Festivalbericht zum Summer Breeze 2008

 

 

Mittwoch 13.08.2008

 

Am vollkommen verregneten Mittwoch, das plötzlich sehr klein wirkende Fahrzeug überwölbt von grenzenlos grauen, an den Rändern bedrohlich düster violett-schwarz schimmernden Wolkengebirgen, besorgte sich der Autor dieser Zeilen auf dem Grat der Anhöhe die notwendigen Pässe (Gregori, hat du fein gemacht:-)), um für die nächsten Tage ausweistechnisch aufs feinste gewappnet zu sein. Die Straße zum Festgelände war bereits abgesperrt; so einige Ankömmlinge waren bereits unterwegs und feierten fröhlich, im, auf und neben den Autos. Abends war ich nur kurz  im Partyzelt: LAY DOWN ROTTEN und HAIL OF BULLETS wurden inspiziert. Laut, hart und heftig waren beide Bands, allerdings HAIL OF BULLETS weitaus aggressiver. Dennoch, die deutschen Bolt Thrower-Epigonen LAY DOWN ROTTEN, welche ich jüngst einmal die Ehre hatte zu interviewen, hätten mit ihren Hits von den letzten beiden Alben auch gut und gerne auf der Pain Stage spielen können. Den unterhaltsamen Contest gewannen übrigens FUCK YOUR SHADOW FROM BEHIND (eine Kombo mit zwei Sängern, viel Esprit und bolzender Härte), welche am Donnerstag die Ehre zuteil wurde, das offizielle Festival einläuten zu dürfen. Bleierne Müdigkeit bedingt durch die lange Anreise, welche beinahe sechshundert Kilometer betrug und zu hochsommerlichen Temperaturen absolviert worden war, war für das abrupte Ende dieses ersten "Halbtages" des SB 2008 verantwortlich.

 

 

Donnerstag 14.08.2008

 

"Hey Amorphis, n’ Bier?" rief mir (wegen meines entsprechenden Shirts) auf der hoffnungslos mit Anreisenden überfüllten Hauptumgehungsstraße in Dinkelsbühl eine Crew aus dem seit Stunden allenfalls Schritttempo vorlegenden Wagen zu. Überhaupt, die Schlangen bis zum Festivalgelände waren kilometerlang, es ging nichts mehr. Da müssen sich die Veranstalter etwas überlegen, denn nicht wenige Anreisende waren 16 Stunden in ihrem Auto unterwegs davon 14 innerhalb von Dinkelsbühl. Oben angekommen (mit Shuttle-Bus natürlich) verpasste ich leider den Winner Newcomer, die EMIL BULLS und ABORTED. Was Leute zu Bands wie SALTATIO MORTIS drängt, ich kann es nicht erklären. Pop, Mittelalter, sehr simple Songstrukturen, welche aufgelockert werden durch Spielfehler, seltsame Einsätze und verwirrende Breaks, all das kann mich nicht wirklich erheitern (Banause! mr). Für mich passen solche Bands auf Mittelaltermärkte, wenn die Kleinen Sandburgen bauen und Vati eine Ritterrüstung anziehen darf. Aber einige Stimmung gab es; das spricht für diese Band. Und die Bühnenpräsenz ist sympathisch zu nennen, keineswegs statisch. GRAVEWORM brachten Hits aus ihrem gesamten Schaffensbereich zum Besten. Es ist eine seltsame Mischung, welche diese Band bevorzugt: eher Gothic als Melo-Black, manchmal beinahe Dark Pop. Verschnörkelt ging es bei bedecktem Himmel durch den barocken Garten, welcher italienisch verspielt angelegt wird. Traditionelle Rock- und Metalversatzstücke wurden mit einigem Keypomp dargeboten, nur der Gesang erinnerte an schwarzmetallische Zeiten. Diese Musik passte zur Abenddämmerung; da sollte sie nächstes Mal plaziert werden. Der erste Höhepunkt des Donnerstages war natürlich der Auftritt von SOILWORK auf der Main Stage. SOILWORK kämpften sich tapfer durch ihre letzten fünf Scheiben. Diese Mischung aus harten Strophen und melodisch ausufernden Chorussen hatte ihren Höhepunkt meines Erachtens mit dem Opus "Natural Born Chaos" erreicht. Danach klang eigentlich alles ähnlich. So auch hier. Es fehlten einfach die Variationen, die aus dem Auftritt einen Superauftritt machen könnten. Klar, die Vocals von Speed sind charismatisch, die Leads transparent, mit Können gespielt. Doch diese Band müsste mal längere Songs schreiben, sich nicht mit so austauschbaren Tracks präsentieren. "Follow The Hollow" ist nach wie vor ein Hit, das Konzert gefiel mir auch, gerade wegen dieser Songs aus der mittleren Schaffensphase der Kombo. Aber die Band könnte weit mehr... Dennoch, ganz gut, die Menge schüttelt Mähne und Met; es fällt allerdings hier zum ersten Male auf, dass die Tontechniker auf der Main Stage einige Probleme haben, den richtigen Mix zu treffen. Das soll später seine Fortsetzung finden, ich nehme es mal vorweg.

 

THE WILDHEARTS kloppten auf der Pain Stage munteren Punk auf die fröhliche Menge; sie waren weit besser, als ich erwartete, flott, schnell, frech, allerdings eher Partymusik mit wenig Anspruch; das stets wiederkehrende Grundschema des gebotenen Liedgutes hat der Durchschnittsrezipient schnell durchschaut bzw. durchhört. Zur gleichen Zeit zeigten NEGURA BUNGET im Partyzelt, dass sie ihre an Klassik, Jazz, Black Metal und postrockcollagenartigen Sounds live sehr gut zu reproduzieren in der Lage sind. Die Songs von "Om" sind klasse. Es ist ja so gar keine Partymusik, aber mit Hingabe, Intelligenz und Spielfreude vorgetragen. Leider gab es nur 30 Minuten zu hören; dadurch konnte Atmosphäre kaum entstehen. Die Band müsste gegen 21 Uhr auftreten und mindestens eine Stunde ihre Soundlandschaften entfalten dürfen. Das gilt auch für die großartigen CULT OF LUNA, welche einige Stunden später (zu spät) auftraten. Eine Riesenmenge versammelte sich gegen 18.45 Uhr vor der Main Stage, um ARCH ENEMY zu huldigen. Angela Gossow growlte kehlig, gibt "We Shall Arise" zum Besten, ruft "Alles klar bei euch" und ähnliche Stimmungsmacher ins wilde Publikum. Akustische Einlagen ließen innehalten, bevor Angela wieder keifte, dass sich die Wolken beleidigt zurückzogen. Die unvermeidlichen "Ausziehen!"-Rufe ignorierte sie und intonierte "We Are One" mitten hinein in die sturmbewegte Menge. Der Drumsound saß druckvoll, die Licks ebenso; der Sound insgesamt schwankte manchmal, doch später sollte es da weit schlimmer kommen. Klar, dass die letzten drei CDs am meisten Berücksichtigung fanden. Der Auftritt ist ganz gut geraten; danach BEHEMOTH zu hören ist eine Tortur. Knüppel, Säg, Feuer, Apocalypse, so könnte man es wohl nennen. Ich bereitete mich da schon auf DIE Band des Abends für mich vor, PARADISE LOST. "Icon" wird für mich immer ein Top Ten-Album allerzeiten bleiben. Es war soweit: die Beleuchtung wechselte von blau zu grün, rot und gelb, die Band spielte in schillernden Farben. „Never For The Damned“ und „Ash & Debris“ der letzten CD "Requiem" eröffneten des Konzert mit schleppendem Midtempo, die anklagenden Vocals von Nick Holmes, der sich wie stets kaum bewegte um stattdessen ausschließlich seine Stimme sprechen zu lassen, begleitet von düsteren Gothicmelodien, welche manchmal von Death Metal-Slow-Motion durchzogen sind. Fette Akkorde, schwere Düsternis und eine verzweifelte Traurigkeit, immer unterlegt von diesen euphorischen Refrains zeichneten den Auftritt aus. "As I Die" fehlte ebensowenig wie "Pity The Sadness". Gänsehaut entstand durch die umwerfend intonierte Textzeile "All I Need Is A Simple Reminder". Der Sound der Main Stage war noch immer nicht von seinen schon beschriebenen Schwächen bereinigt. Doch die unermüdliche Band gab mit "The Enemy" und "Embers Fire" noch weitere Highlights zum Besten. Die Gitarristen spielten ihre Parts, ohne in besonderer Weise mit dem Publikum zu kommunizieren, ganz wie man es von PARADISE LOST kennt. Nicks bisweilen auftretende Stimmprobleme kamen im zweiten Teil des Konzertes gelegentlich zum Tragen, allerdings sind für mich eher die für das Mix verantwortlichen Techniker der Main Stage ziemliche Dilettanten, denn was da an Ton-, Laut-Leise- und Hell-Dunkelschwankungen zusammengebraut wurde, hätte ich auch noch hinbekommen, und das mit 4 Litern Met intus. "Say Just Words" ist ja einer DER Hits dieser Band; er bildete das Finale dieses unterhaltsamen Auftritts einer Kombo, welche ja viele Stile kolportiert und verarbeitet hat. Die Zuhörer feierten, manch einer war begeistert (wie ich), andere waren kritischer, wie stets.

 

Direkt danach ging es passenderweise mit PRIMORDIAL weiter, einer Band, welche zu Recht sehr große Zustimmung erfährt, so auch hier auf dem Summer Breeze. Der charismatische Frontmann der Band Alan Nemtheanga feuerte seine düster mitreißenden, auf Wiederholung der Riffs setzenden sehr traurigen Songs ins begeisterte Publikum. "As Rome Burns" und "Empire Falls" wurden enthusiastisch aufgenommen. PRIMORDIAL sind live weit härter, bleiben dennoch typisch "irisch", soll heißen hemdsärmlig, karstig, das  Wenige (dafür umso Schönere), das in der kargen Landschaft vorgefunden wird, variantenreich musikalisch beschreibend. Ein Rohdiamant ist diese Band; immer mehr Hörer beginnen das (endlich!) zu entdecken. "Brothers And Sisters" lief runter wie Öl, die Menge ist Wachs in Allans Händen (und Stimme), "Spirit The Earth Aflame" ging zurück zu den Wurzeln der Kombo. Dagegen kamen naturgemäß die auf fröhlich getrimmten HELLOWEEN nicht so recht an. Musikalisch setzen sie auf eine Melange SCORPIONS & JUDAS-PRIEST-on-fun, immer mit Pomp, Kitsch und allen Stereotypen des Genres überbordend aufwartend. Für mich gab es eine gute CD dieser Band, nämlich das Debut. Daran erinnerte heute nur noch wenig. Wie Clowns hampelten die Bandmitglieder über die Bühne, nie kann etwas ernstgenommen werden, der Kontrast zu PRIMORDIAL könnte nicht größer sein. Die Zuhörer waren jedoch fein gestimmt; die Band erntete durchaus Zustimmung und das ist ja auch gut so, Geschmäcker sind verschieden, ich muss es mir ins Gedächtnis zurückrufen. MARDUK gaben uns danach wieder ganz anders auf die unvorbereitete Glocke. Meine Güte, was für ein Massaker! Schon die Studiowerke von MARDUK sind ja ambivalent aufgenommen worden; nun, live spielt diese Kombo noch weit mehr durcheinander. Beeinflusst von diesem rauflustigen Gitarrenspeed, dem permanenten Gerassel und diesen nie enden wollenden Klanggewittern des Schlagwerkes konnte ich die dargebotenen Songs partout nicht voneinander trennen, obwohl ich auch drei CDs von dieser Band mein eigen nenne. Letztes Jahr haben mir DARK FUNERAL ähnlich zugesetzt. Ein Panzerangriff wird sich so anhören, ganz klar. Mir war das zuviel, außerdem sahen die Musiker so gemein aus, da ging ich lieber ins Partyzelt, um den grandiosen CULT OF LUNA zu lauschen. Sie brachten einiges von der "Eternal"-CD. Wenn der düstere Fluss erstmal in Bewegung gerät, kann man sich dieser Musikrichtung (von der es auf dem Festival mehr geben sollte, TRANSMISSION0 oder NEUROSIS, ISIS, GODSPEED YOU BLACK EMPEROR, JESU!) kaum entziehen. Wie in Trance folgte man diesem spannungsgeladenen facettenreichen Ausritt auf Stahlseilen, unter sich die brodelnden Wasser des Charon. Schwer, diese Musik so gekonnt umzusetzen, deshalb mein ausdrückliches Lob für CULT OF LUNA, ein würdiger Abschluss dieses ersten Summer Breeze-Tages.   

 

 

Freitag 15.08.2008

 

An diesem Vormittag kam ich mit Auto schon sehr leicht ins Zentrum von Dinkelsbühl. Von dort ging es mit dem übervollen Shuttle nach oben. DARK AGE hatte ich verpasst (sie sollen gut gewesen sein, laut Kollegen), HEIDEVOLK brachten ihre sehr eigenwillige (bisweilen amüsante) Mischung von Folklore und hymnischem Sauf-Metal/-Rock unters bewegte Volk. MIDNATTSOL gefallen unserem Chefredakteur. Ich kann mit solcher Gothic Pop-Musik wenig anfangen. Irgendwie wissen solche Bands nicht, soll es nun in Richtung Folklore, Gothic, MADONNA, Irrgarten oder Mittelalter gehen? Lieber Keyboard oder Geigen oder beides? Gitarren überflüssig oder mit Waldgeräuschen? Wie dem auch sei, den Fans gefiel das vogelhafte Geträller durchaus. 3 INCHES OF BLOOD lauschte ich am Rande, ebenso SCHELMISH, welche mich überhaupt nicht überzeugen konnten. Manchmal frage ich mich schon, wer so alles auf die Idee kommt Musik zu machen. Auf jeden Fall war es ungewolltes Entertainment, diese Erscheinungen und diese höchst mittelmäßige Musik zu begutachten. "Ab zum Mittelaltermarkt und mit den Kleinen spielen!" möchte man SCHELMISH zurufen. MAD SIN boten uns im Anschluss Speed-Punk, welcher erstaunlicherweise richtig gut unterhält. "Communication Breakdown" bretterte hart und melodisch, mal was anderes als diese gekünstelten Parcivals und Siegfrieds. Ehrlichgesagt war ich vollkommen überrascht: diese spielfreudige Band war ein Highlight des Festivals, keine Frage. Kein pseudointellektueller GLUCIFER/HELLACOPTERS-R&R oder PSYCHOPUNCH-Minimalismus, sondern Speed, Gesäge, fein akzentuierte Vocals und gut komponierte Songstrukturen mit Spannung, Biss, Frechheit, Freude am Spielen, kurz echter Punkattitude. Die sollen wiederkommen, auf jeden Fall! Die Zuhörer waren sehr angetan von diesem Underdog. Dieses Niveau und diesen Unterhaltungswert konnten MEGAHERZ naturgemäß nicht erreichen. "Beiß Mich" bot langweiliges Stakkato, "Fauler Zauber" erinnerte an RAMMSTEIN-light, das atmosphärische Intro überraschte, aber auch nicht mehr. In MEGAHERZ’ Kosmos wimmelte es von Wichsern, Heuchlern, untreuen Freunden; auch Gott ist wohl nicht mit ihnen. Pseudosozialkritisch und mit allerpeinlichsten Ansagen bewehrt ("Wir hatten eine harte Zeit, ihr habt an die Band geglaubt" etc.) gab es den fortwährend gleichen Song. Manches tönte auch nach pubertierenden TOTEN HOSEN, das Meiste wie erwähnt nach RAMMSTEIN. Völlig überflüssig, solche Anbiederungen, derartig simple Musik.

 

Auf KORPIKLAANI warteten viele Zuhörer; es wurde richtig voll vor der Main Stage. Die sympathischen Finnen boten ihre Melange aus Folk, Metal, Black, Rock und Vikingelementen und die Menge ging von Anfang an begeistert mit. Die verwendeten Stile wurden songdienlich dargeboten; das künstlich Arrangierte deutscher Mittelalterbands fehlte völlig, was KORPIKLAANI besser macht. Feiern, trinken, fröhlichsein, das vermitteln diese Finnen. Dazu braucht es weder unangenehme Ansagen noch das Aussehen von Fünfzigjährigen, welche sich in Felle kleiden, Ziegenmilch trinken und zehn Jahre auf Haarwäsche verzichten. "Keep On Galopping" war die Devise. Härter als auf CD galoppierten wir durch den Eichenhain, die Brüder von ENSIFERUM in Sichtweite, FINNTROLL vor uns und MOONSORROW als Nachhut. Geige und Akkordeon brachten die Menge in echte Partylaune; KORPIKLAANI hatten leichtes Spiel, der Zuspruch seitens des Auditoriums (welches überraschend viele KORPIKLAANI-Shirts trug) entsprechend. Gelungen! Die Hardcorler von PRO PAIN klangen dagegen genau wie auf ihren Veröffentlichungen, nur noch lauter: Gebell, Geshoute, kurzes Riffing, Mitgröhlrefrains. EXODUS zelebrierten ihre Form von Old-School-Thrash: es wurde nimmermüde zusammengezimmert, was nicht zusammengehört. Die Achtziger sind vorbei, dennoch hängen solcherart Thrashbands an ihren Wurzeln, ohne irgendetwas Neues in ihren Sound aufzunehmen. Sympathisch, aber nicht vom Hocker reißend, das Ganze.

 

Parallel lief im Partyzelt XIV DARK CENTURIES, welche lange ihre Instrumente stimmten, um sodann in Überlautstärke Songs ihrer letzten beiden CDs zu spielen. Die Mischung aus Folklore, Black Metal und eingängigen Parts konnte überzeugen. Bei dieser Band kann man nahezu jeden Track mitsingen, denn es gibt da immer diese Mittelalterpassagen, welche traurig und gleichzeitig mit Enthusiasmus vorgebracht werden. Die Band spielte härter als auf CD, der Gesang ist wütend, aggressiv, das Stageacting eindringlich, die Folks wurden aufgefordert, mit in die Schlacht zu ziehen. SWORN zogen ähnlich hart vom Leder. Und sie waren die Band mit dem wirklich bösesten äußeren Erscheinungsbild des Festivals, und das will einiges heißen. Gemein sang sich Max Wilson, ein weißgetünchter fieser Kahlkopf, durch die Songs von "The Alleviation". Diese Black-Variante hat durchaus einige Schnittpunkte zu WINDIR. Treibend, herausfordernd, aggressiv ging es vorwärts, hypnotisch untermalt von diesen giftigen Vocals. Die Gitarrenfraktion hetzte uns durch den Set; Pommesgabeln aller Orten, wenn "The Beauty Of My Funeral" erklingt. Wenn SWORN Fahrt aufnehmen, sind sie unschlagbar, Valfar (R.I.P.) wäre hocherfreut. Die geforderte Zugabe würde die Band zwar gerne spielen, doch der enge Billing-Zeitplan lässt keinen Raum für Improvisation, schade eigentlich. Im Partyzelt wussten auch MANEGARM mit ihrem urtümlichen Folk-Black und TEXTURES mit ihren recht komplizierten Postrock-Songaufbauten zu überzeugen. MANEGARM gefallen mir, wenn sie Tempo aufnehmen und harsch zur Sache gehen. Live taten sie das auch. TEXTURES sind eher etwas für Physiker, Philosophen und Architekten. Den schwer zugänglichen Tracks muss man zuhören, zum Partymachen taugt das nicht. Doch wie auch NEGURA BUNGET und CULT OF LUNA gelang TEXTURES der musikalische Spagat eindrucksvoll.

 

ELUVEITIE sah ich schon letztes Jahr; sie machten das Gleiche wie ehedem. Sympathisch schepperte sich die Band durch ihr eigenwilliges Stilmix, es gab verpasste Einsätze, Verspieler und heilloses Durcheinander, wie immer eigentlich. Dennoch, viele feierten munter, und der Sound der Band ist trotz Mitgliederwechsels der Gleiche geblieben. Mir war es allerdings zuviel des Durcheinanderquirlens. Im Anschluss daran trümmerten AS I LAY DYING ihre Metalcore-Botschaft hinunter zur Fanschar, welche sich in den ersten Reihen eine kleine Schlacht lieferte. Rhythmisch, griffig und hart böllerten AILD sich durch ihre Setlist, welche wenig variabel erschien, aber das soll wohl bei dieser Art Musik auch nicht anders sein. Die sehr sympathischen END OF GREEN hatten ja quasi ein Heimspiel und lieferten einen guten Gig, wie im letzten Jahr übrigens. Überhits fehlen noch, aber die Anhängerschar wächst beständig; die Band wird immer besser. Als SIX FEET UNDER die Main Stage betraten, war ich gerade dabei, auf dem Merchmarkt DARK TRANQUILLITY-Shirts zu inspizieren. Eigentlich not my cup of tea, entpuppten sich SIX FEET UNDER live als viel besser als die letzten sehr langweiligen Studioscheiben vermuten ließen. Vor allem die kehligen Grunts von Chris (welcher stets im Bühnenmittelpunkt stand) und die erstaunlich transparent tönenden (gar nicht so tiefgelegten) Gitarren klangen druckvoll, hart, erinnerten an alte Zeiten, als Death Metal noch von wenigen gehört wurde und der Boom in weiter Ferne lag. Sehr unterhaltsam schipperte sich die Band durch den Backkatalog, wobei nette Soli und Breaks den Stahl biegsamer gestalteten. So sollten SIX FEET UNDER auch mal im Studio klingen!  KATAKLYSM ließen sich von der Vorlage nicht beirren und lieferten ein ordentliches Set ab. Speed, Breaks, flirrende Soli und gemeine Growls regneten professionell hernieder; allmählich sollte mal eine ruhigere Kombo dieses Gemetzel auflockern, fand ich. Dass das noch 22 Stunden dauern sollte (ANATHEMA), wusste ich seinerzeit noch nicht. SUBWAY TO SALLY sind eine Partyband, welcher ich nicht viel abgewinnen kann; zu absehbar ist das Songmaterial, zu dünn die Darbietung. Ein Teil der Zuhörer sah das anders und gröhlte mit, trank und feierte. Die kultigen ASP habe ich verpasst, sie sollen allerdings gut gewesen sein, wie meine euphorisierten Kollegen mir am nächsten Tage mitteilten.

 

 

Samstag 16.08.2008

 

DEBAUCHERY hatten mir nach meinem Review (oder sollte ich Verriss sagen?) ihrer vorletzten AC/DC-lastigen CD ja mal angeboten, dass sie mir den Scheitel ordentlich nachziehen wollten; leider blieb es bei den Versprechungen. Zur Strafe verpasste ich den Auftritt. Die komplizierten, mit Humor zu nehmenden JAKA spielten sich und die allmählich doch ein wenig lädierte Menge ein wenig munterer. Die progressiven (guten), ein wenig nach KATATONIA und PARADISE LOST tönenden Death-Doom-Softies von THE OLD DEAD TREE sind eher etwas für den Abend und für längere Auftritte, deren Songs sind als Lückenfüller einfach zu lang und in einer halben Stunde kann da keine Stimmung aufkommen. AUTUMN sind zu herbstlich, auch die gehören in den Abend, nett, unspektakulär. HACKNEYED droschen wie gewohnt, laut, hart, immer auf die Zwölf. Auf der Main Stage knüppelten sich inzwischen ENDSTILLE mit Gekreische, blastenden Drums und ewig in Hornissentönen rebellierenden Gitarren durch die Songs der letzten zwei, drei Alben. Alles klingt gleich, nie gibt es eine ruhigere Sequenz, ein Break, Abwechslung. Der zweite Weltkrieg wird vertont, infantilistisch, regressiv, dumpf, stumpf, brummend, ohne jede Rafinesse außer der Idee, möglichst zerstörerischer, lauter und böser als MARDUK oder DARK FUNERAL zu sein; obligatorisch die Stille nach dem Inferno. Diese abschließende Endstille ist das Beste des Konzertes, daher gleich weiter zu KEEP OF KALESSIN. Selbige spielten ein buntes Medley quer durch die Bandgeschichte. Es fiel auf, dass der Sänger sowohl Growls wie auch Gefauche und feine Klarvocallinien bestens darzubieten imstande ist. Variabel auch die Gitarrenarbeit. Die längeren Tracks von „Armada“ und „Kolossus“ fanden natürlich die größte Berücksichtigung in der Setlist; sie sind auch geeignet, die technisch anspruchsvolle, progressive Seite der Band zu betonen. Das geschieht trefflich. Das tighte, druckvolle Zusammenspiel der Kombo war ein absolutes Highlight des Festivals. KEEP OF KALESSIN müssten länger spielen, wären ein würdiger Headliner. DISMEMBER mit ihrem Old School-Death Metal bildeten danach einen starken Kontrast; sie halten die Laune, Abwechslung gibt es hier keine, wozu auch, der Auftritt im letzten Jahr war genauso. NEAERA entpuppten sich als erheblich besser als ich vermutet hatte; der skandinavische Death Metal-Faktor ist heute hoch, „Armamentarium“ löste eine dynamische Wall Of Death aus, welche zur Flucht nötigt. Es gibt einen netten Mitklatschpart, „Tempest“-Songs wurden schneidend hart vorgetragen. Der Sound war viel besser als auf der Main Stage, es fällt immer wieder (und nicht zum letzten Male heute) auf. „Let The Tempest Come”, “Walls Instead Of Bridges” und “Save The Drowning Child” wurden wirklich klasse umgesetzt. Schnörkellos, gitarrentechnisch sehr versiert, mit kleinen Feinheiten abseits des Hauptpfades sensten sich NEAERA durch den Auftritt. Diese Band ist live ein sympathischer Kracher ohnegleichen. Schon jetzt war der Sonnabend viel besser als der Vortag. Und es kamen ja noch ENSIFERUM... Die Finnen, mit freiem Oberkörper und erdiger Waldbemalung in interessanter Optik angetreten, spannten uns zunächst mit ihrem bekannten ausgedehnten Intro der „Victory Songs“-CD auf die Folter. Der Ritt durch den grünen Hain wurde eröffnet mit „Deathbringer From The Sky“. ENSIFERUM stellten sofort auf Dauergalopp. Der interessante Song litt etwas unter dem seltsam eingestellten Mix. Die Techniker hatten wieder eine Auszeit. Denn nahezu alle Höhen wurden herausgefiltert, die Basslinien brummten, sämtliche Melodien (und derer gibt es viele bei ENSIFERUM) wurden geschluckt. „Toker Of Time“ vom Debut der Band knallte gut, aber der matschige Sound störte doch sehr. Gut, das nervte mittendrin in der feiernden Masse nicht so, denn die zahlreich erschienene Fanschar sang mit, ließ sich vom Enthusiasmus der Band durchaus anstecken. Einige Tracks der zweiten CD wurden intoniert, verspielt, Tempo aufnehmend, immer mit Augenzwinkern. Es könnte alles so gut sein... wenn da nicht diese Tonqualität wäre. Nachdem Lindros zu einer Wall Of Death aufgerufen hat, während über uns ein Sportflugzeug in beunruhigender Höhe (vielmehr Tiefe) seine Runden drehte, gab es Speed mit „Ahti“, „Blood Is The Price Of Glory“ und „One More Magic Potion“, alles tolle Songs in stumpfem Gewand. Da Lindros die clean gesungenen Passagen auch unter diesen widrigen Umständen gut hinbekam, fragt man sich, wie alles wäre, wenn da Frederik Nordström am Mischpult säße, am besten zusammen mit Fleming Rasmussen, Peter Tägtgren, Daniel Bergstrand, Jon und Marsha Zazula, Rick Rubin und Andy Classen... „Battle Song“ läutete das Finale ein, doch wo blieb „The Wandarer“? Stattdessen gab es noch ein kurzes Ausklingen mit Akkorden aus dem „Trooper“ von MAIDEN und METALLICAs „For Whom The Bell Tolls“. Diese Band mit ihren vielen hellen Leads, groovigen Licks und transparenten Akkorden braucht live einfach adäquate technische Umsetzung. Hier müssen sich die Verantwortlichen etwas einfallen lassen, denn diese Probleme waren alle drei Tage omnipräsent.

 

PRIMAL FEAR boten mal wieder ihre absehbare Mischung aus JUDAS PRIEST und HELLOWEEN. Jedes Solo, jedes Riff kommt dann, wenn es erwartet wird. Die Refrains überschlagen sich, der Kontakt zum Publikum ist stark, wie immer bei solchen traditionellen Bands, welche auf Metal-Community setzen. H-BLOCK-X bedienten die softere, alternativere Seite des Segments. Professionell spielten sie ihre Hits herunter, auch sie mit matschigem Sound kämpfend. Die allseits gehypten SONIC SYNDICATE setzten uns ihre Vorstellung von perfekt zu vermarktendem Melodic Death-Pop vor. Mich berührte das nicht sonderlich, da zuviel Zucker in immergleiche Songschemata eingebaut wird. Den Fans gefiel es durchaus. Ein wenig gecastet wirkte diese Band schon, nun gut. HEAVEN SHALL BURN legten infernalisch los und bretterten sich dynamisch durch ihr Liedgut. In den ersten fünf oder sechs Reihen mochte ich nicht sein; dort kämpfte jeder für sich. HSB sind aggressiv, ernst, ernstzunehmend, keine Kasper. Ich bin kein Fan dieser Richtung, dennoch, Kompliment für derart kompromissloses Auftreten bei widrigem Mix (wir erinnern uns, wir befinden uns vor der Main Stage); die gute Leistung der Musiker weiß ich zu würdigen. Hier gibt es keine Effekthascherei, kein Pseudograuen a la ENDSTILLE oder Gepose wie bei SONIC SYNDICATE. Hier ist alles echt, die erlebte Gewalt, die Bedrohung, der Ausdruck, die Umsetzung, es ist urbane Musik für Erwachsene. Und diese Band ist dazu sehr sympathisch. Und das sind auch DESTRUCTION, dieses Thrash-Urgestein aus den Achtzigern. Klar, DESTRUCTION ballerten aus allen Rohren, Klassiker wie „Mad Butcher“ trafen auf „The Antichrist“. Auch ganz neue Tracks wurden vorgestellt. Das Publikum geht mit, obwohl es allmählich schon zunehmender Erschöpfung anheimfiel. Unspektakulär holzten sich die Altmeister durch das Konzert. Filigraneres erwartete uns dann vor der Main Stage gegen 22.45 Uhr: CRADLE OF FILTH gaben sich ein Stelldichein. Eine etwas undankbare Zeit für den Headliner, die Luft wurde allmählich dünner und ein ein größerer Gegensatz als zwischen HEAVEN SHALL BURN und CRADLE ist kaum denkbar. Dennoch, „Dirge Inferno“, „Gilded Cunt“ und einige Hits der älteren Ära kamen schon gut. Nicht allzu schrecklich wirkendes, eher an Barbie in Schwanensee erinnerndes Corpsepaint und pechschwarze Musterkleidung aus dem heimatlichen Fetisch-Shop wurden gerne vorgeführt. Das überlange „The Death Of Love“ vom seinerzeit noch unbekannten allerneuesten Album der Dunkelmänner (und -weiblein) zeigte etwas zittrigen, dünnen Frauengesang, wie überhaupt das chorale Element, der Bombast, das Schwelgerische seltsam dazugemischt wirkt, beinahe fremd. Danis Growls erleben wir häufiger als auf CD. Live geht mir insgesamt schon etwas die typische CRADLE-Magie verloren. Dennoch, gut sind sie schon, auch instrumental. Kaum verklingt der infernalische Sound, geht es zur Pain Stage, zu ANATHEMA. Und ich darf es vorweg nehmen: diese Band war die Beste des Festivals. Von Anfang an heiter, gelassen, mit dem Publikum spielend, boten die Briten einen glänzenden Auftritt. Nicht nur die Beleuchtung stimmte perfekt, jeder Ton saß, jede Gesangslinie wirkte treffend, ohne dass es etwa an der nötigen Spontanität des Ausdrucks fehlte. Stets scherzte die Band, unterhielt sich mit den vorderen Reihen, freute sich über die große Resonanz. Das Publikum hat ANATHEMA nicht vergessen. Die Setlist schien durchaus von den begeisterten Fans beeinflusst. Die Cavanagh-Brüder waren untereinander friedlich gestimmt; „A Dying Wish“, „Harmonium“, das wunderbar ruhige, sich steigernde Instrumental „Closer“ und das folgende mit Klassefrauenstimme veredelte atmosphärische „A Natural Disaster“ wie auch das PINK FLOYD-Cover „Comfortably Numb“ oder „Are You There“ erzeugten kollektiv Gänsehaut. Ein Superfinale! Instrumental virtuos, mit lässigem Timing wurden uns die tollen Highlights der Band vorgestellt. Das mit einigen Härtegraden aufwartende „Pulled Under At 2000 Meters Per Second“ und „Violence“ schnitten in die melancholische Grundstimmung und ließen sie umso tiefer wirken. Kurz: Optimal, was uns hier zum Festivalende noch einmal geboten wurde. Da war es zu verschmerzen, die Blackies von DARK FORTRESS verpasst zu haben. ANATHEMA haben mit Hingabe, Leidenschaft und Spaß gespielt und die Erwartung an das nächste Studioalbum in höchste Höhen geschraubt. Zufrieden trat ich den Heimweg an, die Nacht würde kurz sein, am nächsten Tag warteten 560 Kilometer Fahrt.

 

M.E. – www.sounds2move.de

 

 

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