Festivalbericht zum Dong Open Air 2006

 

Zum bereits sechsten Mal versammelte sich auf dem Dongberg in Neukirchen-Vluyn (keine Ahnung, wo das liegt, hehe...) die üblichen Verdächtigen. Nach Met stinkende, grölende Barbaren und Frauen in Dimmu-Borgir-Bikinis, um mal einen gewissen Chefredakteur zu zitieren. War dann übrigens auch wirklich so... Klar, dass sounds2move.de da auch dabei sein musste, wobei allerdings eher die bei geradezu lächerlichen Preisen höllisch gute Bandauswahl und der hervorragende Ruf des Festivals eine Rolle gespielt hat. Und so machte ich mich voller Erwarten auf den Weg. Den Dongberg hoch fuhren wir, ziemlich dekadent, im Linienbus, was für Grinsen im Bus und Mittelfinger draußen sorgte. Hach, Dekadenz kann so toll sein, har har... Nachdem das Zelt aufgebaut war, hieß es dann also anstellen, und der Dinge harren, die da kommen. Das Festival war zwar ausverkauft, aber nicht übervoll, was man auch in der Warteschlange merkte. Dennoch kam ich leider zu spät für THE BONNY SITUATION und  MOTORJESUS. Schade, aber nicht zu ändern. Außer durch einen eigenen Presse-Eingang, womit wir wieder bei Dekadenz wären. Da diese aber dem speziellen Charme des D:O:A komplett entgegenlaufen würde, war mir das ganze irgendwie egal...

 

 

Freitag, 14.07.

 

CONTRADICTION eröffneten also für mich das Dong Open Air. Und so wie die Wuppertaler abgingen, hätten sie ruhig einen besseren Platz im Billing haben können. Der solide Thrash-Metal der Jungs wurde durch das gute Stage-Acting perfekt auf die Bühne getragen. Selbst mit Ersatz am Bass konnten Contradiction das Zelt schon recht gut füllen, was für die Band sprechen dürfte. Die Jungs sind definitiv eine der lokalen Szene-Größen, was guten Thrash-Metal angeht.

 

Als nächstens warteten die Shootingstars von MYSTIC PROPHECY. Wie gewohnt lieferten die Powermetaller eine solide Show ab, die mit "Shadows Beyond", "Master of Sins", "Evil Empires", "Nightmares of Demon" und natürlich dem abgefeierten Titeltrack "Savage Souls" vor allem das vor kurzem erschienene, gleichnamige Album betonte. Mystic Prophecy sind schon längst alte Hasen und wissen, wie man eine Menge in Stimmung bringt. Leider muss ich aber gestehen, dass mir bei dieser Band immer irgendwas fehlt. Klar, da ist Spielfreude, da ist Energie, aber irgendwie ist auch alles so abgeklärt professionell. Na ja, den Leuten hat’s gefallen. Und zugegeben, es war schon verdammt cool, die Show mit dem Manowar-Cover "Fighting the World" ausklingen zu lassen.

 

COMMANDER kannte ich vorher nicht. Immerhin hatten die Deather einen Pluspunkt zu verzeichnen: Sie waren die einzige Band mit einer Frau im Line-Up auf diesem Festival. Nennt mich schwanzgesteuert, aber allein deswegen schon musste ich mir die Show ansehen, har har. Tja, und wie das so ist, wurde da nichts draus. Im Nachhinein erfuhr man, dass Bassistin Birgit sich von der Band getrennt hat und dementsprechend auch nicht mehr auf dem Dong spielte. Aber auch Tobias Brandl, der Neuzugang, wusste dem Publikum einzuheizen, sodass alle Death/Thrash-Lunatics voll auf ihre Kosten kamen. Auch hier gab es dann mit "Damage Inc." noch eine Coverversion zu hören, die ebenfalls gut aus den Boxen dröhnte. Auch ohne Bassistin sehr empfehlenswert.

 

HIDDEN IN THE FOG waren mir persönlich mal wieder total unbekannt, aber egal, dafür fährt man ja auf Festivals. Zu meiner Überraschung handelte es sich hier um eine Black Metal-Band. Schön, dass es auch im Black Metal noch Musiker gibt, zwischen den ganzen Posern. Mit ihrem sehr progressiven Sound waren die Schwarzheimer eine durchaus zwiespältige Angelegenheit, da die einen meinten, sie müssten dazu pogen, während die anderen lieber der Musik nachträumen wollten. Allzu lange habe ich mir dieses Durcheinander daher nicht angesehen, auch um für die nachfolgenden Bands fit zu sein.

 

Bekanntlich spielen TURISAS auf nahezu jedem Festival mindestens einmal. Keine Ahnung woran das liegt. Vielleicht, weil sie einfach so verdammt saucool sind. Auch der Dong-Auftritt war mal wieder nichts als eine große Party mit Live-Musik. Egal ob "The Messenger", "Land of Hope and Glory" oder der Saufsong "One More", bei dem Sänger Warlord Nygard ausgiebig das extrem günstige Bier lobte, das Publikum sog jeden Song gierig auf. Aber nicht nur musikalisch haben die Finnen es drauf. An dieser Band ist auch mindestens ein Entertainer verloren gegangen. Die Sauna-Einlage, bei der auch noch ein Fan auf die Bühne geholt wurde, war jedenfalls zum Schießen. Außerdem wurden die deutsche Nationalhymne und die Europahymne gespielt, weiß der Geier warum. Ist ja auch egal. Fest steht jedenfalls: Diese Band kann man sich immer wieder ansehen, ohne dass sie langweilig wird.

 

Mittlerweile machte sich die Erschöpfung breit unter den Fans und auch meiner einer kam ins Schwitzen. Aber es half ja alles nichts, der Headliner wartete noch. Und da SAVAGE CIRCUS wirklich allererste Güteklasse sind, war die Entscheidung auch nicht schwer. Die multinationale Truppe um den, aufgrund von physischen wie psychischen Problemen an diesem Abend leider verhinderten, Ex-Blind Guardian Drummer Thomas "Thomen" Stauch zog das Publikum sofort auf ihre Seite. Unterstützt von Thomas Nack (Drums, unter anderem bekannt von Gamma Ray und Iron Saviour) sowie Yenz Leonhardt (Iron Saviour, Lacrimosa) am Bass startete die schwedisch-deutsche Freundschaft mit "Tomorrowland" in einen schweißtreibenden Gig, der den Fans auch noch die letzten Energie- und Stimmreserven abverlangte. Nicht nur, dass das komplette Debütalbum "Dreamland Manor", sogar mit Bonustrack, gespielt wurde, zusätzlich gab es neben einigen Coverversionen wie "Grinder" (Judas Priest) und "Detroit Rock City" (Kiss) mit "For the World" auch noch ein Stück vom nächsten Album zu hören. Abgesehen von den teilweise wirklich gravierenden Soundproblemen, die sich aber auch schon im Soundcheck durch einen ausgefallenen Amp ankündigten, ein großartiger Gig, bei dem vor allem Sänger Emil Norberg überzeugen konnte. Man merkt zwar, dass die Band sich noch etwas aufeinander einspielen muss, aber da braucht man sich glaube ich keine Sorgen zu machen.

 

 

Samstag, 15.07.

 

Der Samstag begann, wie er besser nicht hätte beginnen können. Mit den GRAILKNIGHTS kann man als Veranstalter einfach nichts falsch machen. Und so stellte Lord Lightbringer sichtlich stolz fest: "Mittags um zwölf, und das Zelt ist voll!" Denn, man glaubt es kaum, bei dem Gig der Wunstdorfer Superhelden waren mehr Leute zugegen als am Vorabend bei Savage Circus. Und wieder mal begab man sich auf die Suche nach dem Heiligen Gral, und zwar "Across the Galaxy". Im Gepäck das taufrische neue Album "Return to Castle Grailskull" und eine Menge treuer Anhänger, die sich  sogar eigene Kostüme geschneidert hatten. Was soll man sagen? Das Dong Open Air wurde für die Band zu einem Triumphzug, denn im Anschluss an den Gig gab es noch eine zweistündige (!) Autogrammstunde, die eigentlich eher ein Meet & Greet inklusive Fotosession war. Das war das erste Festival, wo der eigentliche Tages-Headliner als erstes gespielt hat. Jedenfalls habe ich so was noch nie gesehen.

 

Mit der Köln/Bonner Formation GUN BARRELL war es nun an der Zeit für schweren Heavy Rock, der die alten Zeiten hochleben ließ, als Rockmusik noch Rockmusik war. Und trotz des frischen und unverbrauchten Materials des sympathischen Fünfers war es vor der Bühne recht leer. Offenbar sind Gun Barrel vielen einfach zu alt. Tja, selbst schuld, denn Kracher wie "Bombard your Soul" und "Mr.Devil" lassen Hammerfall und Konsorten wie Grundschüler aussehen, und gehen richtig ins Blut. Was solls, wer da war hatte Spaß, und damit meine ich nicht nur die Fans.

 

Wenn sich eine Band LORDS OF DECADENCE nennt, dann erwartet man da entweder eine große Klappe oder eine verdammt gute Show. Die Wiener Melo-Deather hatten zwar ersteres, aber das mit der guten Show ist wohl Ansichtssache. Mir persönlich wurde nach der Hälfte des Gigs dann doch eher langweilig. Anhand der reichlich vorhandenen Crowdsurfer konnte man aber sehen, dass nicht alle meiner Meinung waren.

 

"Angetreten um Werte zu schaffen, gemacht um unentbehrlich zu sein", so haben es NEGATOR auf ihrer Homepage stehen. Diesem hohen Anspruch wurden die Hamburger Schwarzheimer zwar nicht ganz gerecht, aber dennoch kamen Fans anspruchsvollen Black Metals voll auf ihre Kosten. Für alle anderen zugegeben nur wenig interessant, stellten Negator ihr neues Album "Die eisernen Verse" vor, und das es sich hier nicht um Billigprosa handelt, dürfte nach diesem Gig eigentlich außer Frage stehen.

 

Wer nur bereits bekannte Bands sehen will, ist auf dem Dong sowieso falsch. Und daher war ich gespannt auf OSYRIS, von denen ich bisher nur Gutes gehört hatte. Und tatsächlich: Ein absolut souveräner Gig, wie man es von einer Band, die bereits seit 10 Jahren unterwegs ist, auch erwarten kann. Im Mittelpunkt der Show stand eindeutig Shouter Bastian "Bads" Becker, der wie ein Derwisch auf der Bühne rumturnte. Wenn Osyris auch nur annähernd repräsentativ wären für den restlichen Power Metal-Zirkus, dann müsste sich die Szene erheblich weniger Sorgen machen.

 

Als Ersatz für die ausgefallen BLACK MESSIAH waren spontan die Dong- erprobten GUERILLA verpflichtet worden. Und auch dieser Gig sollte wieder ein sehr ereignisreicher werden, verkündete doch Sänger Marcello, dass er und Pete fortan nicht mehr bei Guerilla spielen und dass dies einer der letzten Gigs für die beiden wäre. Dementsprechend gaben die Kölner Thrasher noch mal alles und holzten sich routiniert und voller Energie durch die Show. Für einige war die Band, die von der Veranstaltern mit der Stilbezeichnung "Frauenfeindlicher Girl-Metal aus Kapstadt" angekündigt wurde, aufgrund der zugegeben etwas schwachen Vocals eher enttäuschend, aber dennoch waren Guerilla auf dem Dong goldrichtig.

 

DRAGONLAND waren in erster Linie, der Name sagt es schon, für die Fans melodischen Power Metals da. Die Songs der Band sind durchaus etwas über dem allgemeinen Durchschnitt, was bei diesem Genre beileibe nicht mehr alltäglich ist. Leider trieft auch bei dieser Band wieder alles so vor Pathos und Klischee. Songtitel wie "Majesty of the Mithril Mountains" sprechen da eine deutliche Sprache. Abgesehen von dem ziemlich ausdruckslosen Gesang schlugen sich Dragonland aber beachtlich, leider war das Keyboard stellenweise kaum zu hören, gleiches gilt für die Lead-Gitarren. Mit "Cassiopheia" gab es auch schon einen Song vom bald erscheinenden neuen Album und für "Starfire" holte man dann sogar Ausnahmesänger Jake E. (Dreamland) auf die Bühne. So konnten sich auch die Dong-Besucher davon überzeugen, dass der 23-jährige stimmlich bereits mit den richtig Großen mithalten kann. Dragonland hingegen sind auf Platte offenbar wesentlich packender als live.

 

Als absoluter Nicht-Blackie waren ROTTING CHRIST für mich eher uninteressant. Für die Düster-Fraktion war das aber die letzte Gelegenheit, um mal so richtig böse zu sein. Ich muss sagen, ich habe selten eine Black Metal-Band gehört, die so langsam ist. Da war eigentlich mehr Doom und Gothic als Black. Dennoch ließ die Band um die beiden Brüder Themis und Sakis nichts anbrennen und hatte offenbar mächtig Dampf abzulassen. Songs habe ich zwar keine erkannt, aber dennoch war ich positiv überrascht von den Griechen.

 

Und dann war es endlich soweit: REITERMANIA!!! "Friede sei mit dir" bildete den Startschuss für ein anderthalbstündiges Freudenfest, bei dem jeder Anwesende, egal ob auf oder vor der Bühne, einfach nur Spaß hatte. Fuchs stachelte die wilde Meute immer wieder an und zu Songs wie "Metal will never die" hatte die auch gar keine andere Wahl. Hier war alles in Bewegung und wer schlapp machte, wurde von Fuchs persönlich wieder angestachelt. Energie, bis das Zelt bebt. So muss das sein. Songtechnisch können die Reiter ja sowieso nicht viel falsch machen und so spielte man sich quer durch alle Alben und bezog dabei auch die Fans gut mit ein. Eine derbe Bühnenshow unterstrich die energiegeladene Performance. Und als ob es nie mehr enden würde, gab es gleich zwei Zugabenblöcke, bei denen vor allem "Dschinghis Khan" hervorstach und noch mal die letzten Kraftreserven aus den Fans herauskitzelte. Kein Wunder, dass danach alle fix und fertig aus dem Zelt wankten, um entweder im Sitzen weiterzufeiern oder gleich das nächste Zelt (ihr eigenes nämlich) aufzusuchen.

 

Und so endete das diesjährige D.O.A.- Festival, das wieder mal ein Beweis dafür war, dass Metal-Festivals nicht riesengroß und überteuert sein müssen, um Kult zu werden. Ein paar zugkräftige, bekanntere Acts reichen aus, um jeder Menge Underground-Bands und Newcomern ein Publikum zu verschaffen. Dass dieses Konzept Jahr für Jahr aufgeht, ist ein Indiz dafür, dass es so was wie EINE Metal-Szene doch noch gibt. Zusammen mit den attraktiven Preisen und der durchweg familiären Atmosphäre macht dies das Dong-Festival zu einer unverzichtbaren kleinen Größe im deutschen Festival-Kalender.

1.500 Metal-Fans feierten ein Wochenende lang friedlich nebeneinander, zusammen mit den Veranstaltern und den Bands und jeder fragte sich am Ende: Wann darf ich wiederkommen?

 

SO GEHT HEAVY METAL!!!

 

Michael Bruns – www.sounds2move.de