Festivalbericht zum 16. Trebur Open Air 2008
Im
Land der Dichter und Denker ist ein zunehmender Festivalboom zu verzeichnen.
Festivals erhöhen fast jährlich ihre Kartenkontigente und sind trotzdem
jedes Mal ausverkauft. Umso schöner, wenn ein Non-Profit-Festival, wie
das Trebur-Open-Air, dieses Schicksal teilt. Im Vorfeld zeichnete sich schon
ein Rekord mit 1000 verkauften Kombitickets ab und der Freitag war mit 2000
Besuchern auf dem Platz der „dickste Freitage aller Zeiten“. Das wird mit unter
an den norddeutschen TURBOSTAAT
gelegen haben, die im letzten Jahr einen Karrierekick erlebt haben und Headliner
des Freitagabends waren. Ein weiteres Highlight an diesem Freitagabend waren
die KILIANS, die seit dem letzten Jahr wahre Überflieger sind. Der Abend
klang beschaulich mit der Coverband
A TRIBUTE
TO JOHNNY CASH aus, wobei sich wahre Johnny Cash Fans einer
Horde pogender Heranwachsender ausgesetzt sahen.
Der wachsende Erfolg des TOA kommt nicht von ungefähr. Mehr als 140 freiwillige
Helfer sorgten in diesem Jahr für den reibungslosen Ablauf. Erstmals in
diesem Jahr mussten spezielle Campingkarten für 5 Euro gekauft werden,
dafür wurde der Campingplatz vergrößert, mehr Securities sorgten
für Sicherheit und ein spezieller Frühstückservice wurde eingerichtet.
Die Zeiten des Wildcampens sind endgültig vorbei und 1700 Besucher nehmen
den neuen Service in Anspruch. Im Vorfeld musste ein Teil des Campingplatzes
gesperrt werden und ein Sondereinsatzkommando der Treburer Feuerwehr in Spezialanzügen
entfernte mehrere Wespennester, wodurch die Wespenstichverletzungen enorm eingedämmt
wurden.
Am Samstagmorgen haben sich noch nicht allzu viele Festivalbesucher auf dem Gelände versammelt als DJ BÄRT ab elf Uhr das Beste aus dem Rock der letzten Jahre auflegt. Viele sind noch mit ihrer Morgentoilette im benachbarten Freibad beschäftigt und das Festivalgelände füllt sich erst langsam zu THE SUMS und ihrem deutschen Ami-Punk, der noch etwas unspezifisch klingt, als hätten die Jungs ihren Stil noch nicht gefunden. Auch das obligatorische Handtuch um den Hals kann hier keine Authentizität aufbauen. Als nächstes beehren JACKY die kleine Sparkassen-Bühne und zeigen mit ihrem deutschsprachigen Rock´n´Roll, mit Einflüssen von AC/DC bis The Who, was konzentrierter, fesselnder Sound ist.
Camping | The Sums | Gelände | Jacky |
Als die große Bühne am Samstag zum ersten Mal bespielt wird, sind auch endlich die letzten müden Festivalbesucher aus ihren Löchern gekrochen und es hat sich eine Gruppe von Menschen vor der Bühne versammelt als FUNKY FIZZLE aus Stuttgart ihren Funk/Pop/HipHop-Style auspacken. Funky Fizzle wurden aus über 600 Bands bei der Plattform regioactive.de auserkoren beim Trebur Open Air spielen zu dürfen. Der Gitarrist macht zwar lieber Urlaub auf Malle, aber die Band hat schnell Ersatz gefunden und mit ihren schrägen Outfits und ihrer unterhaltsamen Musik das ein oder andere Tanzbein in Wallung gebracht. Als Kontrastprogramm rockten die vier Flensburger Jungs von LUDWIG VAN mit ihrem sehr englisch klingenden und tanzbarem Indie die kleine Bühne, deren Zuschauerplatz beinahe aus allen Nähten platzt. Musikalisch bewegt sich auch die folgende Band auch im Bereich Indie.
Funky Fizzle |
CLOUDBERRY aus Frankfurt veröffentlichten 2007 ihr drittes Album „Graceful & Light“ und leider verließ die Bassistin Moni nach jahrelanger Zusammenarbeit die Band. Mit neuer Energie und neuem Bassisten, Sebastian Lübeck, betreten Cloudberry die große Entega-Bühne des TOAs und geben viele neue Songs sowie vieles von „Graceful & Light“ wieder, wie z.B. „A Feeling Justified“, „The Paingarden“ oder „Anything Goes“. Das vornehmlich junge Publikum will bei den teilweise melancholischen Songs nicht so richtig anspringen und so entpuppt sich das Konzert eher als Sit-In, das bereits nach 40 Minuten zu Ende ist. Auf die verhaltenen Zugabe-Rufe folgt keine Reaktion von Cloudberry, also nimmt Kameramann Martin die Animation in die Hand: „Wenn ihr die Jungs noch mal hörn wolld, müssd ihr eusch ins Zeusch leschen!“ – Von so viel Entertainment-Geist beflügelt will Sänger Marco Pleil den Martin tanzen sehen und der ein oder andere zaghafte Hüftschwung des Kameramanns ist dabei.
Ludwig Van | Gelände |
Eine
Woche vor dem TOA mussten die Rockpiloten ihren Auftritt absagen, weil sich
der Gitarrist am Arm verletzt hatte, aber binnen dreier Stunden war für
Ersatz gesorgt in Form der Darmstädter Band
BEATSHOTS.
Die zwei Damen und zwei Herren stammen aus drei Nationen und verbinden geschickt
New Wave mit Garagerock, immer im Vordergrund die fesselnde Stimme von der englischen
Frontfrau.
Schon dreimal haben ELFMORGEN
auf dem TOA gespielt – immer auf der kleinen Bühne. Doch das ändert
sich in diesem Jahr für die älteste Newcomerband aus Osthessen. Vor
der großen Bühne sind wahre Menschenaufläufe zu verzeichnen
und bereits nach einigen Songs merkt man - die Jungs können es immer noch.
Neben guten alten Songs, wie „Kleines Universum“ oder „RiBiDiBi DUB“, werden
vor allem Songs vorgestellt vom heute erscheinenden Album „Konsequent Hinter´m
Trend“, das nur auf Kassette erscheint. Die Songs wirken ernsthafter und weniger
kompromisslos humorvoll, aber immer noch eingängig mit Mitsing- und Ohrwurmpotenzial.
Für alle, die nicht mehr über einen Kassettenrekorder verfügen,
gibt es die neuen Songs als MP3 auf der Homepage gegen eine Spende. Für
den schnellsten Crowdsurfer, der es zum Mearchstand schafft, gibt es als Hauptgewinn
das neue Album inklusive Walkman, was den Sportgeist vieler Zuschauer weckt.
Nach einem spektakulärem Feuerwerk auf einem Fertigkuchen, zur Feier des
vierten Auftritts und der darauffolgenden Kuchenschlacht im Publikum beendet
Elfmorgen ihren Auftritt traditionell, auf Wunsch des Publikums, mit „Oberlippenbart“.
Auch wenn der Timetable bereits weit nach hinten verschoben ist, dürfen
Elfmorgen noch zwei weitere Stücke zum Besten geben, die vom Publikum ordentlich
abgefeiert werden.
Cloudberry |
Wenn
man den Namen des nächsten Acts hört -
PETE
BLUME - denkt man eher an einen Liedermacher, als an fünf
Nordlichter aus Hamburg, die eingängigen Deutsch-Rock machen und seit Februar
ihr Debüt „Demonstieren: Sonntags!“ vorweisen können. Schon etwas
warmgelaufen, beginnt das TOA-Publikum, sich zu Pete Blume tänzerisch zu
verausgaben. Mittlerweile ist es dunkel geworden und die Publikumsmenge hat
sich gefühlt verzehnfacht, als die dänische Band DÚNÉ
die Entega-Bühne betreten. Die sieben Damen und Herren bringen Indie-Rock
mit starken Elektroeinflüssen, was sie in diesem Jahr auf ihrem zweiten
Album „80 Years“ verewigt haben. Sie erfinden mit ihrer Musik zwar das Rad nicht
neu, aber sie scheinen das Publikum gut zu unterhalten, war wahre Applausstürme
zur Folge hat.
Beatshots | Gelände | Elfmorgen |
Weil beim TOA alles Hand in Hand geht beginnen RANTANPLAN ihre Show Sekunden nach Dúnés Abgang. Das hat leider zur Folge, dass jene Personen, die Dúné bis zu Schluss gesehen habe, Rantanplan zwar hören, aber nicht sehen, weil der Platz vor der Sparkassenbühne zu klein ist. Aber auch das was man hört, ist sehr fein. Seit 13 Jahren und 7 Alben sind die Skapunker von Rantanplan in ständig wechselnder Besetzung unterwegs, um die Nation musikalisch zu erfreuen. Und die Ausläufer der Moshpits lassen erahnen, was vor der Bühne abgeht.
Um den Headliner des diesjährigen TOA aus nächster Nähe zu sehen gehe ich überpünktlich zur großen Bühne zurück. Mit erheblicher Verspätung und einsetzendem Nieselregen beginnen TOMTE ihren Auftritt. Neben vielen neuen Songs, spielen Tomte besonders Lieder von ihrem letzten Album „Buchstaben über der Stadt“, wie „Ich sang die ganze Zeit von dir“, „Was den Himmel erhellt“ oder „New York“. Das Publikum wirkt zurückhaltend erfreut über die fünf Herren aus dem hohen Norden, was daran liegen mag, das die meisten bei der Bandgründung, vor 20 Jahren, noch lange nicht auf der Welt waren und zu Gitarrenpop lässt es sich im betrunkenen Zustand auch nicht so toll pogen. Auch wenn Thees Uhlmann heute etwas wortkarg wirkt ist der Teil des Publikum, der den Mauerfall noch live miterlebt hat, begeistert und singt lautstark „Die Schönheit der Chance“ mit.
Pete Blume | Dúné | Tomte |
Eigentlich hätten jetzt She's all that gespielt, aber die Sängerin kann auf Grund einer Lebensmittelvergiftung nicht auftreten und DJ FRAU RAUSCH wird kurzerhand vorgezogen und mixt alle Musikgenre bis spät in die Nacht. Für mich ist es der perfekte Zeitpunkt für einen mitternächtlichen Snack an einem der unzählbaren Imbissstände, die nach dem Motto „Essen aus aller Welt“ ausgewählt wurden und neben z.B. afrikanischem, indischem oder türkischem Essen, erstmals aus veganes Essen anbieten.
Der
dreitägige TOA-Marathon wird von den fabelhaften Jennifer Rostock, die
vor allem durch Stefan Raabs Bundesvision Songcontest berühmt wurden und
Madson, die auf allen bekannten deutschen Rockfestivals eine feste Größe
geworden sind, abgerundet. Die freiwilligen Helfer haben im kleinen Städtchen
Trebur in diesem Jahr mal wieder eine Meisterleistung abgelegt und es bleibt
zu hoffen, das für alle der Spaß im Vordergrund bleibt und der steigenden
Erfolg fürs TOA von ganz alleine weitergeht.
Text: Sonja Thrukral
Fotos: Katrin Reichwein - www.sounds2move.de
Link: www.treburopenair.de