Festivalbericht zum Rock am Härtsfeldsee  2008

 

In diesem Sommer steuert die sounds2move-Crew vermehr nette kleine Festivals an, die in diesem Jahr erstmalig von uns heimgesucht werden. Eines davon ist das Rock am Härtsfeldsee, welches – der Name lässt es vermuten – am gleichnamigen See zum rocken einlädt. Trotz starker Konkurrenz an diesem Wochenende (unter anderem Graspop Metal Meeting, Bang Your Head) ist das Zelt vor allem bei den Headlinern gut gefüllt.

 

Freitag, 27.06.

Allerdings gilt es zuvor eine ausführliche Kontrolle seitens der Staatsmacht über sich ergehen zu lassen, die stets freundlich bleibt, aber alles im Detail erklärt bekommen will und die alle heraus gewunkenen Besucher erst einmal unter Generalverdacht stellt („Von Festivalbesuchern wird halt immer viel konsumiert“). Na dann. Dieser unfreiwilligen Pause wenige Hundert Meter vor dem Festivalgelände fällt dann auch der halbe Auftritt des Openers LIVID HALCYON zum Opfer. Das gemischte Quartett aus Aalen hat zwar noch nicht die Menge an Zuschauern vor der Bühne, die meisten ziehen es vor noch auf dem Zeltplatz umher zu gammeln oder die wenigen Verkaufsstände vor dem Zelt in Augenschein zu nehmen, lässt deshalb aber dennoch das Engagement nicht schleifen. Für den recht versöhnlichen Mix aus Alternative Rock, sehr-dezenter Gothic Note und einer winzigen Priese Metal erntet der Vierer dann auch den verdienten, wenn auch nicht überschwänglichen Applaus der Anwesenden. Selbige werden auch zum Gig von DRONE nicht mehr, selbst wenn sich die Live-Qualitäten der Herren, die den 2006 Metal Battle des W:O:A gewinnen konnten, langsam aber sicher herumgesprochen haben sollten. Mit über 100 Gigs im Rücken kann man sich natürlich routiniert präsentieren und wenn dann auch noch handwerklich alles überzeugt, sollte es eigentlich von allein laufen. Eigentlich. Denn obwohl die Jungs spritzig und unheimlich sympathisch zu Werke gehen, will der finale Funken nicht auf die zum Großteil noch hüftsteife Metallerschaft überspringen. An den Songs kann es nicht gelegen haben, selbst wenn Drone uns eine absolute Überhymne bisher (noch) schuldig sind.

Drone Megaherz Within Temptation

Diese Problematik ist für die Regensburger Melodic Deather DEADLOCK ein Fremdwort, denn deren noch immer aktuelle Scheibe „Wolves“ quillt vor ohrenschmeichelnden Hits nur so über. Neben der Essenz aus besagtem Album präsentieren die Rampensäue an diesem Tag auch das wunderbare „Awakend by Sirens“ vom Vorgänger „Earth.Revolt“ und damit eine Hitdichte, die fast jedes Publikum in Verzückung versetzt. Doch selbst jetzt sind die Härtsfeldsee-Rocker noch nicht auf Betriebstemperatur, auch wenn einige angereiste Fans ausgiebig ihrer Band huldigen. Somit fehlt auch den Musikern an diesem Tag der letzte Kick um aus einem guten einen sehr guten Gig zu machen. Völlig überraschend ist das Zelt bei der nächsten Band des Tages, von der ich persönlich mir nach unzähligen Querellen nur wenig erwartet habe, urplötzlich rappelvoll. Aus irgendwelchen Gründen rennen MEGAHERZ an diesem Tag offene Türen ein, obwohl man zwischenzeitlich mehrfach in der Versenkung verschwunden war und es jetzt in Kürze noch einmal mit dem neuen Dreher „Heuchler“ wissen will. Auch den neuen Frontmann Lex empfängt das Publikum mit offenen Armen, was der baumlange Sänger mit einer energischen, gestenreichen Show zurückzahlt, während das Publikum schon beim ersten Songblock mit „Blut und Tränen“, „Jordan“ und „Gott sein“ jede Zeile mitsingt. Der Vorgeschmack „Mann von Welt“ steht im weiteren Verlauf bekanntem Liedgut wie „Mein Herz schlägt“ und dem unvermeidlichen „Miststück“ in nichts nach und lässt die Stimmung erstmalig an diesem Tag richtig aufkochen. Der Überraschungssieger des Tages. So ganz und gar nicht unerwartet ist hingegen der bombige Empfang für die Lokalmatadoren BRAINSTORM, die ihren Vorgängern problemlos noch eins draufsetzen können. Kein Wundern, wenn man ein schwäbischen Duracell-Häschen wie Andy B. Franck in seinen Reihen hat, der mit seiner herzlichen Art ausnahmslos jedes Publikum zum moshen bringen kann. All zu viel verlangen die Fans ihren Lieblingen an diesem Tag zumindest in dieser Hinsicht nicht ab, denn Dischingen frisst den Power Metallern, die zu einem Mix aus blauem und rotem Licht die Bühne stürmen, bereits mit der ersten Note aus den Händen. Die gereichten Mitsing-Häppchen zergehen den zahlreichen Zuschauern standesgemäß auf der Zunge (bzw. in den Ohren), was bei Leckerbissen wie „Highs without Lows“, „Falling Spiral Down“, „Words are comin’ through“ oder aber „Fire walk with Me“ eigentlich selbstverständlich ist. Fliegende Körper (darunter auch mal der des Sängers) über den Köpfen sind da obligatorisch, ebenso wie die frenetisch Verabschiedung, der leider aus Zeitgründen keine Zugabe folgen kann.

Dass die holländischen Chartsstürmer von WITHIN TEMPTATION diese Show sogar noch lässig in die Tasche stecken (und zwar in allen Belangen) hätte ich ehrlich gesagt nicht gedacht. Der intimere Rahmen der Show, die ungewohnt kleine Bühne und der noch direktere Kontakt zum Publikum scheint der Band im positiven Sinne aufs Gemüt zu schlagen, denn nicht nur Gitarrist Robert Westerholt hüpft und springt über die Bühne wie ein junges Reh, auch den anderen Bandmitgliedern steht die Freude ins Gesicht geschrieben, was angesichts des ständig anhaltenden Konzertmarathons des Sextetts nicht an jedem Abend uneingeschränkt der Fall ist. Auch das Publikum gibt alles und setzt eine Energie frei, wie ich sie zuletzt selten bei dieser Band gesehen habe. Kein Vergleich mit der eher nüchternen, routinierten Rocksound-Show vor wenigen Wochen, heute ist richtig Feuer drin und wer glaubte, dass Within Temptation keine Band für Pogo und exzessives Crowdsurfer sind, der wird an diesem Tag am Härtsfeldsee eines besseren belehrt. Am Ende fliegen noch mehr Körper in den Fotograben als bei den Jungs von Brainstorm, was Sharon den Adel mit sonnigem Gemüt und nur wenigen kleinen Aussetzern quittiert. Wo die Show um Dimensionen intensiver im Vergleich zur schweizerischen Show ist, gibt es bei der Setlist im direkten Vergleich keine Neuerungen (lediglich „See who I am“ fällt aus dem Set) und auch auf einen Tribut an die guten alten Zeiten warten die Fans leider vergeblich. An einem solchen Abend schmerzt dies aber so wenig wie selten, denn auch so passt einfach alles.

Deadlock Hackneyed Kissin' Dynamite

 

Samstag, 28.06.

Besucherfreundlicherweise startet auch der zweite Festivaltag erst am späten Nachmittag, was noch lange nicht heißt, dass dann schon alle Rockerinnen und Rocker mit Anwesenheit glänzen. Stattdessen präsentiert sich das Bild des Vortages: Zurückhaltung ist erst einmal Trumpf, das wirklich große Interesse an den kleineren Bands scheint es nicht zu geben. Im Falle der schwäbischen Gulaschkanone HACKNEYED ist dieses Verhalten noch einigermaßen nachvollziehbar, denn auch wenn die Buben zumindest im Süden der Republik einige gleichaltrige Fans vorweisen können, muss man den „Kindergarten von Cannibal Corpse“ nicht gesehen haben. Ich weiß nicht ob es Genre-Maniacs anders geht – was natürlich durchaus möglich ist -, aber an mir läuft das gebotene musikalisch vollends vorbei. Noch jünger, aber völlig anders ausgerichtet sind hingegen KISSIN’ DYNAMITE. Hier regiert der Rock N Roll, man bedient sich gern bei Bands wie Guns N Roses oder aber der Kapelle von Nikki Sixx und Co. und trifft damit unweigerlich den Nerv des Autors, der sich schon Anfang der 90er für die Gunners zu ihrer Hochphase erwärmen konnte. Dass die Buben dabei zeitweise für textliche Schmunzler sorgen („I hate Hip Hop“), verzeiht man den Jungspunden aber gern, wenn Attitüde und Einsatz stimmen. Abgesehen davon hat die Band unter anderem mit „My Religion“ sogar ein paar richtig coole Nummern in petto und mit der Showeinlage zu „Zombie“ mit einer entstellten Untoten auch die Lacher auf ihrer Seite. Weniger prickelnd empfinde ich hingegen den Motorsport-Titelsong „Freaky“, der doch arg flach daher kommt.

Davon kann bei SUIDAKRA absolut keine Rede sein, denn die Herren mit der Vorliebe für das alte Schottland legen wert auf historische Inhalte. Als gestandene Live-Band mit einer guten Hand voll Alben im Rücken kann man da natürlich aus den vollen schöpfen, was die Band am frühen Abend auch tut. Leider bleiben Reaktionen und Zuschauerzahl weiterhin überschaubar, da scheint auch ein ausgewogenes, alle Schaffensphasen abdeckendes Set nichts zu nutzen. Andere Band, gleiches Phänomen. LACRIMAS PROFUNDERE sind gekommen, um ihr neues Album „Songs for the last view“ vorzustellen, das just einen Tag vor der Show erschienen ist und das eine Woche später seinen Weg in die deutschen Albumcharts finden soll. Zur Geburt des neuen Referenzwerkes tischen die Süddeutschen unter anderem die brandneuen Goth Rock-Kracher „A Pearl“, „Dear Amy“ und „We shouldn’t be here“ auf, was zwar den eigens angereisten Fans runtergeht wie Öl, aber die Mehrheit der sonstigen Schaulustigen zeigt sich weitestgehend zurückhaltend. Ein paar Menschen können die Rock N Roller dann doch noch überzeugen, sodass die Stimmung zumindest etwas besser wird als bei den Auftritten zuvor. Schade ist, dass die eigentlichen Stimmungsbomben ELUVEITIE ihre Show aufgrund einer Verletzung ihres Drummers Merlin Sutter kurzfristig absagen mussten, was zur Folge hat, dass der Tagesheadliner APOCALYPTICA vorgezogen wird. Deren Auftritt wurde schon vor der ersten Note von einem schalen Beigeschmack begleitet, nachdem die Finnen sich nicht nur als einzige Band an diesem Wochenende für eine Autogrammstunde zu fein waren, sondern auch auf Seiten der Pressevertreter erst einmal munter aussortiert wurde, wer denn von den Herrschaften Fotos machen „darf“. Diese Umstände sind umso verwunderlicher, als dass die Vier (bzw. auf Tour Fünf) eigentlich als umgängliche Typen bekannt sind. Der kritische Fan wird sich zu Recht fragen, ob man sich in anderen Ländern, in denen man noch nicht so eine große Nummer ist, ein solches Verhalten erlaubt hätte. Zum Glück für die Band ist das Publikum in Dischingen nicht nachtragend und außerdem endlich auf Betriebstemperatur, und so wird das Zelt zum vierten Mal im Verlauf des Festivals endlich wieder richtig voll, während Apocalyptica einen großzügigen Abrisse aller bisherigen Alben präsentieren, der natürlich auch die obligatorischen Coverversionen der Anfangstage enthält. Des Weiteren erfreut man sich an „Helden“, „Path“, „I’m not Jesus“ und „Bittersweet“, bis die Cellisten und ihr Drummer ohne die Chance auf eine (Eluveitie sei eigentlich dank) verlängerte Spielzeit zu nutzen, unter tosendem Applaus von der Bühne gehen und breit grinsend und geschwitzt in ihrem Dressingroom verschwinden.

 
Lacrimas Profundere Suidakra Brainstorm Saltatio Mortis

Nach etwas zu langer Umbaupause sind danach SALTATIO MORTIS genau die richtige Band, um dem RaH-Publikum gleichzeitig die volle Breitseite und auch die letzte Ölung zu geben. Glänzend aufgelegt und vor Spiel- und Wortwitz nur so strahlende Spielleute diesen Kalibers wissen wie sie ein Publikum zu bedienen haben. Nämlich mit Gassenhauern und Stimmungsbomben wie „Spielmannsschwur“, „Tritt ein“ und „Falsche Freunde“. Zwischen Publikumsanimation, verbalen Sticheleinen und natürlich akustischem Verwöhnprogramm für Genrefans und Feierwütige, ist sogar noch Zeit um Falk zum 40. ein Ständchen zu bringen (und natürlich sich über den alten Mann lustig zu machen). Wenigstens Saltatio Mortis nutzen die Gelegenheit zum Ausbau ihrer Bühnenzeit und präsentieren letzten Endes fast die zeitlichen Ausmaße einer Headlinershow, selbst wenn sich die Reihen mit vorrückender Stunde zwar nicht schlagartig, aber doch merklich ausdünnen. Melancholisch geht der Abend zumindest was die Livemusik betrifft mit dem herzzerreißenden „Nichts bleibt mehr“ zu Ende, während die meisten Besucher von weiter weg auf dem Zeltplatz noch weiterfeiern und auf dem Gelände langsam die Lichter ausgehen. Gute Nacht und bis zum nächsten Mal.

Markus Rutten – www.sounds2move.de

 

Link: www.rockamhaertsfeldsee.de