Achtung: Leider ist unser diesjähriger Bericht deutlich knapper ausgefallen, als ursprünglich geplant. Auch müsst ihr leider auf die gewohnten Fotos verzichten, da unsere geplante Teamstärke leider kurzfristig arbeitsbedingt halbiert wurde. Unser Mann vor Ort hat sich natürlich trotzdem alle Mühe gemacht. Bitte seht uns diese Verkürzung nach - 2008 gibt's wieder die Vollbedienung ;-)

 

Festivalbericht zum Mera Luna 2007

 

Das M´era Luna ist ein Festival der ganz besonderen Art. Wälzen sich anderswo die Leute freiwillig im Schlamm, riskieren Leib und Leben bei Crowdsurfen und Pogopit oder liegen am Ende als Schnappsleiche in der Ecke, geht es hier doch drei Stufen gesitteter zu. Die (viel zu teure) Fress- und Trinkmeile dient überwiegend der Nahrungsaufnahme, gegen Sonne und Regen (dieses Jahr beides vorhanden) werden Schirme aufgespannt, und das eigene Outfit ist mindestens genauso wichtig, wie die vorgetragene Musik. Um letztere soll es nun gehen. Hatte das Festival im letzten Jahr nach meinem Geschmack noch einige richtige Kracher vorzuweisen (Tristania, Midnattsol, Liv Kristine, Epica, In Extremo, Within Temptation), muss ich vorab doch sagen, dass diesmal kaum etwas dabei war, was mich wirklich interessiert hat. Dennoch hab ich mich natürlich frohgelaunt auf den weg nach Hildesheim gemacht, um für die sounds2move-Leser Bericht zu erstatten.

 

Als erstes spielten The Lovecrave - hätte ich gerne gesehen, habe sie aber auf dem Weg vom Auto zur Akkreditierungsstelle leider nur gehört. Klang recht ordentlich. Die erste Band, die ich in voller Pracht erlebte, waren Jesus on Extasy und ich muss sagen, dass ich angenehm überrascht war. Die deutschen Elektro-Nachwuchsrocker heizten die noch recht müde Menge vor der Bühne mit Songs wie „Assassinate me“ oder „Alone“ gut an. Die beiden Mädels sorgten für zusätzliche optische Reize. Bei der recht harten Zugabe „Neochrome“ war dann sogar vereinzelter Pogo zu verzeichnen. Danach spähte ich kurz in den Hangar, um festzustellen, dass Fair to Midland aus den USA zwar gute Musiker sein mögen, aber dennoch ziemlich langweiligen Alternative Rock machen. Auf der Hauptbühne tobten sich derweil Necro Facility aus Schweden aus. Die beiden Jungs wirkten zwar eher wie die Ghetto-Kids von nebenan, doch ihre Show war energiegeladen und der Elektrosound angenehm hart und rau. Dann spielten schon Pain. Einige Leute verpassten den Auftritt von Peter Tägtgreen und Co., weil die Band ihre Position mit Animal Alpha tauschen musste. Letztere fielen später ganz aus, da sie Gerüchten zufolge Dank ihres Navigationssystems in Chemnitz gelandet waren... Peter ließ sich die frühe Tageszeit jedenfalls nicht anmerken und rockte munter drauf los. Ob alte Hits wie „Same old Song“ und „Just hate me“ oder neue Songs wie “Nailed to the Ground” und “Bitch”, der sich stetig füllende Hangar kam zunehmend in Fahrt.

 

Wieder an der frischen Luft schaute ich mir noch den Rest von Client an. Die drei Engländerinnen sahen in ihren Uniformen zwar recht gediegen aus, ihr ziemlich lahmer Elektrosound riss mich aber nicht gerade vom Hocker. Am späten Nachmittag enterten Nosferatu die Hangarbühne. Die englischen traditionellen Goth-Rocker erinnerten nicht nur äußerlich an The Cure (wenn auch mit wesentlich erträglicherem Gesang). Einige „Eingeweihte“ feierten die Band ab, die Masse ließ der Auftritt aber kalt. Das könnte damit zu tun haben, dass viele (so auch ich) eigentlich auf den nun folgenden Act gewartet hatten. Emilie Autumn ist der Shooting Star des letzten Jahres in der schwarzen Szene. Dementsprechend voll war es, als Emilie und ihre drei Gespielinnen die Bühne betraten. Die Show war beachtlich – viktorianische Gewänder treffen Zwangsjacke, Theatergruppe trifft Kindergeburtstag – doch von der Musik hätte ich mehr erwartet. Da kam doch vieles vom Band. Nur Emilie überzeugte mit ihrer variablen Stimme und Geigensolo. Und die Texte scheinen auch recht amüsant zu sein... (“The Art Of Suicide”, “I Want My Innocence Back”, oder “Thank God I'm Pretty”). Dann folgte der absolute Höhepunkt des ersten Festivaltages: My Dying Bride. Die englische Doom-Death-Legende legte los wie die Feuerwehr. Steigerten sie sich letztes Jahr auf dem Summer Breeze noch härtetechnisch von Stück zu Stück, war es diesmal umgekehrt. Mit „The Forever People“ wurde gleich zu Beginn gezeigt, dass dies keine Veranstaltung für Weicheier ist. Es folgte ein emotionales Feuerwerk. Jedes Stück für sich bürgte für Gänsehautgarantie. Aaron sang/jammerte/brüllte sich durch die Stücke (nebenbei versuchte er sich noch die Pulsadern aufzubeißen), dass es nur eine Freude war. Leider war der Spaß bereits nach einer Stunde (quasi „The darkest Hour“) vorbei. Da ich an diesem Wochenende noch andere Verpflichtungen hatte, konnte ich mir Tool leider nicht mehr angucken. Augenzeugenberichten zufolge haben sie aber neben den üblichen Starallüren auch noch ganz ordentliche Musik gemacht...

 

Aufgrund der oben genannten Verpflichtungen schaffte ich es am Sonntag auch nicht, rechtzeitig für Krypteria in Hildesheim zurück zu sein. Dafür enterten bei meinem Eintreffen gerade Lacrimas Profundere die Bühne. Eine Band, die in ihrer Anfangszeit mal ganz anständigen Doom-Death-Metal fabriziert hat. Leider ist davon heute gar nichts mehr zu hören. Der Standard-Gothic-Rock kam beim Publikum trotzdem gut an. Am meisten Stimmung gab es bei den Videoauskoppelungen „Sarah Lou“ und „Ave End“. Der neue Sänger wirkte mit seiner Wollmütze (bei inzwischen doch ziemlich sommerlichen Temperaturen) zwar etwas seltsam, macht seine Sache ansonsten recht ordentlich.

„Future Pop“ nennen The Crüxshadows ihre Musik. Ganz so schlimm ist es dann doch nicht. Im Gegenteil: Es macht richtig Spaß der Band zuzuschauen. Sänger Virgil ist ein unglaublicher Aktivposten. Klettert er in einem Moment auf einen der Bühnenmasten, ist er im Nächsten schon mitten im Publikum und lässt sich feiern. Für den männlichen Betrachter gibt es zwei leichtbekleidete Tänzerinnen, die einige sexy Übungen veranstalten. Die Menge feierte den Auftritt jedenfalls gebührend ab. Danach ist wieder Gothic Rock angesagt. The 69 Eyes kommen zwar mit einem coolen Rocker-Outfit daher – die Musik wird dadurch aber auch nicht besser. Sorry – ich fand es einfach nur langweilig. Einige (vor allem weibliche) Fans sahen das natürlich ganz anders.

 

Dann war das große Highlight des Sonntags an der Reihe: Welle:Erdball füllten den Hangar bis zum Rand und brachten ihn stimmungsmäßig zum Überkochen. Die Minimal-Elektroniker und C-64-Fetischisten aus Hannover nutzten ihr quasi Heimspiel voll aus. Sänger Honey geizte nicht mit seinen altbekannten ironischen, teilweise politischen Ansagen, Plastique und Frl. Venus sorgten für die Showeinlagen und Alf zog die Fäden im Hintergrund. Neben neueren Songs wie „Telegraph“ und „Alphatier“ durften Klassiker wie „Starfighter F104G“, „Arbeit adelt“ und natürlich „Monoton und minimal“ nicht fehlen. Nach der Fehlfarben-Coverversion „Es geht voran“ war dann (für den wesentlich längere Spielzeiten gewohnten Fan viel zu früh) Schluss. Zurück an der Hauptbühne angekommen, war Skinny Puppy-Frontmann Nivek Ogre gerade dabei, sich völlig blut (rote Farbe?) besudelt in ein weißes Laken zu drücken, aus dem heraus er dann den nächsten Song sang. Ähm, ja.... Musikalisch hinterließen die legendären Kanadier bei mir weit weniger Eindruck. Einen würdigen Abschluss fand das diesjährige M´era Luna für mich mit dem Auftritt der Dark-Wave-Legende Anne Clark. Die mittlerweile fast 50-jährige Britin konnte nicht nur mit ihrem unverwechselbaren charismatischen Sprechgesang aufwarten, sie hatte auch eine ganze Reihe ausgezeichneter Musiker mit dabei, die alle im Laufe des Konzertes ihr Können an den verschiedenen Instrumenten (und als Vokalakrobaten) unter Beweis stellten. Stimmungsmäßig waren natürlich alte Hits wie „Killing Time“ oder „Sleeper in Metropolis“ die Höhepunkte. Und bei der Zugabe „Our Darkness“ tanzte der ganze Hangar von der ersten bis zur letzten Reihe.

 

Alexander Dontscheff – www.sounds2move.de

 

Link: www.meraluna.de