Festivalbericht zum On A Dark Winter's Night Festival 2007

Wenn man als Besucher an einem Veranstaltungsort eintrifft und einen kurzfristig platzierte Aushänge begrüßen, dann rechnet man erst einmal mit dem Schlimmsten. Fällt der Headliner aus oder wurde die Sause gar gänzlich abgesagt? Nicht ganz, im Fall des ON A DARK WINTER’S NIGHT Festivals war tagsüber „nur“ ein Produktions-LKW auf der Strecke von Salzburg nach Oberhausen nach Achsbruch ausgefallen, was zur Folge hatte, dass ein neues Zuggefährt losgeschickt werden musste, um mal eben die komplette gestrandete Bühnenproduktion irgendwo auf einer deutschen Autobahn einzusammeln. Somit ist an einen pünktlichen Start um 16:00 Uhr nicht zu denken, selbst wenn die Crew vor Ort aufopferungsvoll dem eigentlichen Zeitplan hinterher hetzt und im bemerkenswerten Tempo und zum Teil unter den Augen der verspätet ins Halleninnere gelassenen Besucherschaft Bühne, Licht und Soundsystem hochzieht. Unterm Strich müssen geschätzte 8.000 angereiste Fans (davon einige auch aus dem europäischen Ausland) irgendwie 3 Stunden Wartezeit überbrücken. Und Oberhausen hielt (notgedrungen) durch, quittierte einzelne Lichttests mit spontanem Jubel und verschaffte damit zwangsläufig auch der ersten Band des Tages ein überraschend großes Publikum. 

Jesus on Extasy

Verspäteter Aufbau von Bühne, Licht und
Soundsystem - Begutachtet von
rund 8.000 Augenpaaren
Tarot


VAN CANTO
, die wohl einzige A-Capella Metal Band der Welt, hatte die Ehre, das randvolle Programm einzuläuten. Mit sympathischen Ansagen und dem Exotenbonus im Rücken konnte der Sechser für erstes Aufhorchen sorgen. Allerdings auch nur für die Dauer von 2-3 Songs, denn danach hatte man sich recht schnell an das Klangbild der Band gewöhnt. Zumindest eignet sich eine Coverversion von Manowars „Kings of Metal“ hervorragend für das erste Warmsingen des Abends. Nach gefühlten 3 Minuten Umbauzeit dann der erste Auftritt für Marco Hietala an diesem Abend. Und auch der Finne – bekanntlich durch Nightwish zu Weltruhm gelangt – konnte sich über regen Zuspruch freuen. Allerdings auch in erster Linie aufgrund seines Bonus auf Seiten der zahlreichen Anhänger des Headliners an diesem Abend. Denn rein musikalisch betrachtet blieben TAROT an diesem Abend eher grau und unauffällig. Zwar hatte das Quintett offensichtlich Spaß auf der Bühne, aber wäre einer der beiden involvierten Hietala-Brüder nicht zum Superstar aufgestiegen, die bereits 1985 gegründete Truppe würde vermutlich noch immer durch winzige Clubs tingeln. Noch mal Glück gehabt könnte man sagen und trotz eines Mangels an Highlights wurde die Band nach einer knappen halben Stunde unter Beifall verabschiedet. Apropos verabschiedet. Auch nicht wenige Zuschauer verabschiedeten sich mit den letzten Tönen des zweiten Programmpunktes in Richtung Lobby. Somit hatten sich die Reihen der KöPi-Arena deutlich gelichtet, als nach abermals sehr kurzer Umbaupause JESUS ON EXTASY für den ersten krassen Stilbruch des Abends sorgten. Die junge Essener Formation konnte sich einer handvoll eigens angereister Fans sicher sein, die den sehr technoiden Electrorock – mit Betonung auf Electro – wohlwollend aufnahmen. Der metallischere Teil des Publikums hielt sich erwartungsgemäß zurück und konnte dem Sound der herausgeputzten Jungs und Mädels nichts abgewinnen. Doch dafür zählten Jesus on Extasy im Gothic-Sektor zu den Durchstartern des Jahres, die eigentlich auf jeden größeren Szene-Festival in diesem Sommer zu sehen waren und aus deren Besuchern sich auch die Anhängerschaft rekrutiert. Sicher nicht jedermanns Angelegenheit, aber im Verlauf des Abends sollte sich noch herausstellen, dass sich die meisten Besucher ein positives Grundgefühl aus den jüngst zurückgelegten Weihnachtstagen erhalten zu haben schienen. Denn wirklich im Stich gelassen wurde keine der acht auftretenden Bands – Daumen hoch für so viel Offenheit im Auditorium.

Dope Stars Inc. Amorphis


Die folgenden Römer DOPE STARS INC. untermischen ihren wummernden Glam Rock ebenfalls mit allerlei Electronika, wobei man sich dabei eher an Truppen wie Nine Inch Nails oder aber Ministry im gemäßigten Härtebereich orientiert. Optisch mittlerweile noch deutlicher am Rock N Roll und weniger am Glam angesiedelt, präsentierte sich die unlängst zum Quartett geschrumpfte Truppe auch im neuen Line-Up gut eingespielt. Musikalisch setzte man auf einen Mix der beiden bisherigen Longplayer und eine Auftaktsalve aus dem Hitverdächtigen „10.000 Watts“ und dem dröhnenden, eher mechanischen „Bang your Head“. Weiter mit „Infection 13“ „Defcon 5“, der Ballade „Lost“ und „Theta Titanium“. Und... ja... und nix. Schicht im Schacht, wie Sänger Victor Love gegen Ende des Songs überraschend verkünden musste, nachdem dieser offensichtliche Gesten von Seiten des Stage-Managements erhalten hatte. Somit wurden die Italiener, die aufgrund des Verzugs nicht um einen, sondern unterm Strich um 2 Songs gekürzt wurden, etwas hektisch und überraschend verabschiedet, die ohnehin schon das große Pech hatten, parallel zur groß angekündigten Autogrammstunde des Hauptacts aufspielen zu müssen. Ein paar neue Fans sollte man mit dem metallischer angelegten Set dennoch für sich gewonnen haben. Deutlich etablierter und in Sachen Fanbase noch einmal weitaus stabiler aufgestellt sind die Finnen AMORPHIS. Trotz einer triumphalen und sehr gut besuchten Headlinertour durch Europa vor wenigen Wochen mussten sich Esa Holopainen und seine Kollegen mit einem Mittelfeldplatz im Billing begnügen, mit dem auch ein leider nur 6 Songs umfassendes Set einherging. Geplant hatten die bodenständigen Herren, die ihre Merchkisten noch immer selbst durch die Halle schleppen, zwar ursprünglich noch zwei weitere Stücke, doch auch knapp 17 Jahre Bandgeschichte schützten an diesem Abend nicht vor dem unangenehmen Rotstift des in Not geratenen Bühnenmanagements. Somit wurde unfreiwillig „Alone“ vom 2001er Album „Am Universum“ zum „Oldie“ des Sets, das planmäßig mit „Black Winter Day“ hätte enden sollen. Doch auch im Laufe von nur 30 Minuten sind Amorphis in der Lage eine ungemeine Wucht aufzubauen, die vor allem von Energiebündel Tomi Joutsen ausgeht, der wie immer Feuer und Flamme war. Gewohnt starke Vorstellung.

Letzte Instanz Publikum


Wie BLIND es im Billing so weit nach oben geschafft haben, dürften sich wohl viele Besucher des Festivals gefragt haben. Die junge Band um Sänger Steve hat noch nicht mal ihr Debütalbum auf dem Markt und auch sonst hat man von der Truppe aus Koblenz noch nicht wirklich viel gehört. Auf die vielleicht erwartete Schüchternheit allerdings konnte man lange warten, Frontmann Steve erweist sich als wahrer Entertainer und auch die vorgetragenen Songs können weitestgehend überzeugen. „Jesus only knows“, der Rausschmeißer „Triple X“ oder die erste Single „Break Away“ sind allesamt solide Rocknummern, die mindestens ebenso solide vorgetragen wurden. Trotzdem darf man sich fragen, was der moderne Rocksound zwischen Bands wie Amorphis und Nightwish zu suchen hat. Aber genug davon, im Januar 2008 erwartet uns das selbstbetitelte Debütalbum der Band, die uns in Oberhausen schon mal beweisen konnte, dass mit der Veröffentlichung einiges auf uns zukommen wird. Die Entdeckung des Festivals! Auf die Entdeckung folgt der heimliche Headliner und gleichzeitig der Stimmungssieger des Tages. Zum Auftritt der nur wenige Wochen vor dem Festival für die aus dem Billing geflogenen Samsas Traum nach verpflichteten LETZTE INSTANZ wurde es erstmals im Verlauf des Abends richtig knackig voll vor der Bühne, auf der man mit dem elektronischen Intro der aktuellen Tour und dem folgenden „Maskenball“ sofort das Tempo anzog. Als einzige Band neben Nightwish durften die Instanzler eine annähernd vollwertige Headlinershow spielen, bei der man guten Gewissens von der richtigen Band am richtigen Ort zur richtigen Zeit sprechen kann. In Sachen Stimmung und Setlist stimmte nämlich so ziemlich alles und auch das Publikum ließ sich von der ersten Minute an mitreißen. Dabei ging die wilde Fahrt vor allem durch die beiden Alben „Ins Licht“ und „Wir sind Gold“, wobei „Wir sind allein“ den Gänsehaut-Höhepunkt des Abends darstellte, bei dem ein Großteil des Publikums für satte 6 Minuten am händehaltenden Armwinken teilnahm, zu dem Sänger Holly zuvor sympathisch aufgefordert hatte. „Mein Todestag“, „Ohne Dich“ und „Das Stimmlein“ markieren nur einige weitere Volltreffer eines voll und ganz stimmigen Auftritts. Wenn jetzt noch Nightwish in Bestform auflaufen sollten, kann man von einem richtigen Knaller zum Jahresausklang sprechen.

Nightwish


Einfach sollten es NIGHTWISH nicht haben, denn mit ihrem (zumindest offiziell) ersten Auftritt vor deutschem Publikum mit neuem Album und neuer Sängerin galt es genau dieses auch zu überzeugen. Tausende Anhänger der Band sind nur wegen Nightwish nach Oberhausen gereist, um sich ein Bild von der personell veränderten Formation zu machen. Nach opulentem Intro starteten die Finnen mit „Bye Bye Beautiful“ in ihr 90-minütiges Set und gleich von Beginn an wurden Nightwish euphorisch gefeiert und herzlich aufgenommen. Neben allerlei Songs des aktuellen Erfolgsalbums hatte das Quintett jede Menge Pyroeffekte im Gepäck, die zu den ersten Songs gleich ordentlich abgefeuert wurden. Die „Neue“ am Gesang schien jegliche Zurückhaltung an diesem Abend Zuhause gelassen zu haben, Anette Olzon wirbelte über die Bühne, bezog das Publikum regelmäßig ein und bescherte nebenbei auch noch eine phänomenale Sangesleistung. Schon in Hamburg vor wenigen Monaten konnte sie überzeugen, beim Auftritt auf dem On a Dark Winter´s Night Festival aber schien sie fast wie ausgewechselt und präsentierte sich mit ihrer Band in einer gefestigten und innigen Einheit. Die zwischenzeitlichen „Tarja“-Rufe konnten daran auch nichts mehr ändern – die 36-Jährige rockt, und das schien zumindest an diesem Abend der Großteil der Zuhörerschaft auch so zu sehen. Das Set ist mittlerweile bekannt, neben den meisten Songs des neuen Longplayers (darunter auch die Bombast-Nummer „The Poet and the Pendulum“) wurden unter anderem „Ever Dream“, die Übernummer „Wishmaster“ und die Singles „Nemo“ und „Wish I Had an Angel“ serviert. Mit einigen zum schmunzeln bringenden Aussagen von Basser Marco Hietala („Die meisten Rockbands bringen das Klischee, dass sie sich verabschieden und dann doch noch mal rauskommen, um mehr Songs zu spielen. Wir erfüllen dieses Klischee“) gewürzt verlief der Abend für das Quintett durchweg positiv und so konnten tausende hoffentlich zufriedener Fans mit dem Gedanken den Heimweg antreten, dass die Erfolgsband schon im Februar zurück nach Deutschland kommt und dann hoffentlich mindestens genauso gut aufgelegt ist wie bei ihrem ersten großen Auftritt mit neuer Frontfrau vor den deutschen Fans in der König-Pilsener-Arena. Selbige hoffen zu Recht auf eine Neuauflage des Festivals im nächsten Jahr - denn ein solcher Jahresausklang kann sich sehen, vor allem aber hören lassen.

Markus Rutten & Simone Steinbüchel – www.sounds2move.de

 

 

Setlist Amorphis:

Towards And Against
The Smoke
Against Widows
Alone
House Of Sleep
Silent Waters

 

Setlist Nightwish:

Bye Bye Beautiful
Cadence of her last Breath
Dark Chest Of Wonders
Ever Dream
Whoever Brings The Night
Amaranth
The Islander
The Poet And The Pendulum
Sacrament Of Wilderness
Sahara
Nemo
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7 Days To The Wolves
Wishmaster
Wish I Had An Angel