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Festivalbericht zum Les Eurockéennes de Belfort 2006

Getreu dem Motto „Die Welt zu Gast bei Freuden“ machen wir uns im Viertelfinale nach Belfort in Frankreich auf. Wie jedes Jahr findet dort am ersten Juliwochenende das größte französische Musikfestival statt. Bereits etliche Kilometer vor unserem Ziel beginnt eine ausgefeilte Beschilderung zum Festivalgelände, an dem wir von perfekt organisierten Parkeinweisern unseren Parkplatz zugewiesen bekommen. Angekommen, aus dem klimatisierten Mietwagen ausgestiegen, erleiden wir einen Hitzeschlag. Auf der Sonnenoberfläche einen Spaziergang zu machen, dürfte nicht heißer sein, als der Weg vom Auto zu unserem Zeltplatz. Die Franzosen sind ein Musik- und Campingbegeistertes Völkchen, was an den humanen Campingplatzregeln beim Eurockéennes liegen könnte. Viele Zelte haben ihre eigene Lagerfeuerstelle oder zumindest einen Grill. Aber auch ansonsten scheint der Zeltplatz organisierter und funktionaler als auf deutschen Festivals. Neben unendlich vielen Dixieklos sind Waschstellen und Duschwagen von jedem Zelt aus innerhalb von 5 Minuten zu erreichen, was bei dieser Hitze aber auch nötig ist. Wasserschlachten sind hier an der Tagesordnung.


Sich selbst und genügend Wasserflaschen geschnappt und ab geht’s zum Festivalgelände. Die Shuttlebusse fahren im Minutentakt über eine von der französischen Polizei eigens gesperrte Strecke. Der Bus hält und man befindet sich auf der Halbinsel Malsaucy. Einige Securitykontrollen, bei der 5 Liter Wasser in Plastikflaschen nicht mal mit einem müden Lächeln bemerkt werden, später, befinden wir uns auf dem Festivalgelände des Eurockéennes. Mit einem Timetable-Flyer ausgestattet, der überall verteilt wird, machen wir uns auf zum Chapiteau, um ARCTIC MONKEYS zu sehen. Das Chapiteau ist ein überdimensioniertes Zelt, mit der zweitgrößten Bühne des Festivals. Das hat zwar den Vorteil, dass man tagsüber keinen Hitzeschlag erleidet, aber das zu spät kommende potentielle Publikum kann die Band leider nur noch hören, aber nicht sehen. Vom Zeltaufbau und der Hitze erschlagen, begeben wir uns neben das Chapiteau auf die Wiese und Lauschen den Klängen der englischen Chartstürmer Arctic Monkeys. Natürlich bleibt der No. 1 Titel "I Bet You Look Good On The Dancefloor" nicht aus und heizt den überhitzen Franzosen noch kräftiger ein.

 

In aufkommender Dunkelheit begeben wir uns in Richtung Grande Scéne, der Hauptbühne des Eurockéennes. DIONYSOS sind in Frankreich Götter, in Deutschland gesignt, aber unbekannt. Das Quintett geht mit einem Sinfonieorchester und einem 20 Mann starken Chor an den Start. Für unsere deutschen Ohren erscheint Dionysos zunächst sehr befremdlich. Ein kleiner Mann, der nicht besonders hübsch ist und zudem nicht besonders gut, aber gerade, singt, hüpft auf der Bühne herum und eine junge Frau, die wie von Sinnen auf ihre Violine eindrescht, wenn sie nicht gerade ins Mikrophon fiept. Die Musik lässt sich nicht einordnen, sie wird zwar als Rock angekündigt, beinhaltet aber so ziemlich jeden Musikstil. Wir stehen erst einmal so herum und wundern uns über die Euphorie der französischen Zuschauer, die zu klassischen Sinfonieklängen, mit E-Gitarre und Quietsche-Stimme glücklich vor der Bühne herumspringen. Gerade als die Musik beginnt uns mitzureißen, kommt es zu einem Technik-Total-Ausfall. Nichts geht mehr. Als die Band diesen Ausfall zeitverzögert feststellt, steht sie betroffen auf der Bühne herum und das französische Publikum beschwert sich lautstark mit einem Pfeifkonzert. Gut, in Deutschland wäre schon längst randaliert worden, aber der Franzose an sich wartet geduldig auf das da Kommende. Nach 15 Minuten sind der Ton und somit die Euphorie wieder da. Wir haben uns derweil in die vorderen Reihen geschlagen und können von vorne aus das fulminante Ende der Show mit einem fünfzehnminütigen Medley beobachten, bei dem der Sänger sich chrowdsurfenderweise von der Bühne bis zum Technikturm und zurück tragen lässt. Wieder auf der Bühne angekommen ist Sänger Mathias Malzieu derart entkräftet, dass er von Securities an den linken Bühnenrand getragen werden muss und das Wasser nahezu eingeflösst bekommt. Keine Minute später steht er wieder vorne auf dem Bühnenrand und lässt sich mit hochgerissenen Armen feiern wie ein Star. Daraufhin nimmt noch der Dirigent des Sinfonieorchesters ein Bad in der Menge und der Dionysos-Auftritt endet.

 

 

Setlist Arctic Monkeys:

01. The View From Afternoon
02. Still Take You Home
03. You Probably Couldn't See The Light But You Were Looking Straight At Me
04. Cigarette Smoker Fiona
05. Perhaps Vampires Is A Bit Strong But
06. Dancing Shoes
07. Who The Fuck Are The Arctic Monkeys?
08. I Bet You Look Good On The Dancefloor
09. From Ritz To The Rubble
10. Leave Before The Lights Come On
11. When The Sun Goes Down
12. Fake Tales Of San Francisco
13. A Certain Romance

Dionysos Gelände & Publikum

 


Setlist Daft Punk:

01. Robot Rock
02. Technologic vs Oh Yeah
03. Television Rules The Nation vs Crescendolls
04. Too Long
05. Steam Machine vs Around The World
06. Too Long
07. Face To Face vs Harder Better Faster Stronger vs Short Circuit
08. One More Time vs Aerodynamic
09. The Prime Time Of Your Life vs Rollin' And Scratchin'
10. Da Funk
11. Superheroes vs Human After All vs Rock'n'Roll

THE STROKES aus den USA stehen schon in den Startlöchern, um den französischen Fans einzuheizen. Das Publikum ist kaum zuhalten, da The Strokes eine große Fanbase in Frankreich haben. Nach diesem kurzweiligen Ausflug in die amerikanische Rockszene weisen alle Zeichen auf den eigentlichen Höhepunkt des Abends hin.

Es ist bereits 2 Uhr nachts und die Temperaturen sind auf ein erträgliches Maß gesunken. Auf der Bühne werden eine Pyramide, ein hohes Lichtgerüst und eine riesige Leinwand installiert. Der Drängfaktor vor der Bühne ist auf ein Maximum gestiegen. Das Publikum wird zunehmend unruhiger und als zwei Herren mit Robotermasken auf die Bühne kommen, ist für das französische Publikum kein Halten mehr. DAFT PUNK beginnen ihre Show mit sprachgenerierten Roboterstimmen, die sehr an Kraftwerk und damit an das Eurockéennes 2005 erinnern. Auch die analoge Computerschrift erinnert an die Altmeister des deutschen Elektro. Die Musik beginnt langsam, steigert sich zusehends und mit ihr die Stimmung im Publikum. Die Bässe in den ersten beiden Stücken lassen einen in den ersten Reihen kaum atmen und selbst die Securities lassen sich schnell von der Stimmung mitreißen. Die zwei maskierten Männer kennen sich seit fast 20 Jahren und lernten sich auf einer Schule in Paris kennen. Ihre Erfolgsgeschichte ging "Around The World" und an diesem heutigen Abend dürfen weitere Hits wie "One More Time" und "Music Sounds Much Better To You" natürlich nicht fehlen. Die Stimmung ist durch die gigantische Lichtshow, die eingängigen Melodien und die treibenden Rhythmen aufgeheizt und man merkt die besondere Verbindung von Daft Punk zu ihrem Heimatland oder auch Frankreichs zur elektronischen Musik allgemein. Um halb vier Uhr nachts endet der Daft Punk Auftritt, das Eurockéennes schließt langsam die Tore und die deutschen Festivalbesucher schlafen in der Gewissheit ein im Halbfinale zu stehen.

 

Nach einem angenehm unspektakulären Morgen, an dem wir Feldforschung im Bereich „Andere Völker, andere Sitten“ betreiben können, begeben wir uns in Richtung Festivalgelände und Plage. Die Strandbühne Plage liegt auf dem Sandstrand direkt am Wasser und grenzt an eine Wiese mit vielen Bäumen. Die Festivalbesucher genehmigen sich ein Nickerchen auf der Wiese und wir tun es ihnen gleich, werden aber bald von TEITUR geweckt. Wie der Junge von neben an, steht Teitur Lassen von den Faroer-Inseln auf der Bühne und wirkt fast noch schüchterner als das zehnköpfige Schülerorchester, das er mitgebracht hat.
Halb verschlafen sind wir noch gar nicht für Musik aufnahmefähig, aber schon nach wenigen Takten setzt ein unglaublicher Chillfaktor ein. Das Universaltalent Teitur schlägt mit seinen ausgefeilt melodiösen Gitarren- oder Klavierstücken die Zuschauer in seinen Bann. Als klassischer Violinist schafft es Teitur die Orchesterarrangements perfekt auf seine Stücke anzupassen und das Schülerorchester, das alle Stücke nur mit CD gelernt hat, meistert den Live-Auftritt mit Bravour. In der darauf folgenden Pressekonferenz erzählt Teitur, dass es auf den Färöer Inseln keine literarische Kultur gebe, sondern alles musikalisch tradiert sei. Auf Feiern werde nach einiger Zeit immer zusammen gesungen, weil es keine Bands gebe. Mit diesem musikalischen Background ist Teitur zu einem der herausragendsten Singer-Songwriter unserer Zeit geworden.

 

  Teitur Duchess Says Art Brut

 

Setlist Morrissey:

01. Irish Blood, English Heart
02. How Soon Is Now?
03. I Just Want To See The Boy Happy
04. You Have Killed Me
05. Ganglord
06. The Youngest Was The Most Loved
07. I'll Never Be Anybody's Hero Now
08. In The Future When All's Well
09. Life Is A Pigsty
10. Girlfriend In A Coma
11. First Of The Gang To Die
12. Let Me Kiss You
13. I Will See You In Far-Off Places
14. At Last I Am Born
15. To Me You Are A Work Of Art
16. Panic

 

 


Von dem verschüchterten Jungen von Nebenan gehen wir zum extrovertierten Weltstar MORRISSEY. Es haben sich schon viele Festivalbesucher vor der Grande Scéne eingefunden und das Durchschnittsalter steigt kontinuierlich an. Der Altmeister des Pop betritt die Bühne und begrüßt das französische Publikum mit den Worten: "God bless God, vive la France, do your best, don't worry." Durchaus möglich das Morrissey damit das anstehende Viertelfinalspiel zwischen Frankreich und Brasilien meint. Die Show beginnt und Morrissey hangelt sich von depressiv-gefühlvollen zu pessimistisch-bedrückenden Stücken, dabei führt er eine durchaus etwas strange-geartete Performance mit dem Mikrofonkabel vor. Vielleicht wollte er sich aber auch einfach nur Wind mit den Kabel zu fächern. Dass nämlich auch ihm der französische Sommer zu heiß ist, zeigt sich schnell. Morrissey schwitzt was das Zeug hält. Da hilft es auch nichts, sich das Hemd unbeholfen vom Körper zu reißen. Neben einer prallgefühlten Setlist eigener Hits werden immer wieder Stücke von The Smith wie "How Soon Is Now?" oder "Panic" eingeflochten. Morrissey beendet seine Show ohne größere Ausbrüche oder Beleidigungen und der Zuschauer ist um die Erfahrung reicher, dass dieser Mann seine Allüren verdient und zu Recht einer der ganz Großen ist.

 

In einer kurzen Verschnaufpause wollen wir uns etwas zu Essen gönnen und müssen uns über Horden von Menschen vor der Coca-Cola-Lounge oder einigen Essenständen wundern. Nach kurzer Zeit werden wir uns darüber bewusst, dass sich tausende Fußballbegeisterte Festivalbesucher gemeinsam das Frankreich-Brasilien-Spiel auf winzigkleinen Fernsehern ansehen, die die Stände eigentlich für den eigenen Gebrauch dabei haben. Selbst im Pressezelt zeigt sich ein ähnlich verrücktes Bild. Zig Journalisten drängen sich um eine Leinwand und lassen den Journalismus für zwei mal 45 Minuten Journalismus sein. Die Spielergebnisse werden auf dem Gelände durch Mund- zu Mundpropaganda weitergegeben und man stellt sich die Frage warum die Festivalleitung nicht einfach eine Leinwand für all die Fußballfans installiert hat. Weltmeisterschaft ist schließlich nur alle vier Jahre.

Das Frankfurter Waldstadion aus den Augen verlierend, begeben wir uns wieder zur Grande Scéne um auf den heißesten Act des diesjährigen Eurockéennes zu warten. Auf der Bühne wird viel geschoben und geschraubt, dazu wummern Technobeats aus den Boxen. Das Gedränge nimmt stetig zu. Mit einem großen Knall und viel Licht kommen DEPECHE MODE auf die Bühne. Vom ersten Augenblick an besteht ein magischer Zauber zwischen Publikum und Sänger Dave Gahan, der sie alle im Griff hat. Ohne große Worte, nur durch kleinen Gesten, verzaubert er jeden einzelnen Zuschauer – von der ersten bis in die letzte Reihe. Das durchweg gemischte Publikum singt, tanzt und jubelt. Insgesamt erweisen sich Depeche Mode als eine Band mit einem sehr guten Hänchen für die perfekte Setlist: So stellen sie viele Stücke des aktuellen Albums "Playing The Angel" vor, darunter Charterfolge wie "A Pain That I'm Used To" oder experimentelle Stücke wie "Nothing's Impossible". Ebenso finden sich die altbekannten Nummern wie „Stripped“ oder „Enjoy The Silence“ gehören zum heutigen Repertoire. Nach dem gefühlvoll von Martin L. Gore allein vorgetragenem "Judas" und dem ersten powervollen Song, den Depeche Mode je geschrieben haben ("Photographic"), endet die durchweg grandiose Show schließlich mit "Behind The Wheel". Die französischen Festivalbesucher taumeln berauscht von Dave Gahans Charisma, der Wirkung der Musik und der Gewissheit durch Henry im Halbfinale zu stehen in Richtung Zelt und Bett.

 

 



Setlist Depche Mode:

01. A Pain That I'm Used To
02. A Question Of Time
03. Suffer Well
04. Precious
05. Walking In My Show
06. Stripped
07. Home
08. In Your Room
09. Nothing's Impossible
10. John The Revelator
11. I Feel You
12. World In My Eyes
13. Personal Jesus
14. Enjoy The Silence
15. Judas
16. Photographic
17. Never Let Me Down Again
18. Behind The Wheel


 
Morrissey Depeche Mode We Are Wolves

 

Der dritte Festivaltag beginnt mit einer wahren Abbauwelle. Diejenigen, die in der Nähe wohnen, bauen ihre Zelte schon ab, um noch abends die Heimreise antreten zu können. Um die Mittagszeit überkommen uns schon Zweifel, ob unser Zelt nachts alleine auf dem Zeltplatz stehen wird. Auf dem Festivalgelände ist aber der gewohnte Betrieb, man könnte fast meinen, dass mehr los sei als die vergangenen Tage.

Die Sonne strahlt und wir begeben uns zur Strandbühne, wo die einzigen Vertreter der Deutschen mit dem bezeichnenden Namen MY BABY WANTS TO EAR YOUR PUSSY auf ihren Auftritt warten. Die Strandbühne ist besonders gut besucht, da die Band mit ihrem Namen unter den Festivalbesuchern für Furore gesorgt hat. Alle wollen wissen, was hinter diesem Namen steckt und wir müssen nicht lange warten. Die sechs Mitglieder von My Baby Wants To Eat Your Pussy kommen auf die Bühne und sind schrill und bunt. Nicht nur die Outfits und Frisuren sind durchgedreht, auch die Musik will sich nicht auf ein Genre beschränken lassen. Sie sind Glam, sie sind Rock und ein bisschen progressiv. Sie beherrschen nicht nur ihre Instrumente, sondern auf Grund ihrer Show, auch das Publikum. Für unseren verschlafenen Zustand sind sie vielleicht etwas zu bunt, also warten wir an der Strandbühne auf Duchess Says.

Gerade haben wir uns von diesem Pussy-Schrillen-Schock erholt, da kommt der nächste Anflug von Geschmacklosigkeit. DUCHESS SAYS Sängerin A-Claude steht My Baby Wants To Eat Your Pussy in Nichts nach. Sie springt, sie flippt und sie versucht Bier zu trinken, was sichtlich misslingt. Duchess Says haben sich allerdings mehr ihrem Genre Electro Rock verschrieben und man weiß musikalisch woran man ist. Das ist Gute-Laune-Musik an diesem heißen Sommertag, die durch ihre starken elektronischen Einflüsse sehr tanzbar ist.

Wir begeben uns nach diesem LSD-mäßigen-Trip in Richtung Hauptbühne und ART BRUT. Es scheint der Tag der Humoristen zu sein. Eddie Argos, seines Zeichens Sänger von Art Brut, sieht zwar aus wie ein Bankangestellter, läuft aber mit rot-weiß-geringelten Socken über die Bühne und erzählt eigentlich nur Unsinn. Es ist aber auch der Tag der Deutschen, denn in dieser Band sind gleich zwei Musiker aus unserem Völkchen vertreten: Freddy Feedback, die Bassistin, und Mikey B. am Schlagzeug. Man könnte auch fast meinen Mikey B. habe sich die Gestik von einem ihm nicht unbekannten Bela B. abgeschaut, aber das ist nur eine Vermutung. Einen Tag zuvor mussten Art Brut ihren Auftritt auf dem Forestglade in Österreich canceln, da die Bühne unter Wasser stand. In einem Kommentar dazu freuten sich Art Brut darauf vor einem derart großen Publikum beim Eurockéennes aufzutreten und das Publikum belohnt sie mit einer großartigen Stimmung. Musikalisch bewegen sich Art Brut im englischen Rock Bereich und machen ihre Sache verdammt gut. Bei dieser Band bekommt man das Komplettpaket geliefert, gute Musik und viel Unterhaltung, auch wenn sie dafür die rot-weiß-geringelte Socken ins Publikum werfen.

 

My Baby Wants To Eat Your Pusy Archive Muse

 

Langsam beginnt es dunkel zu werden und die Stimmung wird ruhiger und nachdenklicher. Perfekt für eine Band wie ARCHIVE. Mit einem neuen Sänger, Pollard Berrier, und ihrem neuen Album "Lights" bietet Archive dem Publikum eine perfekte Mischung aus Balladen- und Rocknummern mit elektronischen Einflüssen. Die Band um Darius Keeler und Dany Griffith findet das französische Publikum perfekt für ihre Musik, weil die Franzosen nicht hüpfen und Archive keine Moshpit-Band ist. Archive beginnen ihren Auftritt mit "Lights", das von John Carpenters Halloween-Theme beeinflusst ist. Aber auch schnellere Nummern wie "System" und "Fuck U" gehören zum Repertoire. Das Publikum wird geradezu von der Musik überrollt und auch das letzte Stück "Again" verstärkt den Eindruck, dass die Musik von Archive einen bombastischen Klang hat.

Es beginnt abzukühlen und Umbauarbeiten prophezeien den letzten Auftritt des Abends und des Festivals. MUSE werden in Frankreich wie Götter gehandelt und so ist es selbstverständlich, dass sogar mehr Zuschauer vor der Bühne stehen als bei Depeche Mode. Noch vor Konzertbeginn werden Scharen von Mädchen von den Securities aus dem Publikum gezogen. Als Muse auf die Bühne kommen, die ersten Takte der Musik beginnen und Matthew Bellamy anfängt ins Mikrofon zu singen, da durchfährt es einen wie ein Blitz und man bekommt von dieser Wucht der Musik und der Ausstrahlung von Bellamy, nicht im romantischen, sondern realen Sinne, weiche Knie. Das Publikum ist durchweg vom Alter und Geschlecht gemischt und so ziehen die Securities im Sekundentakt sowohl Mädchen als auch gestandene Männer heraus. Leider sind die Securities auf diese Situation nicht genügend vorbereitet und so kommt es zu einem Überlauf bei den Sanitätern. Leute werden teilweise ohne Schuhe zurück ins Publikum geschickt. Dafür werden aber trotz WM keine albernen gelben und roten Karten fürs Crowdsurfen verteilt. Als sich die Situation und das Publikum im letzten Drittel der Show beruhigt hat, können die Securities und Sanitäter endlich auch einmal einen Blick auf die Bühne werfen und beide Geschlechter erweisen sich bei Stücken wie "Knights Of Cydonia", "New Born" oder "Time Is Running Out" als extrem textsicher. Das Universalgenie Bellamy erweist sich nicht nur als begnadeter Gitarrist, sondern zeigt auch sein Können an einem weißen Klavier. Obwohl Muse sich erst vor sieben Jahren zu einer Band formiert haben, lassen sie die großen Depeche Mode von der Stimmung her alt aussehen. Muse stellen den perfekten Abschluss für ein durchweg gelungenes Eurockéennes 2006 da.

Um nicht mit Scharen von Festivalbesuchern im Shuttlebus fahren zu müssen, setzen wir uns noch an eine der unzähligen Feuerstellen und ließen das Eurockéennes 2006 zusammen mit unseren neuen französischen Freunden ruhig und entspannt ausklingen.

 

Text: Sonja Waschulzik & Katrin Reichwein / Fotos: Katrin Reichwein - www.sounds2move.de

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Link: www.eurockeennes.fr