sänger Anthony) und Mötley Crüe. Außerdem gehen Nummern wie „The Shadow Gallery“ und „No talk without the Giant“ auch zu früher Stunde problemlos ins Ohr und in die Beine. Schade nur, dass das Publikum die ersten Verschleißerscheinungen nicht leugnen kann und es vor der Partystage noch nicht proppenvoll ist. (mr) Ich wusste zwar, dass Exodus nicht mehr die jüngsten sind, doch als zur angesagten Zeit ein grauhaariger Typ die Bühne betritt und beginnt, lahmen Altherren-Rock zu spielen, kommen mir doch Zweifel. Später stellt es sich heraus, dass es sich hierbei um die Briten SWEET SAVAGE handelt, die durch ein paar Programmverschiebungen in diesen Slot gerutscht sind. Ein Armutszeugnis für die Organisation, dass es trotz zig Videoleinwänden nicht geschafft wird, diese Änderung zu kommunizieren. (ad)

 


Die
Melodic Death Redaktionslieblinge - Mercenary

Auf der Party Stage folgt nun mein persönliches Festivalhighlight – die Dänen von MERCENARY sind nach 2005 wieder in Wacken zu Gast und haben neben jeder Menge Spiellaune auch ihr aktuelles Album „Architect of Lies“ im Gepäck. Selbiges kommt im 45-minütigen-Set auch rege zum Einsatz, das starke „Bloodsong“ fungiert jetzt als Opener (wir sehen mal großzügig darüber hinweg, dass „New Desire“ der Kürze des Sets zum Opfer fällt), während mit „Execution Style“ und „The Endless Fall“ außerdem die härtesten Stücke des Albums den Weg ins Set finden. Den Leuten gefällt´s, genauer gesagt sind sie sogar zum Teil etwas übermütig. Neben dem Standard „11 Dreams“ gibt es sogar zusätzlich noch „Firesoul“ auf die Ohren, das es in letzter Zeit nur sehr selten ins Programm schafft. Ein gewohnt starker Auftritt, den ich allerdings aufgrund meiner etwas wagemutig gewählten Position nicht wirklich in vollem Umfang genießen kann. (ss) Zum Glück funktioniert in Wacken wenigstens die Mund-zu-Mund Propaganda. So komme ich dann zwei Stunden später doch noch in den Genuss, EXODUS zu sehen. Doch so ungetrübt ist die Freude über den Auftritt der Thrash-Legende dann doch nicht. Neu-Sänger Rob Dukes sieht nicht nur aus wie ein Schwerverbrecher, er stellt sich auch mit einigen selten dämlichen Ansagen etwas ins intellektuelle Abseits. Musikalisch ist aber alles im grünen Bereich. Neuere Songs wie „War is my Shepherd“  werden genauso gut aufgenommen wie „Strike of the Beast“ oder „Fabulous Desaster“. Neben den üblichen Moshpits lässt sich das Publikum am Ende sogar zu einer Wall of Death animieren. Es muss wohl am zeitgleich stattfindenden OBITUARY-Auftritt liegen, aber zu EVOCATION finden sich leider nur wenige Fans ein. Fakt ist aber, dass alle anderen etwas verpasst haben. Wie schon auf der letztjährigen CD „Tales from the Tomb“ feuern die Schweden ein melodisches Death-Metal-Feuerwerk erster Kategorie ab. Neben Granaten wie „Feed the Fire“ oder „The more we bleed“ wird auch  ein neuer Song als Vorgeschmack auf das kommende Album gespielt. Nach 30 kurzen aber intensiven Minuten ist dann leider schon Schluss. (ad) HATEBREED bleibt an diesem Tag eine satte Stunde, um klar zu machen wer (zumindest nach Ansicht von Jamey Jasta) die dicksten Eier in der Hose hat. Für die Hardcore-Gemeinde ist die Sache klar, während man sich im Kung-Fu-Kampf übt und für einen heißen Tanz sorgt, bei dem unter anderem „I will be heard“ die menschliche Gulaschkanone zum Brodeln bringt. Einigen Zuschauern ist das allerdings too much, weil leider die Rücksichtnahme – wie übrigens auch bei ein paar anderen Auftritten – im vorderen Bereich ziemlich flöten geht. Nichts gegen Party, Crowdsurfen, moshen und eine intensive Show. Aber wenn selbst offensichtlich zierliche weibliche Besucher vorsätzlich Tritte und Ellenbogen abbekommen, sollte man zwischenzeitlich mal wieder den Hirnkasten einschalten. Ungeachtet dessen bleiben viele Fans natürlich an Ort und Stelle, um mit AS I LAY DYING gleich noch eine der führenden Metalcore-Kapellen mitzunehmen. Was sich auch lohnt, da zu „94 Hours“ und „An Ocean between us“ durchaus ansehnlich gemosht werden kann. (mr).

  

CARCASS sind Legende, können zu Beginn ihres Auftritts diesem Status aber nur bedingt untermauern. Der Sound ist etwas zu leise und spieltechnisch sind auch einige Holperer zu hören. Doch die Band steigert sich. Zum Glück kommen nicht nur die melodischen Death-Metal-Stücke, sondern auch alte Grindklassiker der Marke „Reek of Putrefaction“ zum Einsatz. Auch einige Gäste werden auf der Bühne begrüßt: Zunächst darf sich Angela Gossow als Gast-Growlerin versuchen (Jeff Walker betonte hinterher, dass er Arch Enemy trotzdem Scheiße findet...) und zum Ende hin tritt Original-Drummer Ken Owen zum Schlagzeugsolo an. Von der Menge wird dies gebührend gefeiert, ist Owen doch nach einer Gehirnblutung und langem Koma sichtlich gehandicapt.  (ad). Zeitgleich fällt auf der Party Stage der Startschuss für KRYPTERIA. Und die geben sich auch redlich Mühe, aber irgendwie will nicht so wirklich Stimmung aufkommen. Eigentlich komisch, denn Krypteria bieten nun wirklich keine schwerverdauliche Kost. Im Gegenteil, das Set ist gut gewählt und Wirbelwind Ji-In tut ihr Möglichstes, um das Publikum zu unterhalten. Das soll  ihr mit der Zeit auch gelingen, nichtsdestotrotz hätten Krypteria an diesem Abend definitiv mehr Zuspruch verdient. (ss)

 

Der Weg rüber von Carcass zu KILLSWITCH ENGAGE entpuppt sich dann als Dschungel-Camp-reife Ekelpartie. Ja, ich meckere schon wieder rum, aber wie hirntot kann man eigentlich sein, dass man – obwohl Haufen WC-Wägen und Rinnen auf dem Gelände verteilt sind – einfach mitten auf dem Platz vor Zäune und Stände pisst?! Das ist nicht nur noch weit unter Ballermann-Niveau, sondern stinkt auch noch erbärmlich. Nicht ganz zu unrecht werden sich direkt nach dem Ende des Festivals viele Fans über die „vielen Assis“ und „Partytouristen ohne Bezug zur Musik“ beschweren, die bei einer Veranstaltung dieser Größenordnung leider nicht ausbleiben, aber ein schlechtes Licht hier und da auch auf den Rest der Besucher werfen. Zum Glück schaffen es die bestens gelaunten Killswitch-Jungs die leichten Stimmungstrübungen binnen kürzester Zeit verfliegen zu lassen. Denn wenn man mal von der unnötigen Anti-Emo-Ansprache in der Mitte des Sets absieht, bekommt man eine Band in Topform und ein Publikum in Partylaune zu sehen. So ernten „My Curse“, „The Arms of Sorrow“ und das unvermeidliche „My Last Serenade“ – genau wie die restlichen Songs (durch die Bank astreine, modere Gassenhauer) – lauten Beifall und auch den einen oder anderen fetten Pit. Wie gut, dass die Kids heutzutage solche Truppen haben, um an harte Musiker herangeführt zu werden und nicht Hohlbohrer wie Rotkäppchen Fred Durst eine halbe Generation vor ihnen. (mr) Mit AT THE GATES steht nach Carcass kurz darauf die nächste Legende auf der Bühne. Kaum eine andere Band hat so viele Spuren im Death Metal hinterlassen sowie Nachahmer und Weiterentwickler ihres Stils gefunden. Dementsprechend voll ist es vor der Black Stage. Trotz 12-jähriger Bühnenabstinenz werden die Schweden ihrem Headliner-Status voll gerecht. Da ich persönlich weniger mit der Band anfangen kann, geht die Begeisterung etwas an mir vorbei, doch eine erstklassige Leistung muss man auch als neutraler Zuschauer anerkennen.

 

War schon der letzte NIGHTWISH-Auftritt in Wacken 2005 nicht mehr so ganz das Gelbe vom Ei, war ich nach dem Sängerinnenwechsel mehr als skeptisch. Und leider sind meine Befürchtungen berechtigt. Anette Olzon kann zwar bei den neueren Songs noch halbwegs überzeugen, Klassiker wie „Wishmaster“, „Sacrament of Wilderness“ oder „Ever Dream“ jault sie aber in die Bedeutungslosigkeit. Mit der Erinnerung an den fast magischen Auftritt 2002 an selber Stelle, bin ich da schnell der Verzweifelung nahe. Fairerweise muss man konstatieren, dass die Band eine gute Show liefert (wenn man von zehn verschenkten Minuten am Ende absieht) und dass viele Menschen um mich herum jede Menge Spaß zu haben schienen. Doch ich persönlich kann nur auf eine baldige Re-Union-Show hoffen. Prognose: Wacken 2011. Ein solider aber sehr vorhersehbarer Auftritt von KREATOR setzt für mich den Schlusspunkt unter das diesjährige Wacken Open Air. Sowohl Setlist als auch die Ansagen unterschieden sich nur in Nuancen vom letzten Konzert der Band an selber Stelle. Überdies muss ich erneut feststellen, dass Mille live teilweise doch sehr schrill klingt. Und seine Animationsversuche vor „Flag of Hate“ sind schon fast Realsatire. Schön ist dagegen die Liveshow. Endlich werden auch mal die Videowände vernünftig genutzt und jeweils die passenden Clips (so vorhanden) eingespielt. So torkelte ich nach „Tormentor“ halbwegs befriedigt (ein paar Innovationen täten den Essenern in der Tat nicht schlecht) zum Auto und kann mir LORDI auf der Heimfahrt noch über den Wacken-eigenen Radiosender live anhören... (ad)

 

Im Norden schwitzten, fröstelten, trieften und rockten,

Alexander Dontscheff (ad), Simone Steinbüchel (ss) und Markus Rutten (mr) - www.sounds2move.de

 

Fotos: Markus Rutten, Alexander Dontscheff


Reifen gerade zu einer echten Einheit: Autumn.

 

Tops und Flops: Die Redaktionsstimmen
Top:
- Evocation

- Destructor

- die Ansagen von Kam Lee

- aus einigen Fehlern haben die Organisatoren gelernt (Übergang zur Party Stage, zweiter Eingang)

- die überwiegend positive Stimmung

 

Flop:

- allgemein ein ziemlich schwaches Billing

- Nightwish mit Olzon

- hab wegen der  Arbeit Leaves Eyes verpasst

- Die Preise für Essen haben das erträgliche Maß überschritten

- Die Kommunikation der Veranstalter zum Publikum war schon mal besser...

 

Top:
- Bands: Mercenary, Autumn, Kamelot, Leaves´ Eyes, Sabaton

- Riesige Essensauswahl und deutlich mehr Toiletten als 2005

- Die Leinwände (bei meiner Körpergröße teilweise sehr praktisch!)

 

Flop:

- Das Gelände ist einfach zu klein für diese Menschenmassen (vor Iron Maiden kam es fast zu einer Massenpanik)

- Das Verhalten so mancher Festivalbesucher

- Der Merchstand muss vor den Bühnen weg

- Teilweise unglückliche Programm-Überschneidungen

 

Top:
-
Bands: Avantasia, Maiden, Mercenary, Killswitch Engage, Concept Insomnia, Leaves’ Eyes, Sabaton, Primordial, Kamelot.

- Nach zwei Jahren persönlicher Wacken-Pause und viel negativem Hörensagen bin ich alles in allem positiv überrascht, denn die Organisation ist größtenteils sehr gut und der Komfort unbestritten auf höchstem Niveau; angefangen bei den vielen Spülklos, über das Frühstückszelt, bis hin zu den üppigen Videowänden.

- Das Wetter am Donnerstag

- Das ausgewogene, sehenswerte Billing

- Killswitch punkten sogar bei Old-School-AD. Der Anfang einer neuen Ära? ;-)

 

Flop:

- Wildpisser auf dem Gelände; Schlechte Kinderschule, die für beißende Durftwolken sorgt.

- Ein paar weniger Proll-Kasper hätten es sein dürfen

- Das Wetter am Freitag
- Die Platzierungen mancher Bands (Primordial am unwürdigen Vormittag, Sabaton nur auf der Party-Stage, Alestorm ins Zelt gezwängt)

Link: www.wacken.com