Festivalbericht zum Ragnarök 2008

Zum fünften Mal zog es Ende März alle Freunde der heidnischen Musik in die Stadthalle nach Lichtenfels. Das Ragnarök-Festival hatte in diesem Jahr eine ganz erlesene Mischung an Bands parat – dementsprechend gut besucht war die Veranstaltung. 5.000 Zuschauer sollen es nach offiziellen Angaben gewesen sein – mehr sollten es auch nicht werden. Schon in diesem Jahr war es in der Halle stellenweise ziemlich voll, und die sanitären Anlagen sowie der Gastro-Bereich wirkten überlastet bzw. nicht gerade sinnvoll aufgestellt. Auch die Organisation in Sachen Anfahrt, Parken und Camping ist noch ausbaufähig. Positiv erwähnen muss man in jedem Fall die fairen Preise und die gute Stimmung bei fast allen Bands. Ein zweischneidiges Schwert ist die große Anzahl an hochkarätigen Acts. Auf der einen Seite ist es ein Zeichen von Qualität, wenn ein Festival bis in den letzten Slot gut besetzt ist, auf der anderen Seite werden dann aber zwangsläufig einige Bands verheizt und die Fans müssen mit teilweise zu kurzen Spielzeiten leben. Die Veranstalter sollten überlegen, ob weniger nicht manchmal auch mehr sein kann. Ich habe das Mammut-Programm jedenfalls als ziemlich anstrengend empfunden (man will natürlich auch möglichst nichts verpassen)...

 

Freitag, 28.03. 

Den Anfang am Freitagnachmittag machten die dänischen Newcomer SVARSOT. Und sie machten ihre Sache recht gut. Das schon zahlreich erschienene Publikum nahm den Folk-Death-Metal dankbar auf. Die Südskandinavier spielten diverse Songs von ihrem kürzlich erschienenen Debüt, wobei das von vielen Promo-Samplern bekannte „Gravøllet“ und der Abschlusssong “Jotunheimsfærden“ am meisten abräumten. Auf die nachfolgenden NORTHER mit ihrem stark an Children of Bodom angelehnten Sound hätte ich gut verzichten können. Doch muss man ihnen zugestehen, dass sie eine solide Performance ablieferten und vom Publikum wohlwollend aufgenommen wurden. Letzteres ist sicher auch der Tatsache zuzusprechen, dass Sänger Petri Lindroos durch seinen Einstieg bei Ensiferum der Band einen enormen Popularitätsschub verpasst hat. An seinem hässlichen Plastik-Winkingerhelm kann es jedenfalls nicht gelegen haben. Dass nun AGALLOCH an der Reihe waren, dies aber viele nicht wussten, da eigentlich Sworn angekündigt waren, gehört im Nachhinein zu den größten Kritikpunkten an die Adresse der Festivalorganisation. Denn der Tausch wurde in keiner Weise kommuniziert, und viele Fans der amerikanischen Ausnahmeband verpassten daher den Auftritt ihrer Faves. Und den Auftritt kann man als durchaus gelungen betrachten. Der ruhige Dark Metal versprühte jede Menge Atmosphäre, und trotz der kurzen Spielzeit gelang es den Amis, jedes ihrer drei Alben mit mindestens einem Song zu würdigen.

Dann war es Zeit für SKYFORGER. Die Letten gehören zweifelsohne zu den besten Live-Bands der Pagan-Metal-Szene. In historischem Gewand und mit jeder Menge folkloristischer Instrumente am Start sorgten die Balten nicht nur für ausreichend Authentizität, sondern auch für jede Menge Aktion vor der Bühne. Denn musikalisch lag der Schwerpunkt wieder auf den härteren Songs der ersten beiden Alben. An sich nichts schlechtes, doch hab ich wie schon auf der Tour vor zwei Jahren die Acapella-Einlagen vermisst. Im Anschluss spielten dann SWORN, die zwei Slots zuvor passen mussten, da ihre Ausrüstung abhanden gekommen war. Diese war zwar immer noch nicht wieder aufgetaucht, dafür durften sie mit dem Equipment von Skyforger spielen. Die Norweger, die erst im vergangenen Jahr ihr Debütalbum unters Volk gebracht haben, konnten mit ihrem sehr melodischen Black Metal die anwesenden Fans durchaus bei Laune halten. Bei mir persönlich ist der Funke allerdings erst beim letzten Song, bezeichnenderweise einer Dissection-Cover-Version („Nights Blood“), übergesprungen. Wie man schon vermuten konnte, wurde es im Anschluss bei TURISAS richtig voll vor der Bühne. Den ganzen Tag lang hatte man bereits Fans im Turisas-Style geschminkt durch die Halle laufen sehen und so stellte wohl für viele die nun folgende Dreiviertelstunde den absoluten Höhepunkt des Festivals dar. Dabei verließen sich die Finnen nicht nur auf bewährte Partykracher wie „One more“, „Battle Metal“ oder „Rasputin“. Auch epische Songs der Marke „Miklagard Overture“ wurden ausgebreitet. Es gab also nicht viel auszusetzen. Höchstens, dass sie nicht mehr diesen urigen Freak am Akkordeon dabei hatten – allerdings machte die Blondine, die diesen Job nun ausfüllt, auch eine gute Figur.

 


Elexorien

Mit PRIMORDIAL folgte gleich der nächste quasi-Headliner. Keine Frage, die Iren sind in. Und das nicht ohne Grund. Mit „Empire Falls“ und „Gallow's Hymn“ vom letztjährigen Erfolgsalbum „To the nameless Dead“ zogen Primordial die Masse gleich auf ihre Seite. Dass Sänger Alan dabei aussah wie Nosferatu persönlich unterstützte noch die Gänsehaut-Atmosphäre. Neben zwei weiteren neuen Songs sowie „The Coffin Ships“ vom Vorgänger und „Sons of the Morrigan“ vom „Calm before Storm“-Album gab es zum Abschluss auch was für die härtere Fraktion. „Gods to the Godless“ vom 2000er Album “Spirit the Earth aflame” rundete einen sehr gelungenen Gig ab. Doch etwas überrascht war ich im Anschluss von SEAR BLISS. Hatte ich von den Ungarn in erster Linie Geknüppel erwartet, wurde ich nun eines besseren belehrt. Der Black Metal der Magyaren, die schon über zehn Jahre die Szene unsicher machen, ist teilweise sehr melodisch und atmosphärisch. Durch die fast omnipräsente Tromboe erhält der Sound dabei seine ganz spezielle Note. So richtig auf die zwölf gab es dann aber doch noch bei den Songs vom Debüt-Album „Phantoms“. Zu später Stunde wurden dann die Pandabären frei gelassen. HELLSAW aus Österreich spielten truen Black Metal mit Corpsepaint und allem was sonst noch so dazu gehört. Es war auf jeden Fall professionell gemacht und zog für die fortgeschrittene Uhrzeit erstaunlich viele Banger vor die Bühne. Ich selbst musste dagegen erst mal etwas ausruhen und zog mich auf die Tribüne zurück. Von hier aus verfolgte ich auch den Auftritt von KILLING SPREE. Die Brandenburger mussten dann leider wirklich der vorgerückten Stunde Tribut zollen. Ihren durchaus gutklassigen Death Metal der alten Schule mit starken Keyboard-Einflüssen wollte nur noch ein kleines Grüppchen ausharrender Fans sehen. Ähnlich erging es im Anschluss WINTERDOME, die dennoch unter Beweis stellten, dass nicht alles was aus Hannover kommt unbedingt schlecht sein muss. Zwar ist es nicht ganz risikolos um nach vier Uhr nachts mit Hörspielpassagen aufzuwarten (es dürften wohl nicht wenige Metaller diese so wie ich normalerweise als Einschlafhilfe benutzen), doch gelang es den Musikern die Verbliebenen mit einem engagierten Auftritt wach zu halten. Die Musik würde ich als eine im klassischen Sinne abgespeckte dafür deutlich härtere Version von Haggard  beschreiben. In jedem Fall hat sich das Durchhalten gelohnt.

 

Samstag, 29.03.


Battlelore

Nach kurzer kalter Nacht im Auto starteten HELRITT den Band-Reigen am Samstagvormittag. Pagan Metal nach klassisch-thüringischer Schule bekamen die noch etwas müde wirkenden und noch nicht gar so zahlreich erschienenen Zuschauer geboten. Dennoch spielten die ehemaligen Surturs-Lohe-Mitglieder einen engagierten-Gig, in dem sie fast ihr komplettes Debüt-Album „Trotzend dem Niedergang“ unterbrachten. „We are ELEXORIEN from Holland and we are not very ausgeschlafen…”. Mit diesen Worten begrüßte Frontmann Lainedil die sich langsam füllende Lichtenfelser Stadthalle. Doch der Auftritt der Battle-Metaller wirkte alles andere als verschlafen. Mit „Running With The Wolves Of War” gaben die Krieger und Kriegerinnen den Startschuss und ließen fünf weitere teilweise überraschend harte Schlachthymnen folgen. Auch der Gesang von Frontlady Ine, den ich von der CD als ziemlich mies in Erinnerung hatte, kam live deutlich besser rüber. Möglich dass dies an dem äußerst leckeren Äußeren der Dame gelegen hat...

 

Einen wesentlich besseren Platz im Billing hätten eigentlich TRIMONIUM verdient gehabt. Die Bitterfelder stiegen mit dem Titeltrack ihres letztjährigen Gewaltwerks „Son of a Blizzard“ in das viel zu kurze Set ein. „When the Ravens Fly“ vom Debütalbum „Of Warriors and heroism” brachte dann auch den letzten Kopf zum Bangen. Das Pagan-Black-Thrash-Metal-Gebräu des anhaltinischen Quartetts lässt einen auch schwerlich kalt. Leider war aufgrund des engen Zeitrahmens bereits nach fünf Songs Schluss. Mit der Musik von TROLLFEST konnte ich dagegen leider gar nichts anfangen. Irgendwie wirkte der Sound der Norweger auf mich wie Grindcore mit Kaspereinlagen. Deswegen beschloss ich eine kleine Shopping- und Erholungspause einzulegen, der auch der Auftritt von MINAS MORGUL zum Opfer fiel. Zur Hälfte von THRONAR war ich dann zurück und ärgerte mich, deren Auftritt nicht komplett gesehen zu haben. Der keyboardlastige Battle Metal der Holländer gefiel mir ausgesprochen gut. Ein wenig erinnerte es mich an Ensiferum, aber die Band sollte man in jedem Fall mal antesten. Weniger überzeugt hat mich danach der Auftritt von WOLFCHANT. Irgendwie klang mir der Pagan-Metal der Süddeutschen zu belanglos und dudelig. Fairerweise muss man sagen, dass das viele in der Halle anders sahen und die Band ordentlich abfeierten. Danach wurde es ernst: XIV DARK CENTURIES gehören zu Thüringens erster Pagan-Metal-Garde. Dementsprechend voll war es vor der Bühne...und nicht ganz ungefährlich. Denn betrunkene Heiden, die im Moshpit wild ihrem Trinkhorn herumfuchteln können einem schon mal die ein oder andere Beule verpassen. Für das muntere Treiben sorgten die in historische Kluft gewandeten Ostdeutschen mit einem Mix aus Songs des aktuellen Albums „Skithingi“ und der „Jul“-EP. Songs vom Debüt kamen leider nicht zum Zuge. Sänger Michel ließ es sich auch nicht nehmen, einen Appell in Sachen Umweltschutz an die selbsternannten Paganisten zu richten. Doch, ob der so richtig verstanden wurde von der bier(met)seligen Masse, wage ich zu bezweifeln.

Leider leerte sich die Halle vor BATTLELORE deutlich. Dennoch waren immer noch genug Metalheads anwesend, um die Tolkien-Jünger gehörig abzufeiern. Und das zu Recht, denn die verrückten Finnen spielten einen der besten Gigs, die ich bislang von ihnen gesehen habe. Der Sound war von Anfang an gut, Kaisa konnte stimmlich überzeugen und die Setlist war ein Traum: angefangen bei „Sons of Riddermark“, über die live eher selten gehörten „Chazad Dum“ und „Ghan of the Woods“, „House of Heroes“ und „Summon the Wolves“ vom letzten Album und natürlich „Journey to undying Lands“. Bei „The War of Wrath“ hatte ich dann Tränen in den Augen bis „We are the Legions“ als brutaler Rausschmeißer fungierte. Gefehlt hat eigentlich nur „Buccaneers Inn“, aber man kann nicht alles haben. Ganz klarer Publikumsmagnet waren im Anschluss HELRUNAR. Der Black Metal der Westfalen, der seinen Pagan-Touch eher durch die Texte als durch die Musik bekommt, wurde sehr gut aufgenommen. Bei „Älter als das Kreuz“ gab es sogar Rockstar-ähnliche Wechselgesänge mit der Menge. Alle Achtung! Leider hatte Mastermind Skald Draugir mit seinen Mannen nur Zeit für sechs Songs, weswegen einige Fans hinterher etwas enttäuscht waren. Dass die russische Pagan-Folk-Sensation ARKONA in Lichtenfels gehörig abräumen würde war mir klar, nachdem ich sie letztes Jahr auf dem Rock-for-Roots-Festival gesehen hatte. Wirbelwind Mascha ist die geborene Frontsau mit gehörigem Stimmvolumen, musikalisch und technisch muss sich die Band hinter keiner westlichen oder besser nördlichen Konkurrenz verstecken und die Rhythmen laden einfach zum Mitmachen ein. Einziges Manko: die folkloristischen Elemente kamen mal wieder vom Band. Überraschend fand ich den Einstieg in den Set, war er doch haargenau derselbe wie auf dem mittlerweile zwei Jahre alten Live-Album „Zhizn Vo Slavu“ („Intro – Kolymiyka“, „Skvoz' Tuman Vekov“ und „Po Syroi Zemle“). Erst danach kam das neue Album mit "Ot Serdtsa K Nebu", Kupala I Kostroma" und Teilen von „Katitsya Kolo“ zum Zuge. Als Abschluss gab es „Maslenitsa“ und „Rus“ vom Debüt sowie „Oi, to ne Vecher“ von „Lepta“. Die angedachte Zugabe „Vyidu ya na Volushky“ musste aus Zeitgründen leider entfallen.
 

Bei jedem anderen Festival hätte ich MENHIR wahrscheinlich begeistert abgefeiert, auf dem Ragnarök jedoch musste ich aufgrund der Dichte des Programms etwas Abstand gewinnen und sah mir die Thüringer aus der letzten Reihe an. Der Einstieg war etwas kurios, da der erste Song aufgrund von Soundproblemen inklusive Intro noch mal gespielt wurde. Danach hatten Deutschlands Pagan-Urgesteine alles bestens im Griff. Zwar haben die Jungs was das Bühnenoutfit angeht einiges abgespeckt, doch musikalisch war alles wie gewohnt. Es wurde ein Querschnitt der breiten Schaffensphase der Band geboten, der ob der knapp bemessenen Zeit natürlich zu kurz sein musste. Dass HAGGAR mit ihrem Mini-Orchester nicht mit der angesetzten 20-Minuten-Umbaupause zurecht kommen würden, war klar. Dass allerdings die Pagan verwöhnte Meute so geduldig auf die Band warten und den Rondo-Veneziano-Death-Metal der Münchner so abfeiern würde, hätte ich nicht gedacht. Asis und Kollegen zeigten sich trotz einiger Soundprobleme gut aufgelegt und präsentierten ein Programm, das in einigen Details doch überraschte. So gab es nicht wie letztes Jahr in Wacken neue Songs vom immer wieder verschobenen nächsten Album zu hören. Dafür rückte „In a pale moons shadow“ wieder in die Setlist, was ich sehr begrüßt habe. Da die Band offensichtlich die Halle gut im Griff hatte, durfte sie trotz Verspätung sogar noch eine Zugabe spielen („Eppur si muove“). Danach streikten leider meine Kräfte. Die Death-Metal-Legende UNLEASHED hätte eigentlich ein wenig mehr Engagement meinerseits verdient gehabt, doch reichte es nur dazu, mir das Soundgewitter von der Tribüne aus anzugucken und bei Klassikern wie „Into Glory Ride“ oder „Death Metal Victory“ etwas mit dem Kopf zu nicken.

 


Thronar

Ähnlich sah es bei VREID aus. Der Soundmix aus Black Metal, Pagan und Black ´n´ Roll wusste zwar durchaus zu gefallen, doch den letzten Kick verpasste er mir nicht. Erschwerend kam hinzu, dass die angekündigte „Special Show“ nur aus ein paar Pyro-Effekten bestand. Anzumerken ist auch, dass alle Windir-Fans vergeblich auf die ein oder andere Reminiszenz an die Vorgängerband warteten. Zu NEGURA BUNGET raffte ich mich dann doch noch mal auf. Die rumänische Ausnahmeband muss man wirklich aus der Nähe gesehen haben. Was die Süd-Ost-Europäer so alles an Instrumenten zum Einsatz bringen ist wirklich beachtlich. Mit Alphörnern und irgendwelchen Holzklöppelinstrumenten wird man eingelullt, um im nächsten Moment von ultrahartem Black Metal ordentlich einen vorgebraten zu bekommen. In jedem Fall ein musikalisches Erlebnis, das man sich mal gönnen sollte. Meine Chronistenpflicht verlangte es natürlich, dass ich auch bis zur letzten Band vor Ort ausharrte. Und das, obwohl es (mit Zeitumstellung) schon wieder vier Uhr geworden war. Doch der Auftritt von FIMBULTHEIR entschädigte für vieles. Sehr melodiöser Viking Death Metal (mit Running-Wild-Anleihen), sehr spielfreudig vorgetragen lockte noch mal die letzten Reserven aus den wenigen verbliebenen Gästen. Über das Schuluniform-Outfit kann man natürlich streiten, doch sollte es wohl einen bewussten Kontrapunkt zu den sonst üblichen Fellen und Gewändern darstellen. Die wenigen dafür teils überlangen Songs wussten in jedem Fall zu gefallen und geleiteten mich auf meinen langen Heimweg. Bis zum nächsten Jahr!

 

Alexander Dontscheff – www.sounds2move.de (Text & Fotos)

 

Link: www.ragnaroek-festival.com/