Festivalbericht zum Bospop 2008

Nach zwei nur bedingt interessanten bzw. s2m-kompatiblen Festivaltagen (u.a. mit den Bangles, Santana und Neil Young) war es vor allem das leckere Tagesprogramm des Bospop-Sonntags, das eine Splittergruppe eures Lieblingsmagazins (hust) ins holländische Weert führt. Die erste interessante Erkenntnis bereits vor der Ankunft: An einer etwa 10 km langen Landstraße können unsere fahrradbegeisterten Nachbarn problemlos 7-8 (!!) fest installierte Blitzer aufstellen. Da fragt noch mal einer nach der sinnvollen Einteilung von Steuergeldern...

Deutlich durchdachter ist dagegen schon das sehr großzügige, übersichtlich strukturierte Festivalgelände des diesjährigen Bospop, das zwar bei den gewohnt satten Benelux-Preisen für Essen und Trinken keine Ausnahme macht, dafür aber eine kulinarische Farbenpracht an den Tag legt, bei der so ziemlich jedes hierzulande bekannte Open Air ziemlich abkackt. Von frisch belegten Baguettes, über Festival-Standards wie Pommes, Döner und Würstchen, gibt es hier auch Frikandel (eine Art nationale Frikadellenspezialität), amerikanische Pan-Pizza, asiatisches, indisches, vegetarische Gemüsegerichte, süße Leckereien wie Zuckerwatte, Softeis und Waffeln sowie einige weitere Gerichte. Dafür schon mal den ersten Pluspunkt. Die Opener LEAF auf der Hauptbühne rauschen dagegen eher an einem vorbei, selbst wenn ein paar Zuschauer die Truppe bereits zu kennen scheinen. Geboten wird leicht verdauliches zwischen Rock und Pop, das man so auch auf einem Stadtfest zu sehen bekommen könnte. Das Zelt eröffnen WIDE OPEN, ein paar betagtere Herren, die dem AOR frönen und das entsprechende Publikum damit trotz der Uhrzeit bereits zahlreich anlocken können. Danach haben SUBWAY TO SALLY auf der Hauptbühne trotz voller Show mit Pyro und Feuerspucken einen schweren Stand. Außerhalb des deutschsprachigen Raums sind die Brandenburger nach wie vor nicht mehr als ein Geheimtipp, was die offensichtlichen Lücken in den vorderen Reihen erklärt. Ein wieder einmal Rosen verschenkender Eric Fish sammelt (auch mit holprigem Englisch) dennoch fleißig Wählerstimmen und das ausgewogene musikalische Programm, das unter anderem „Die Trommel“, „Kleid aus Rosen“, und „Feuerland“ umfasst, weiß ebenfalls zu gefallen. Den Abschluss macht das schicke „Sieben“, dem – in Deutschland unmöglich – jedoch nicht mehr „Julia und die Räuber“ folgt. Spaß gemacht hat es aber auch ohne! Vor der kleinen Bühne bleibt der Alterschnitt recht hoch und das Publikum überwiegend „normal“ während DANA FUCHS einen Mix aus Rock, Pop und Blues kredenzt. Doch nur so lange, bis es die meisten Wartenden nicht mehr aushalten und schon mal vor die Hauptbühne marschieren, um sich für den Auftritt der Rock-Dinosauriern THIN LIZZY schon einmal die besten Plätze zu sichern. Diese befinden sich wie zuvor bei Subway to Sally mitten in der gnadenlos brutzelnden Sonne, die ordentlich den lokalen Getränkeverkäufern in die Karten spielt. Doch das ausharren lohnt sich, denn auf der Bühne präsentieren sich gestandene, abgebrühte Altrocker, die tight einen bunten Mix aus allerlei zum Großteil natürlich äußerst bekanntem Liedgut präsentieren. Mit ihren gedoppelten Leads, die bis heute von unzähligen anderen Truppen übernommen wurden, kommen Stücke wie „Don’t belive a Word“ oder „Dancing in the Moonlight“ natürlich in gewohnter Manier, auch wenn sich das Gesicht der Band über die Jahre regelmäßig verändert hat – zumindest was die Besetzung anbelangt. Es ist aber unbestritten ein Gewinn diese verdiente Band noch einmal gesehen zu haben. Wer weiß wie lange die Herren noch dem Rock N Roll Gott huldigen...

Nicht ganz so lang, aber auch schon beachtliche 18 Dienstjahre können die Briten ANATHEMA vorweisen, die bekanntlich über die Jahre von einer Doom Metal Kapelle hin zum Melancholic Rock konvertiert sind. Und obwohl die Engländer demnächst mit „Hindsight“ ein semi-akustisches Album veröffentlichen werden, ist das gewählte Programm an diesem Tag überraschend heavy (zumindest auf die zweite Hälfte der Schaffensphase der Band bezogen) aufgestellt, wenngleich natürlich auch ruhige Momente nicht selten sind. Ebenso überraschend wie die Rock-Dichte des Sets ist das Publikum, das vor allem in den vorderen Reihen angesichts der doch vorwiegend verträumten Klänge überraschend aktiv ist und vor allem in Gitarrist Danny Cavanagh einen animierenden Fixpunkt auf der Bühne vor Augen hat. Erstklassiges wie „Flying“, „A Natural Disaster“, „Deep“ und das vorab bereits gratis zum Download gestellte, aber noch nicht auf CD erhältliche „Angels walk among us“ lassen Fanherzen höher schlagen, während neutrale Beobachter die Begeisterung vermutlich auf den ersten Eindruck eher weniger teilen können. Der Autor freut sich dennoch ein zweites Loch in den Hintern und erwischt wenig später DANKO JONES auf der Hauptbühne. Die reinrassige Rock- und Rampensau hat natürlich wieder allerlei hirnrissige Ansagen im Gepäck, etwa eine Auflistung dessen welche Extremitäten (und Körperteile) er ohne mit der Wimper zu zucken bei einer Autogrammstunde signieren würde. Außerdem nutzt der namengebende Kanadier direkt die Chance und die Aufmerksamkeit, um einen Abstecher in die Kabine seiner Helden von ZZ Top nach seinem Auftritt klar zu machen, um endlich irgendwie seine „Legs“-Scheibe signieren lassen zu können. Gefickt eingeschädelt. Zwischendurch gibt’s natürlich auch noch ein bisschen Musik, die etwa in Form von „Forget my Name“ und „Never too Loud“ aus der PA knattert. Nach diesem Versuch die Meute endlich zu feiern zu bewegen (mit mäßigem Erfolg, allerdings auch völlig unmotiviert wirkendem Publikum) sind RIVERSIDE im Zelt natürlich genau die falsche Band, um diesen Versuch fortzuführen. Trotzdem ist die schattenspendende Kuppel zum Auftritt der Polen sehr gut gefüllt, wenngleich ein Gros der Anwesenden wohl eher zufällig dort aufgeschlagen zu sein scheint. Anders kann man sich die fast völlige Ignoranz seitens der hinteren Hälfe des Zeltes wohl kaum erklären, welche sich lieber lautstark unterhält, anstatt sich die absolut sehenswerte Show von Mariusz Duda und Co. anzuschauen. Der konstante Gemurmel-Faktor und die etwas zu leise eingestellte PA ergeben dabei eine für geneigte Zuhörer im mittleren Bereich tödliche Mischung, da die Atmosphäre und Stimmung der Musik leider durch das Gegacker auf den billigen Plätzen fast vollständig verloren geht. Dabei hat der Vierer ein richtig leckeres Stündchen Musik im Gepäck, das unter anderem mit dem direkt nach dem Intro gezogenen Trumpf „Out of myself“, der nur in Polen auch als Single erschienenen Nummer „O2 Panic Room“ und der ebenso grandiosen wie live leider stiefmütterlich vernachlässigten Gänsehautnummer „Conceiving You“ eine Musterdarbietung in Sachen anspruchsvollem Metal gleich kommt. Die Bospopper lassen ihr Hände aber weitestgehend lieber in den Taschen und halten (zumindest weiter hinten) lieber Kaffeekränzchen. Banausen!

Wirklich besser ergeht es auch APOCALYPTICA auf der Hauptbühne nicht. Die meisten Holländer scheinen in der Sonne eingepennt zu sein, denn während der bewegungsfreudigen Show der Finnen bewegt sich so ziemlich gar nichts im Publikum und auch zwischen den Stücken kommt nicht das Feedback, das eine Band diesen Ranges eigentlich verdient hätte (und von anderen Events gewohnt ist). Zumindest die Musiker freuen sich trotzdem hier sein zu dürfen und präsentieren Musik aus allen Schaffensphasen, darunter auch der Titeltrack des aktuellen Albums „Worlds Collide“. Dass zwischendrin nicht mal die bestens bekannten Metallica-Coverversionen für Bewegung und Mitsingalarm sorgen, kann man bei kritischer Sichtweise fast schon als Armutszeugnis für viele Besucher auslegen. Anscheinend befinden sich fast ausschließlich Sonntagsausflügler auf dem Gelände, schade drum. Bei OPETH ist das Zelt wieder fast komplett gefüllt und es kommt zwischenzeitlich sogar Stimmung auf, während Mikkael Akerfeldt und seine Mannschaft geschmackssicheres von den wichtigsten Veröffentlichungen auftischt und naturgemäß auch der brandneuen Langrille „Watershed“ in Form von „Heir Apparent“ Gehör verschafft. Während im Anschluss der Republikaner-Liebling TED NUGGET in die Saiten greift und sich die meisten Nicht-US-Nationalisten an der Rübe kratzend fragen warum der liebe Gott einem solchen Flachpfosten ein solches Talent mit auf den Weg gegeben hat, ist dieser Abstecher nach Weert für die s2m-Crew beendet, da schließlich nach mehreren Stunden Heimfahrt am Folgetag wieder der Arbeitsalltag ruft. Dem müssen leider auch die Auftritt von EUROPE, die schon beim Rocksound Festival im schweizerischen Huttwil überzeugten, und der bärtigen Legende ZZ TOP geopfert werden, was jammerschade, aber nicht zu ändern ist. Schließlich ernährt der Rock N Roll nur die allerwenigsten – egal ob auf, vor oder hinter der Bühne.

Markus Rutten – www.sounds2move.de

 

Link: www.bospop.nl