Festivalbericht zum Festival des Artefact 2007

Dass auch unsere Nachbarländer starke und interessante Festivals zu bieten haben, ist schon länger bekannt. Länder wie die Niederlande, Belgien oder Österreich bieten seit Jahren etablierte Festivals, die immer häufiger von Musikbegeisterten aus ganz Europa besucht werden. Seit einiger Zeit versucht nun ein weiteres Land, in die Reige der für Festivals berühmten Länder einzusteigen – Frankreich. Auch hier startet die Festivalsaison früh und so lädt das berühmte Städtchen Straßburg an der deutschen Grenze zu einem Festival, das facettenreicher kaum sein könnte. Der Besucher kann sich zwischen dem „Raggae“-Tag, dem Nachmittag für französische Bands und eben dem Metal / Rock-Tag entscheiden. Genau diesen ließen auch wir uns nicht nehmen und machten uns auf den Weg in die kulturell angehauchte Stadt am Rhein. Kulturprogramm konnte man direkt vor den Toren des Festivals erleben. Einen Steinwurf entfernt thront das pompöse Europa-Parlament über der Stadt und wenn die Straßenbahnstation dann auch noch „Wacken“ heißt, kann doch eigentlich nix mehr schiefgehen. Als Austragungsort dienen die „Halles Rhenus“, 2 riesige Hallen mitten in der Stadt. Neben einer kleineren Bühne mit begrenztem Platzangebot in Halle 1 hatte man ein der Haupthalle eine riesige Bühne mit sagenhafter Lichtanlage auf die Beine gestellt, die wenig später von dem französischen Hardcore-Quartett LOFOFORA eingeweiht werden durfte. Genauso französisch wie der Bandname sind auch die Texte der Band, die schon seit 1989 aktiv ist. Dementsprechend seltsam für deutsche Ohren klang auch das Gemisch aus Hardcore, Punk und Metal, das an den Tag gelegt wurde. Dem überwiegend jungen Publikum gefiel es aber sichtlich, zu so früher Stunde konnte man dann doch erstaunlich viele Arme in der Luft sehen und sogar der erste fette Moshpit brodelte schon mit den ersten Tönen. Einzig die Spielzeit war vielleicht ein bisschen überdimensioniert, denn gegen Ende verließen auch den tapfersten Pogo-Jünger im vorderen Bereich sichtlich die Kräfte. Sollte es dennoch so weitergehen, versprach der Tag ein erfolgreicher für die angereisten Bands zu werden.

Für die junge Band DELAIN war es eines der ersten Konzerte außerhalb der Niederlande, da kann man mit Aufregung rechnen und sie auch hinnehmen. Aber was ist da los? Von Zurückhaltung keine Spur, stattdessen ist die Band um Sängerin Charlotte Wessels bestens drauf und wirkt selbstbewusster denn je. Im Oktober 2006 in belgischen Wieze hatte man die Jungs und das Mädel noch völlig anders gesehen, so schnell kann´s gehen. Die Setlist ist natürlich wenig überraschend, Delain verfügen bisher schließlich nur über ein Album und genau das wurde auch komplett gespielt. Auf Sharon den Adel von Within Temptation als Gastsängerin wartete zumindest ich bei „No Compliance“ allerdings vergeblich. Nein, dieser Song geht immer noch nicht mit dem Stimmchen von Charlotte, er klingt im Original einfach komplett anders und die Stimmen von Sharon und Charlotte sind zwei völlig unterschiedliche. Wenn das allerdings der einzige anzukreidende Punkt an diesem Nachmittag bleibt – und genau so war´s dann auch – kann man am Ende nur zufrieden sein. Die üblichen „Es ist so toll in XY zu spielen“-Sprüche von Charlotte kamen natürlich auch hier gut an und so konnten die Niederländer deutlich mehr als nur Höflichkeitsapplaus aus dem französischen Publikum entgegen nehmen. Direkt im Anschluss bekamen die Franzosen unsere Spielmänner von IN EXTREMO auf die Ohren. Wobei, ein Großteil des Publikums war aus Deutschland angereist, was Micha gleich zu Beginn des Sets freudig feststellen konnte. In gebrochenem Englisch und auch teilweise auf deutsch machte der sympathische Frontmann seine Ansagen und konnte uns damit das ein oder andere Mal angesichts des Sprachenpotporie zum Schmunzeln bringen. In bester Spiellaune präsentierte sich die Kombo, der Sound war glasklar, die Lichtshow gigantisch, ohne übertreiben zu wollen. Die Setlist ließ keine Wünsche offen, von „Küss mich“, über „Raue See“ und „Liam“ bis hin zu „Spielmannsfluch“ war alles vertreten und die anberaumten 80 Minuten bestens gefüllt und alle Erwartungen wurden vollends erfüllt.

Delain Publikum Lofofora

BLACK BOMB A hatten nicht nur einen komfortablen Anreiseweg, sondern sind in ihrem Heimatland auch ziemlich bekannt, sodass der begrenzte Platz vor der Clubstage kaum ausreichte, um alle Interessierten aufzunehmen. Dieses Gedränge war natürlich ganz im Interesse der Hardcore-Kids, die zu den Hits ihrer Landsleute ordentlich Körpergulasch servierten und ununterbrochen klatschnasse Leiber über den brodelnden Mob fliegen ließen. Zur finalen Midnight Oil-Coverversion „Beds are Burning“ ging dann noch einmal alles, bevor die Band unter tosendem Beifall von der Bühne ging. Von der Insel angereist waren THE EXPLOITED um ihr schon in die Jahre gekommenes letztes Album „Fuck The System“ zu präsentieren. 2005 hat der britische 4er 25-jähriges Bandjubiläum gefeiert und dabei machen sie doch seit ebenso vielen Jahren quasi das gleiche – monotonen Polit-Punk. Daraus macht man keinen Hehl und genau das präsentiert man auch in Straßburg. Mit mehr oder weniger mäßigem Erfolg. 2003 sind The Exploited mit ihrem Album sogar in die deutschen Charts eingestiegen, in Frankreich hat man anscheinend aber weniger Interesse an den Briten, die zwar von ein paar Die-Hard Fans abgefeiert, bei den anderen Zuschauern aber nach kurzer Zeit eher ausgeblendet wurden. Schnell weiterspulen, ab in die USA zu LAGWAGON, die seit nunmehr 17 Jahren im Showbusiness unterwegs sind und sich zwischenzeitlich aufgelöst hatten, um 2002 ihr Comeback zu feiern. Die Jahre sieht man ihnen auch schon fast an, trotzdem können die Amis an diesem Abend bei den Franzosen punkten, die Stimmung ist gut, die Band ebenso gut drauf. Doch auch hier gilt: Hätte man die Spielzeit etwas kompakter angesetzt, dann hätte Frontmann Joey Cape nicht Minuten mit ausladenden Ansagen und Geschichten füllen müssen.

Nachdem Lagwagon einen guten Eindruck hinterlassen konnten, beweisen SUICIDAL TENDENCIES, dass es auch anders geht. Heiß oder Scheiß? Gute Frage, denn das Phänomen war ähnlich wie bei The Exploited: Extase bei den Anhängern, Langeweile beim restlichen Publikum. Die ebenfalls aus den USA angereiste Band zeigte, dass man es manchmal doch schwer hat, wenn ein Festival derart die Genres durcheinanderwirbelt. Sänger Mike hatte alle Hände voll zu tun, regelmäßig die Menschen in der ersten Reihe anzuspucken, was bei den bereits auf Within Temptation wartenden Fans erwartungsgemäß auf wenig Gegenliebe stieß. Nach längerer Abstinenz auf europäischen Bühnen konnten sich zumindest die Bandana-Look-a-Likes im Publikum nach allen Regeln der Kunst verausgaben. Den Beweis dafür, warum die Band mit ihrem Mix aus Punk, Hardcore und Hip Hop gemeinhin als Kultformation bezeichnet wird, blieb sie an diesem Tag jedoch schuldig – selbst wenn der Einsatz weitestgehend stimmte. Unterdessen brodelte es in der kleinen Halle mächtig bei PUNISH YOURSELF. Wer die Band nicht kennt mag sich verwundert am Hirn kratzen, ob des seltsamen Anblicks. Denn Punish Yourself schmücken ihr Bühnenbild nicht nur mit SM-Devolotionalien, sondern kommen auch von Kopf bis Fuß mit Schwarzlichtfarbe bepinselt auf die Bühne. Was auf den ersten Blick wie eine Voodoo-Version der Murderdolls anmutet, erwies sich beim Straßburger Publikum jedoch als Volltreffer. Denn wenn die Bühne zwischenzeitlich nur noch von Schwarzlichtröhren unzureichend erhellt wird, offenbart sich der Aha-Effekt hinter der Ganzkörperbemalung der vier Musiker (und –innen). Auch der akustische Rundumschlag (EBM-meets-Punk) schien genau dem Geschmack des überwiegend jungen Publikums zu entsprechen. Wie schon bei Black Bomb A wurde ausgelassen getanzt, gehüpft, gepogt und nicht mit Crowdsufern gegeizt. Damit wurde mal wieder der Beweis angetreten, dass man kein Virtuose an seinem Instrument sein muss, um erfolgreich zu musizieren. Manchmal muss man schlicht die richtige Idee haben.

In Extremo The Exploited Within Temptation Beatsteaks

Wenn der Knochen nicht zum Hund kommt, dann eben andersrum. WITHIN TEMPTATION hatten relativ kurzfristig ihre geplanten Konzerte im deutschsprachigen Raum um ein halbes Jahr (!) nach hinten verschoben, Grund soll angeblich ein Videodreh gewesen sein. Alle anderen europäischen Termine blieben allerdings bestehen und so verschlug es die holländische Kombo auch zum französischen Artefact Festival. Viele Deutsche und auch Schweizer sind für die bekanntesten Bands nach Straßburg gereist, so auch für Within Temptation. Schon am neuen Bühnenaufbau konnte man erkennen, dass man es anno 2007 leicht zu übertreiben pflegt. Die Engelsfiguren wurden durch Löwenfiguren ersetzt, Schlagzeug und Keyboard werden auf pompösen Unterbauten zu Blickfängen, sogar die beiden Gitarristen bekommen je ein eigenes Podest. Da bleibt kaum Platz für Sängerin Sharon, die deutlich schlanker als noch im Herbst letzten Jahres gegen 22:30 Uhr die Bühne entert. Mit „Our Solemn Hour“ hat man den vielleicht größten Livehit des neuen Albums als Opener gewählt und liegt damit auch in Straßburg goldrichtig. War das Publikum bei Bands wie In Extremo noch ziemlich euphorisch bei der Sache, ist die Stimmung bei den Niederländern jedoch eher verhalten und die Reihen haben sich sichtbar gelichtet. Die meisten Zuschauer haben sich lieber auf die Sitzplätze im hinteren Teil der riesigen Halle verzogen und mussten von Sharon immer wieder animiert werden, was dann schließlich wirklich nur beim Gassenhauer „Ice Queen“ einigermaßen gelingen wollte. Dargeboten wurde die bereits bekannte Setlist, die neben nahezu allen Singles („Memories“ wurde aufgrund des „nur“ 90 Minuten langen Sets gestrichen und auch „Running Up That Hill" war dieses Mal nicht dabei, schade eigentlich) den Großteil des neuen Werkes „The Heart of Everything“ enthielt. Keine Frage, die neuen Songs rocken live gewaltig (sogar die etwas untypische Single „What Have You Done“ geht richtig ab, kaum zu glauben), noch besser als auf Platte und so können Within Temptation einmal mehr beweisen, dass sie eine grandiose Liveband sind, auch wenn Sharons stimmliche Leistung heute leider nur Mittelmaß war. Einziger wirklicher Kritikpunkt ist die ewig gleiche Setlist, die Holländer waren anscheinend noch nie große Freunde der Abwechslung. Gehen euch die immergleichen Songs nicht irgendwann selbst auf die Nerven?

Den Abschluss des Festivals konnte man abermals quasi auf deutsch zelebrieren. Denn die BEATSTEAKS wussten genau, dass 90% der zu später Stunde noch Anwesenden ohnehin den Sprung über die Grenze gemacht hatten. Diese Entscheidung sollte sich binnen kürzester Zeit als vollkommen richtig erweisen, da die Berliner einmal mehr ihrem Ruf als eine der besten deutschen Indi-Live-Bands absolut gerecht wurden. Es sollte auch niemandem mehr neu sein, dass eine Rampensau wie Arnim Teutoburg-Weiß ein Publikum innerhalb weniger Minuten um den Finger wickeln kann. Bei spaßigen Ansagen und Hits am Fließband kommt die gern zitierte „Gute Laune“ ganz von allein. Oder anders ausgedrückt: Wer hier nicht mindestens ein jucken im Tanzbein verspürt, der sollte den Ohrenarzt seines Vertrauens aufsuchen. Als nach etwa 90 Minuten der letzte Ton des Quintetts verklungen war, konnte man sich sicher sein vorzüglich gerockt worden zu sein. Angesichts einiger zuvor bereits positiv aufgefallenen Künstler kann man verstehen warum nicht französisch allein die Amtssprache auf dem Festival des Artefact 2007 gewesen zu sein schien. Denn auch Deutsch, Schwitzerdütsch und sogar spanisch drang vereinzelt an die Ohren aufmerksamer Festivalbesucher. Wenn sich die entspannte Atmosphäre und die kurzen Wege, mit denen das Festivals auftrumpfen konnte herumsprechen, sollte es keine Frage sein, ob das Artefact auch 2008 ausverkauft sein wird. Und wer ein paar Tage dran hängt, kann sich zudem noch mit allerlei Sehenswürdigkeiten und geschichtsträchtigen Denkmälern weiterbilden. Ergo Daumen hoch und Straßburg und das Artefact Festival 2007!

Setlist Within Temptation

Our Solemn Hour
The Howling
Frozen
Stand My Ground
Forsaken
The Cross
What Have You Done
The Heart Of Everything
Mother Earth
Intro
See Who I Am
Angels
Hand Of Sorrow
The Truth Beneath The Rose
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Deceiver of fools

Ice queen

Setlist Delain

Silhouette Of A Dancer
Shattered
No Compliance
See Me In Shadow
The Gathering
A Day For Ghosts
Daylight Lucidity
Sleepwalkers Dream
Frozen
Sever
Pristine

 

 

Setlist In Extremo

Raue See
Spielmannsfluch
Wind
Horizont
Nur ihr allein
Herr Mannelig
Küss mich
Ai Vis Lo Loop
Ave Maria
Omnia Sol Temperat
Wessebronner
Poc Vecem
Liam
Mein rasend Herz
Vollmond
Villeman og Magnhild


 

 

 

Setlist Beatsteaks

Intro
As I please
Demons galore
What’s coming over you
Barfrau
Jane became Insane
E-G-O
Panic
Bad Fish
Hand in hand
Sharp, Cool & Collected
Hey Du
Hello Joe
Cut off the top
Let me in
Atomic Love
Summer
Shut up stand up
Idontcareaslongasyousing
Frieda und die Bomben
Big Attack
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Ain’t complaining
Schlecht

Simone Steinbüchel & Markus Rutten – www.sounds2move.de