Festivalbericht zum Soundgarden Festival 2007

Endlich hat es das Soundgarden geschafft den Termin ohne Überschneidungen zu anderen Festivals zu legen. So kehre ich nach zwei Jahren der Abstinenz wieder einmal an den Ort meiner musikalischen Sozialisation zurück. Genau zehn Jahren ist es her, dass ich meinen ersten Kontakt mit diesem Festival machte. Genau genommen war es damals noch das Burgfest, das 2000 vom Soundgarden abgelöst wurde und es fand noch in der Friedberger Burg statt und nicht wie heute in einem Zirkuszelt auf der Seewiese, einem Erholungsgebiet in Spuckweite meiner Wohnung. Im Grunde müsste ich nicht einmal das Haus verlassen, um die Musik zu hören. Das Wetter lädt heute ohnehin nicht dazu sein. Pünktlich zum Wochenende regnet es. Die Bässe schallen schon in den frühen Morgenstunden zu mir hinüber. Man ist es gewohnt, wenn man hier lebt: Altstadtfest, Iron Man, Mai- und Herbstmarkt, Messe, Oldie Nights – all das ertrage ich Woche um Woche, Monat um Monat, Jahr für Jahr. Beim Soundcheck des Soundgardens kann aber keine Rede von Ertragen sein, das hier hört man gerne. Kein nerviges "Wer will noch mal, wer hat noch nicht"-Bergundtalbahn-Geplänkel, stattdessen endlich einmal wohltuende Gitarrenklänge, wenn auch hier und da noch sehr schief. Und eines muss man den Machern des Soundgarden auch hoch anrechnen: Zwei Tage vor Festivalbeginn finden die Seewiesen-Anwohner Entschuldigungsschreiben wegen der "Lärmbelästigung" mit beigefügten Einladungen zu einem Frühstück mit der Soundgarden AG in ihren Briefkästen. Davon können sich die Veranstalter der anderen diversen Feste hier gerne eine Scheibe abschneiden!

Als ich mich auf den Weg zum Festivalgelände mache, kommt auch wieder die Sonne zum Vorschein. Der Wettergott meint es doch noch gut. Die Berliner 5BUGS stehen auf der kleinen Zeltbühne, um als Opener dem noch recht überschaubaren Publikum mit Punkrock-Pop-Emo in den Arsch zu treten. Nach unzähligen Auftritten haben sich 5Bugs eine enthusiastische Fanbase aufgebaut, aus deren Reigen auch heute viele Zuschauer kommen. Sänger Chris ist das Publikum dennoch nicht Rock'n'Roll genug, dafür sei es aber das bestaussehendste – sprach es von der Bühne. Binnen Sekunden ist Chris auch schon verschwunden. Hoch auf die Boxen und mit formvollendetem Kopfsprung hinein in das Meer aus Händen. Als eine der "absolut spielstärksten deutschen Newcomerbands der Stunde", adelete sie Uncle Sally's und so machen sie auch heute ihrem Ruf alle Ehre. Nach dem Soundgarden-Gig geht es für die Band straight weiter nach Kassel zum nächsten Gig an diesem Tag.

5bugs Last Fire Burning

LAST FIRE BURNING sind derweil schon auf der schnuckeligen Open-Air-Bühne, zu der sich den ganzen Tag über nur wenige Menschen verirren, zu Gange. Stefan, Florian, Ruben und Steffen holen dennoch das Beste aus den ihnen gegebenen 25 Minuten Spielzeit hinaus. Der Band geht es um Spaß und genau den haben sie selbst und ihre Handvoll Zuschauer. Später am Abend spielen hier noch AVERAGE MILLER. Klarer Heimvorteil für die Friedberger. Erstmals ist es vor der Open-Air-Bühne wirklich voll. Im Dunklen pogt es sich ungenierter. Und das ist sie auch wieder, die Erinnerung an mein erstes Soundgarden; stand Sänger Jerome 2000 doch auch noch mit seiner alten Band, den Mad Munchie Maniax, auf der Bühne. Die Zeiten ändern sich also doch nicht allzu drastisch. Irgendwo ist immer eine Konstante. Nur musikalisch hat sich einiges getan, die Skaanklänge der Munchies wurden um ordentlichen Garagenrock getauscht. Dass die vier noch nicht all zu viele Konzerte zusammen gespielt haben, merkt man dem Gig ein wenig an, plätschert es doch mehr vor sich hin als dass es wirklich fesselt, aber was nicht ist, kann ja noch werden.

Im Zelt wird ein Zahn zugelegt. NEAERA sind selbst der Überzeugung, dass sie überhaupt nicht zum restlichen Festival-Line-Up passen. Um so erstaunter sind die Münsteraner, dass auch in der Provinz lange Mähnen sowie Stagediver zu Metal mit Hardcore-Einfluss fliegen. Die Wall of Death gelingt noch besser als schon zuvor bei den 5Bugs. Ich bin froh um meinen gehörigen Sicherheitsabstand. Da Sänger Tobias Buck den Fotograben zu breit findet, stürzt er sich eben selbst ins Publikum. Wenn es schon nicht zu ihm kommen kann, dann eben so. Er schreit als gehe es um sein Leben. Dass der Mann keine Halsschmerzen bekommt... Als dann noch von "Mitsingen" die Rede ist, runzle ich endgültig die Stirn. Man erkläre mir bitte wie man Metalcore-Texte mitsingt, geschweige denn überhaupt ein Wort aus dem Gebrüll filtern kann. Nichtsdestotrotz, das Publikum hat seine wahre Freude an Neaera. Und das ist alles, was zählt.

Gelände Neaera Jona:S

Die Band JONA:S um den Gießener MC Jona's wird weniger warm empfangen. Vor der Open-Air-Bühne sitzen an die dreißig Menschen. Jona's Bitten, nach vorne zu kommen, bleiben unerhört. Auch seine beherzten Versuche selbst näher zu seinen vermeintlichen Zuhörern zu gelangen, können nicht zünden. Die "Dance Shoes" bleiben heute im Schrank. Friedberg ist keine Hip-Hop-Stadt. Dabei bieten Jona:S alles andere als Goldkettchen-Bling-Bling-Gangster-Rap. Gefühlvolles Songwriting und Liebe zur Melodie zeichnen die Band, die heute zusätzlich von einer Sängerin unterstützt wird, aus. Selbst als Person, die die Existenz von Rap nicht versteht, kann ich das Publikum und seine Ignoranz hier noch weniger verstehen. Das Soundgarden bietet solch einen großen Querschnitt durch die Musiklandschaft, vielleicht schon einen zu großen, dass bei der Entscheidung für das Soundgarden eigentlich klar sein sollte, dass der Metalhead an sich auch gerne mal seine Matte zu Deutsch-Rap schwingen darf.

Selbst zu MY BABY WANTS TO EAT YOUR PUSSY wird es nicht wesentlich voller. Mir schwant, dass die Meisten wirklich nur wegen der Headliner her gekommen sind. Die agilen Sechs lassen es ruhig angehen. Nach Neaera müsse man erst mal runter kommen. Sänger Ziggy Has Ardeur und Bassist Donni Bella Luna lassen sich aber nicht lange bitten und entblättern sich. Mit der gewissen Prise Glam, und einer gehörigen Portion Charisma sind My Baby Wants To Eat Your Pussy immer wieder eine Augenweide und auch musikalisch ist ihr abstruser Stilmix durchaus für Überraschungen gut.

My Baby Wants To Eat Your Pussy The Busters

Nach ewigem Soundcheck steht dann endlich der erste Headliner auf der Bühne: Mit THE BUSTERS bevölkern zwölf Musiker die kleine Stage. Losgelegt wird mit einem rein instrumentalen Bläserstück. Sänger Richie ist zu wenig Bewegung im Publikum, es solle es doch einfach einmal mit "wuseln" versuchen. Und siehe da, plötzlich wird zu "Tokyo Ska Zone" und Bongo-Soli getanzt. Die Aufforderung zu klatschen und zu schreien wird auch prompt erfüllt, am Ende setzt sich das Publikum sogar brav auf den Boden, um auf drei wieder aufzuspringen. "A Message To You, Rudy", der Ska-Klassiker aus den 60ern, lädt zum fröhlichen Mitsingen ein. Gute eineinhalb Stunden zaubern The Busters dem Großteil des Publikums ein Lächeln aufs Gesicht; mir allerdings nur Kopfschmerz. Eine Ballade ohne Bläsereinsatz ist schier eine Wohltat für meine Ohren. Ich hatte bestimmt ein traumatisches Erlebnis mit Trompeten, Posaunen oder Saxophonen in meiner Kindheit.

Was folgt sind wieder Stunden des Wartens auf DIE HAPPY. Endlich legt die Gruppe mit "Big Big Trouble" los und zeigt dem Publikum damit gleich, was diesen Abend Sache ist: Rock galore! Sängerin Marta lebt ihren allseits bekannten Bewegungsdrang auf der Bühne vollends aus. Daneben erscheint sie heute auch besonders liebebedürftig, betatscht sie doch ständig Gitarrist Thorsten und Bassist Ralph. Über neunzig Minuten geht es, unterbrochen von ein paar Balladen, im Zelt richtig ab. Wer bei den Balladen kein Feuerzeug zur Hand hat, kann übrigens auch ein Handy schwenken. Das Publikum hat immer schwer zu tun, entweder mitsingen wie zu "Not That Kind Of Girl", mithüpfen im Pit oder mitwippen in den hinteren Reihen. Abschließend noch das obligatorische "Supersonic Speed", damit die Ohren morgen auch wirklich pfeifen. Auch wer Die Happy nicht im heimischen CD-Player liegen hat, muss nach diesem Konzert zugeben, dass die eine super Liveband sind.

Average Miller Publikum Die Happy

Insgesamt betrachtet, beweist das Soundgarden einmal mehr, was eine Handvoll Freiwilliger auf die Beine stellen kann. Am FRIZZ-Autogrammstand kann man die ein oder andere Unterschrift erhaschen, in der Shisha-Lounge wird gechillt, unter Palmen Cocktails geschlürft, im Tausch gegen ein eigenes Kleidungsstück gibt es sogar signierte Festival-T-Shirts für lau obendrauf. Für eine Stadt wie Friedberg ist und bleibt so ein Festival eine tolle Sache. Ich selbst merke allerdings, dass ich nach zehn Jahren Soundgarden/Burgfest langsam zu alt für Veranstaltungen dieser Art werde und anfange Bühnen, die mir nur bis zur Hüfte gehen, zu belächeln. Gott sei dank wächst die nächste Generation nach und so wird es auch wieder 2008 heißen: "Liebe Freunde der guten Musik! Der Aufbau hat begonnen!"

Text + Fotos: Katrin Reichwein - www.sounds2move.de


Link: www.soundgarden-festival.de