Festivalbericht zum Taubertal Festival 2006

Zum 11. Mal findet in Rothenburg ob der Tauber das Taubertal-Festival statt. Petrus schickt seine Boten voraus und als ich das Festivalgelände betrete ist aus einer grünen Wiese ein braunes Schlammloch geworden und aus jungen aktiven Festivalbesuchern schmutzige Orks. Auf dem Campingplatz Berg sieht man unzählige Traktoren, die festgefahrene Autos oder Dixiekloreinigungswagen aus dem knietiefen Schlamm ziehen.

Nach einem feuchtfröhlichen Zeltaufbau begeben wir uns aufs Festivalgelände und zur Hauptbühne, auf der Revolverheld auftreten werden. Durch den Germanvision Songcontest und die Deutschquote-Diskussion haben die 5 Jungs von REVOLVERHELD aus Hamburg einen ziemlichen Karriereschub erlebt und jede Single ihres Debüts "Generation Rock" wird zum Erfolg. Die vorwiegend weiblichen Fans freuen sich über Songs wie "Freunde Bleiben" und das restliche Publikum erfreut sich an einer Coverversion von Rammsteins "Ich Hab Keine Lust" bei der Sänger Christoph von Die Happy Schlagzeuger Jürgen Stiehle begleitet wird. Ich merke, dass Revolverheld mehr Spaß am Taubertal und Open Air Feeling haben als noch im Frühjahr bei ihrer Hallentour und so laufen Revolverheld bei ihrer Zugabe, dem Akustikstück "Mit Dir Chilln" zu Höchstformen auf.

Die Festivalbesucher haben sich genügend mit Essen und Trinken eingedeckt und so füllt sich der Platz vor der Hauptbühne immer mehr. DIE HAPPY kommen auf die Bühne und Sängerin Marta Jandova beginnt das erste Stück mit einem abgeschalteten Mikrofon. Das ist Marta, dem hauptsächlich männlichem Publikum und dem Moshpit ziemlich egal und so werden Stücke wie "Love To Hate You" oder "Big Big Trouble" ordentlich abgefeiert. Mit einem Ausblick auf das gleichnamige kommende Album verabschieden sich Die Happy mit "Wanna Be Your Girl".

In Kooperation mit dem Bundesamt für Naturschutz, der Musik-Agentur K.O.K.S., der Deutschen Rockmusik-Stiftung und dem Institut für Umweltkommunikation entstand das Projekt Sounds For Nature, bei dem sich Festivals freiwillig am Naturschutz engagieren können. Das Taubertal-Festival unterstützt dieses Projekt, das gewährleisten soll, dass das unter Naturschutz stehende Festivalgelände nach dem Festival wieder völlig gereinigt ist. Nach eben diesem Projekt ist die kleinere Sounds-For-Nature-Bühne benannt, die BLACKMAIL mit dem Bläser-Intro von "Moonpigs" vom aktuellen Album "Aerial View" betreten. "Moonpigs" bereitet das Publikum auf das da Folgende vor: Rock mit viel Experimentierfreude, Gitarre und elektronischen Einflüssen. Man wird von der Wucht der Musik erschlagen und der Körper muss sich bewegen, was einem eingefrorenen Körper erst mal gesagt werden muss. Sänger Aydo Abay kommentiert das introvertierte Publikum: "Ich habe meine Mutter mit her gebracht. Ich hab ihr gesagt, ich bin so ein Rock'n'Roll-Star." Langsam tauen die Festivalbesucher und ihre Körper auf und Stücke wie "It Could Be Yours" können gebührend betanzt werden. Blackmail beenden ihren Auftritt mit einem 20-minütigem "Friend/Foe"-Remix, bei dem Aydo Abay am Ende noch einmal auf die Bühne kommt und als Höhepunkt der Show das Stück mit Black-Metal-Gegrunze ausklingen lässt.

Von der SFN-Bühne lege ich einen Sprint zur Hauptbühne hin, denn da sollen die Skatepunk-Legenden MILLENCOLLIN auftreten. Die vier Altherren aus Schweden beweisen was eine richtige Show ist. Es macht richtig Spaß dem Publikum beim Feiern zuzusehen und man bekommt das unbändige Bedürfnis sich schnellstmöglich ein Skateboard unter die Füße zu schnallen.

 

The Revs Die Happy Blackmail Millencollin

 

Um 10 vor 11 sind die Temperaturen auf gefühlte 2 Grad gefallen und der immer wieder kehrende Regen lässt mich an dem Konzept Open-Air zweifeln. Eigentlich habe ich auch keine Lust auf WIR SIND HELDEN, die in einer Riege mit Juli und Silbermond einen bitteren Beigeschmack hinterlassen. Eine überraschend hochschwangere Judith Holofernes kommt mit Bandkollegen und dem vermutlichen Kindsvater Schlagzeuger Pola Roy auf die Bühne. Von Beginn an haben Wir Sind Helden das Publikum im Griff und als das heiße Gebläse aus Hannover in Form eines Saxophonisten, Posaunisten und Trompeter für "Ist Das So?" auf die Bühne kommen, ist das Publikum nicht mehr zu halten. Gerne wird auch mal ein Cover von "Verdammt Lang Her" von Bap eingestreut, aber das Publikum will eigentlich die wahren Hits der Helden wie "Nur Ein Wort" oder "Denkmal" hören. Die Helden überzeugen nicht nur mit einer gekonnten Mischung aus Rock, Pop und Swing, sondern lassen Bassist Mark Tavassol auch gerne mal mit der Mundharmonika bei "Aurélie" den Blues rocken. Judith Holofernes überrascht mit lustigen Ansagen, bei denen sie sich gerne mal als komisch-dicke Frau bezeichnet oder über ihre laufende Nase resümiert. Auch wenn Judith Holofernes es immer wieder betont, hoffe ich, dass Wir Sind Helden nach einer hoffentlich kurzen Babypause wieder kommen, denn mich haben sie überzeugt.

Für die Hartgesottenen, die an diesem Abend einfach nicht genug bekommen können, gibt es auf der SFN-Bühne noch ein Leckerchen in Form des Late Night Special OSTKREUTZ. Auf der Bühne werden ein Mikrofonständer, ein Schlagzeug, ein Mischpult und unzählig viele Fernseher aufgestellt. Ein Mann mit ordentlicher Frisur, aber finsterem Blick stellt sich vor den Mikrofonständer und lässt sich die Gitarre umhängen. Er haut in die Saiten. Hinter dem Mischpult erscheint ein Mann mit Pelzmütze und am Schlagzeug ein unscheinbarer Mann. Die Fernseher beginnen zu flimmern, man hört elektronische Musik mit Gitarrengeschrammel und der finsterblickende Mann beginnt eine russisch klingende und einzelne deutsche Worte scheinbar ohne Zusammenhang oder Melodie ins Mikrofon zu brüllen. "Tanzen - Wurst und Bier – Mädchen – Gibt’s nicht mehr!" Die Festivalbesucher scheinen schockiert und gleichzeitig fasziniert von der Stumpfsinnigkeit der Musik zu sein und allen ist ein "Hä?" auf die Stirn tätowiert. Aber man beginnt die Struktur der Stücke zu erkennen und schon bald brüllt jeder der noch so besoffen ist die Parolen aus vollem Halse mit. Die Band heißt Ostkreutz und der finsterblickende Mann Hanno von Daniels. Wie eine rekrutierte sowjetische Armee lässt sich das Publikum zunehmend auf die Musik ein und bekommt so bezeichnende Stücke wie "Gangbang", "Torwand" oder "Vibrator" auf die Ohren. Von Daniels spricht mit dem Publikum kein Wort, ein Lied nach dem anderen wird durchgezogen und nach einer Stunde verlassen Ostkreutz tonlos die Bühne. Viele verstörte Festivalbesucher bleiben zurück, aber noch nachts hört man auf dem Campingplatz Berg "1-0, 2-0, 3-0, 4-0 Torwand".

Ziemlich müde begeben wir uns in Richtung Ausgang und müssen feststellen, dass das sonst so gut organisierte Taubertal-Festival leider nicht an Shuttlebusse nach dem Festival gedacht hat und wir bei Eiseskälte 2 km einen Berg hinaufsteigen müssen, der 12% Steigung hat. Na ja, gut geschlafen haben wir darauf hin alle mal.

Etwas verschlafen, aber schon in einer beachtlichen Menge stehen die Festivalbesucher am Samstag vor der Bühne und SCHROTTGRENZE ist der Meinung, dass sich das Publikum fürs frühe Aufstehen selbst applaudieren darf. Als Belohnung kommen die Zuschauer einen bunten Strauß schöner Melodien aus den letzten drei Alben von Schrottgrenze. "In Einer Stadt Aus Klebstoff", "Mann am Punkt" oder "Fernglas" laden zum Mitsingen ein, verschwimmen aber nicht in Belanglosigkeiten, sondern wollen den Zuhörer zum Nachdenken anregen. "Meine Dämonen" zeigt, dass Schrottgrenze eigentlich vom Punk kommt und "Belladonna" beweist, dass Schrottgrenze keine Angst vor Pop haben. Schrottgrenze beenden ihren Auftritt und es geschieht was Unglaubliches...

 

Bif Naked Ostkreutz Schrottgrenze Christina Stürmer Les Babacools

 

Ich ziehe meine Brille aus und putze sie, doch das putzen nutzt nichts, die Welt erscheint auf einmal rosa. Nachdem ich mich an die neue rosa Welt gewöhnt habe erkenne ich die Ursache des bonbonfarbenen Supergaus: CHRISTINA STÜRMER Fans. Die rosa bekleideten, mit Spängchen-Hochsteck-Frisuren gestylten Jungteenager samt Elternanhang bereiten mir Augenschmerzen, nachdem ich mich an die verschlammten, verfetteten und betrunken Taubertalbesucher gewöhnt habe. Und dann kündigt die die nette, übermotivierte BR3-Moderatorin Frau Stürmer auch noch als Castingshow-Teilnehmerin an – AUTSCH – das hat gesessen, will sie doch von diesem Image loskommen. Selbstironisch wird als Intro Volksmusik gespielt und Christina Stürmer betritt samt ihrer Band die Bühne. Bereits nach einigen Stücken wird klar, dass Christina Stürmer technisch und vom Klang eine sehr gut geschulte Stimme hat und auch die Stücke wurden perfekt auf sie abgestimmt. Die Band bringt spielerisch Höchstleistungen, wirkt aber eher als Haufen zusammengewürfelter Berufsmusiker, zu glatt und gekonnt ist der Sound. Christinas neue Charthoffnung "Immer An Euch Geglaubt" aus ihrem Debüt "Schwarz-Weiß", der den Soundtrack zur neuen RTL-Telenovela "Alles was zählt" darstellt, wird dem hiesigen Publikum vorgestellt und auch ihr obligatorischer Sommerhit "An Sommertagen" darf nicht fehlen. Die Festivalbesucher bekommen noch "Ich Lebe" auf die Ohren, bei der die ein oder andere Österreich-Fahne geschwenkt wird und dann ist der Spuk zu Ende. Die Christina Stürmer Fans packen ihre rosa Girlies ein und fahren zum nächsten Alexander Klaws Konzert.

Nach diesem Ausflug in die Welt der Deutschland-Chart-Stürmer – welch Wortwitz-, kommen auch die Männer mal auf ihre Kosten. Die acht Bandmitglieder von LA VELA PUERCA aus Uruguay bringen feinsten Ska-Rock und strahlenden Sonnenschein mit. Das vornehmlich männliche Publikum weiß von Beginn an sich selbst zu entertainen und so kann sich La Vela Puerca voll ganz auf ihre Musik konzentrieren, die durchschlägt wie ein Hammer. Die spanische Sprache passt sich rhythmisch perfekt an den Ska an und der melodiöse Gesang von den Sängern Sebastián Teysera und Sebastián Cebreiro wird von wohl dosierten Bläsern unterstützt. Das Publikum geht so mit der Musik, dass große Band sich nur die Augen wischen können, aber die Securities haben aller Friedlichkeit nichts zu tun und können auch mal die Sonne und die Musik genießen.

Wie der Schlamm gehören auch die DONOTS mittlerweile zum Taubertal. Ihre 5. Show beim Taubertal beginnt mit einem Intro von Johnny Cash, was einen krassen Gegensatz zum Emo-, Punk- und minimalen Hardcore-Stil der Donots darstellt. Sänger Ingo erweist sich bei "Bring Me Down" oder "We Got The Noise" als wahres Energiebündel und seine Bandkollegen müssen sich vor Tritten und herumfliegenden Mikrofonen in Acht nehmen. Diese Energie setzt sich leider nicht immer im Screamgesang durch und so klingt es manchmal etwas dünn. Das schöne an Festivals ist ja, dass es oft zu ungeahnten Band-Kombinationen kommt und getreu diesem Motto lässt es sich die Bloodhound Gang nicht nehmen die Donots kurzzeitig gesanglich zu unterstützen. Natürlich wird auch der größte Erfolg der Donots "Whatever Happend To The 80's" zum Besten gegeben und Ingo spielt zum 1. Mal nach 13 Jahren "Hold Out" auf der Gitarre, was an Laienhaftigkeit, aber auch an Putzigkeit kaum zu übertreffen ist. Und weil Ingo das Publikum so liebt, nimmt er bei "Up Song" ein crowdsurfendes bzw. crowdstehendes Bad in der Menge. Sein Bruder und Bandkollege, Gitarrist Guido, geht sogar so weit, das ganze Publikum küssen zu wollen. Naja, vielleicht bekommt Guido bei dem 6. Auftritt der Donots beim Taubertal morgen Abend die Gelegenheit dazu, aber erst einmal verabschieden sich die Donots mit einer ruhigen Nummer "Good-bye Routine", was das Publikum schon auf das noch kommende Akustikset vorbereitet.

Es ist dunkel geworden und es ist kalt. Schwarz bekleidete Menschen kommen aus ihren Löchern gekrochen und kommen in Schwärmen zur SFN-Bühne, wo der Frankfurter Fürst der Finsternis ASP auftreten wird. ASP, der große Mann mit ausgefallener Frisur und eigentümlichen Make-Up kommt samt Band und Feuershow auf die Bühne. Dem Publikum wird feinster Gothic geboten, den es mit Singen, Tanzen und Applausstürmen belohnt. "Schwarzes Blut", "Besessen" oder "Und Wir Tanzten" begeistert die Zuschauer und die weißen Atemwölkchen auf der Grund der Kälte unterstreichen die düstere Atmosphäre. Jeder der bis dahin von ASP noch nicht begeistert ist, bekommt eine der hundert ASP-Promos um die Ohren geworfen und der große, böse Mann aus Frankfurt, fürchtet um die Gesundheit der wunderschönen Menschen im Publikum. Man muss ihn einfach lieb haben.

 

La Vela Puerca Donots ASP Turbonegro

 

Die BLOODHOUND GANG entspricht ihrem Ruf Superstars zu sein und kommen zu spät, was mit einem Pfeifkonzert belohnt wird. Das lange Warten wird mit einem großen Auftritt der fünf Erwachsengewordenen Jungs aus Philadelphia belohnt. Sänger Jimmy Pop Ali betritt als Justin Timberlake Double die Bühne und Bassist Evil Jared beginnt seinen Auftritt auf dem Hügel neben der Bühne und rutscht den ganzen Hügel auf dem Hintern herunter. Musik machen kann die Bloodhound Gang auch und Charthits wie "Along Comes Mary" werden zum Mosh-Hit. Damit dem Publikum bei der ganzen Musik nicht langweilig wird, zerreist Jimmy Pop Evil Jared das T-Shirt, der sich damit den Hintern abwischt. Entertainen können die fünf Amerikaner und gut informiert wie sie sind, lassen sie immer wieder deutsche Sprüche fallen oder machen sich über deutsche Prominente lustig. Beim Entertainment-Programm hat eindeutig Evil Jared das Zepter in der Hand, Jimmy Pop hingegen scheint an diesem Abend stimmlich und humoristisch zu schwächeln. Den Festivalbesuchern ist das egal und so werden Stücke wie "The Ballad Of Chasey Lain" oder "Foxtrot Uniform Charlie Kilo" gesanglich und tänzerisch abgefeiert. Höhepunkt für das Publikum und Tiefpunkt für den Veranstalter ist der Moment, in dem sich Evil Jared vom Publikum mit Schlamm bewerfen lässt, da konnten die Putzkolonnen mit ihren Besen auch nichts mehr ausrichten. Die Bloodhound Gang beenden ihren Auftritt mit "The Bad Touch", bei dem das Publikum überdimensionierte, orange Luftballons zum Spielen bekommt, und einem weiteren exhibitionistischen Auftritt Evil Jareds, bei dem die wichtigste Stelle zum Glück mit der Deutschland-Fahne bedeckt ist und eine Bayern-Fahne als Umhang dient.

Nach dem Auftritt von ASP wird die SFN-Bühne von der Hölle direkt ins Mittelalter versetzt. Schwarze, durchsichtige Fahnen hängen vom Bühnenhimmel und der Vorplatz ist bereits gedrängt voll mit vielen Zuschauern, die das Altersniveau stark anheben. SCHANDMAUL beginnen ihr Konzert mit einem Instrumentalstück, das Violinistin Anna und Flötistin Birgit richtig in Szene setzt, besonders als die schwarzen Fahnen mit einem Schlag fallen. Schandmaul sind zum 3. Mal auf dem Taubertal und Stücke wie "Drachentöter" werden lautstark mitgesungen. Man merkt, dass alle Bandmitglieder ausgebildete Musiker und Allroundtalente sind, trotzdem bewahrt sich Schandmaul aber ihren Ursprung und Charme von Hausmusikern.

Das Thermometer ist auf gefühlte 2 Grad gefallen und ich bin froh an diesem Abend richtig warm angezogen zu sein. Noch schnell einen Tee geholt und vor die leere Sounds For Nature Bühne gestellt. MONSTERS OF LIEDERMACHING kommen auf die Bühne und lösen die Verwirrung einiger Festivalbesucher mit den Worten: "Wir sind nicht Towers of London, auch wenn wir vielleicht so aussehen!" Towers of London cancelten ihren Auftritt und Monsters of Liedermaching springen spontan ein, was ihnen zu zwei Auftritten bei dem diesjährigen Festival verhilft, aber auch für eine kurze Nacht spricht. Die sechs Liedermacher, Fred Timm, Burger, der flotte Totte, Rüdiger Bierhorst, Peer Jensens und Jan Labinski, aus dem nördlichen Deutschland nehmen auf den vorbereiten Bierbänken platz und greifen zu ihren Gitarren. Herauskommen geistige Ergüsse wie "Marzipan", "Tod In Der Nordsee" oder "Ich Brauch Ein' Döner", wobei auch gut und gerne mal von den glorreichen Sechs Sitzpogo durchgeführt wird. Die Lieder sind zum Mitsingen geschrieben und "Wer nicht mitsingt, redet nicht." Getreu dem Motto grölt das zunehmend wachsende Publikum aus vollem Halse mit, auch wenn die Monsters gerne mal in einer Rauchsäule aus Nikotin verschwinden, was sie mit "4 Meter" besingen. Die Kälte setzt zunehmend den Gitarren zu, die sich immer wieder verstimmen, aber das Ende des Auftritts ist mit "Algerien" in Sicht. Fred Timm freut sich noch über eine ausgeflippte und betrunkene Zuschauerin, die über die Absperrung springt und sich mit den Securities ein Gerangel liefert, aber dann sind die Monsters wohl schnell zurück ins Hotel gefahren, denn am nächsten Morgen und somit neun Stunden später dürfen sie ihren zweiten Auftritt auf dem Taubertal 2006, auf dem Campingplatz Berg, absolvieren.

Der Aufstieg zum Campingplatz Berg ist in dieser Nacht nicht mehr ganz so beschwerlich, man ist ja vorbereitet. Auf der 20-minütigen Wanderung lernt man auch einige Leute kennen. Auf dem Campingplatz scheint die Feier jetzt erst anzufangen und so wird die Schlammrutschpartie zum Zelt zu einem wahren Erlebnis.

 

Schandmaul Bloodhound Gang Monsters Of Liedermaching Trashmonkeys Emergenza Siegerehrung

 

Der Sonntagmorgen gestaltet sich bei fast allen Festivalbesuchern dadurch, dass sie ihre Zelte abbauen. Nach einem kleinen Snack vom Gaskocher bewegen wir uns in Richtung Festivalgelände. Auch in diesem Jahr findet die Finale-Runde und die Siegerehrung von EMERGENZA, einem Nachwuchs-Wettbewerb für ungesignte Bands, auf dem Taubertal statt. 21 Bands aus der ganzen Welt haben am Finale teilgenommen, aber unsere deutsche Hoffnung aus Mannheim MY BABY WANTS TO EAT YOUR PUSSY belegen leider nur Platz 3. Auf Platz 2 schaffen es THE NEW BRAND aus Kopenhagen und die Gewinnerband heißt THE SESSION und stammt aus Vancouver, Kanada. Als Hauptpreis erhalten sie einen Plattenvertrag. My Baby Wants To Eat Your Pussy müssen sich nicht hinter den Gewinnern verstecken, den von 10 Kategorien gewinnen sie "Best Electric Guitar Player", "Best Drummer", "Best Singer" und "Best Rhythm Section" und somit Sachpreise in Form von Instrumenten. Die Siegerehrung für die Siegerband The Session könnte nicht emotionsloser und unspektakulärer ausfallen, aber Plattenvertrag ist Plattenvertrag und der Sieger hat natürlich die Ehre auf der Mainstage aufzutreten, wenn auch vor kleinem Publikum. "My Love", "Where I'm Done" oder "Around" von The Session geht direkt in die Beine und ins Ohr. Sie haben sich den Spielplatz New New Wave ausgesucht und spielen in einer Sandkiste mit The Faint oder den Artic Monkeys. Die Musik tut nicht weh und ein Plattenvertrag wird sich für das Label auszahlen, ist nur die Frage wie lang der Hype noch gehen wird.

Die vier Herren von GODS OF BLITZ kommen aus Berlin und machen gradlinigen Rock, der einfach nur Spaß macht, ohne viel Innovationsgeist oder Epenwunsch. Das Publikum an der SFN-Bühne geht sofort auf die Musik ein und der ein oder andere lässt sich zu einem Gummistiefeltanz in einer Pfütze hinreißen bei Stücken wie "Protoman", "The Rising" oder "Psychology".

THE ROBOCOP KRAUS kommen in Hemden auf die SFN-Bühne, die das Muster von alten Wohnzimmer-Tapeten von Familienfotos aus den 70ern haben – schrill und irgendwie okka. Die Frage des Publikums, woher die Band die Hemden habe, bleibt gänzlich unbeantwortet, aber Sänger Thomas Lang wirft die Frage auf, warum Schlagzeuger Hans-Christian Fuss sein Hemd vergessen hat. Schrill und irgendwie okka ist auch die Musik von The Robocop Kraus. Es wirkt wie Rock'n'Roll aus den 60ies mit dem Coolness-Faktor der 80ies und Pop-Elementen aus den 90ies. Stücke wie "Mario Lanza (Or Was It Just Chardonnay Talking Tough)" machen Spaß und zaubern Bewegungsdrang in die Beine der Zuhörer. Fans kommen bei "Fake Boys" oder "You Don't Have To Shout" auf ihre Kosten und spätestens als Thomas Lang und Hans-Christian Fuss "I Paid The Ferryman" und die Show mit einer Schlagzeugperformance beenden, will jeder Zuschauer ein Wohnzimmer-Tapeten-Hemd.

 

The Sessions Gods Of Blitz The Marble Index The Robocop Kraus New Model Army

 

In Liebesfilmen und Dramen beginnt es bei besonders traurigen Stellen zu regnen. Und so regnet es bei TOMTE und "Geigen bei Wonderfull World" heute zum ersten Mal. Sänger Thees Uhlmann nimmt das Wetter mit Humor und spricht von einer Reinigung des Publikums durch Tomte. Schon bei den ersten Stücken wie "Endlich einmal" oder "Schreit den Namen meiner Mutter" wird klar, dass New Model Army die große Bühne mit Tomte und der kleinen SFN-Bühne hätten tauschen können, denn immer mehr Festivalbesucher drängen sich vor der SFN-Bühne. Tomte lassen es sich nicht nehmen "Für immer die Menschen" mit einem Cover ihrer Vorgänger The Robocop Kraus "Fake Boys, Fake Girls" ausklingen zu lassen. Erstaunlich viele Männer tummeln sich im Publikum und singen aus vollem Halse mit und bei "Das War Ich" sind sogar die ein oder anderen Feuerzeuge zu sichten. Ein Feuerzeug und ein Haarspray verwendet Thees, um mit einfachen Mitteln Feuereffekte bei "Korn & Sprite" zu erzeugen. Prophetisch kündigen Tomte den nächsten Act mit einem kurzen Cover von den Donots und "Whatever happen to Thees" an. Mittlerweile hat sich der Schauer zu Dauerregen entwickelt und gibt dem Remix von "Schönheit Der Chance" und somit dem letzten Stück von Tomte an diesem Abend eine skurrile und gleichzeitig traumhaft schöne Atmosphäre.

Mit diesen Erinnerungen und Eindrücken verlasse ich das Taubertal um noch in der Nacht die Heimfahrt antreten zu können. Leider werde ich den zweiten Auftritt der Donots mit einem Akustikset verpassen, aber es wird das Taubertal unvergesslich ausklingen lassen.

 

Tomte Publikum Gelände

 

Text: Sonja Waschulzik /Fotos: Katrin Reichwein - www.sounds2move.de

Link: www.taubertal-openair.de