The Sun always shines in Berlin - How to shoot a Videoclip

 

Gute 10 Jahre ist es her, daß meine Kollegen von Atrocity und ich eine Platte names Werk 80 erschaffen haben. Eine Dekade später im Jahr 2008 ist nun der 2. Teil dieser spannenden Idee fertiggestellt. Nach über 2 Jahren Produktionszeit wird Ende Februar nun die 2. Werk 80 Scheibe die Plattenläden stürmen und auch diesmal gibts ein Video. Gab es seinerzeit ein Video zu "Shout" mit Bildern vom beeindruckenden Dynamofestivalkonzert 1998, so haben wir uns nun zu einem Clip für die A-Ha-Coverversion von "The sun always shines on TV" entschlossen. Die heutige Ausgabe von Tossodomy and lust handelt vom Drumherum zu diesem Videodreh in einem Schloß janz weit draußen außerhalb von Berlin. Viel Spaß beim Lesen.

 

Freitag, 8. Februar

Nachdem am Vortag die Generalproben zum Videosong inklusive der neuen Bandmitglieder Nick Barker und Sessionbassistin Alla Fedynitch im Mastersoundstudio stattfanden, heißt es heute "Berlin, Berlin, wir fliegen nach Berlin". Bei einem Trip in die Haupstadt kommen bei mir immer verschiedene Erinnerungen zutage. Eine wilde und exzessive Schulklassenausfahrt 1991 im damals frisch wiedervereinten Berlin, Konzerte in einigen bizarren Läden wie dem Countryclub "Razzle Dazzle" inklusive Salooneinganstür, aber auch der Pflasterstein, der 1996 bei der "The hunt is on tour" mit In Flames vor dem "Thrashclub" in Kreuzberg zuerst durch die Scheibe unseres Tourbusses crashte und dann von meinem Dickschädel gestoppt wurde. Haha.. in Berlin ist halt immer was los. Heute bleiben allerdings keine Wünsche offen. Denn direkt vom Flughafen Berlin geht es für uns in ein sehr geräumiges 3-Zimmer-Appartment im Nikolaiviertel direkt an der Spree und es macht sich bei allen Beteiligten ein bisschen Urlaubs- und Tourismusfeeling breit (Danke an Napalm Records für die äußerst gelungene Buchung). Am frühen Abend macht sich dann der Hunger bemerkbar und der ganze ATRO-Stadt-Tross marschiert in Richtung Hackescher Markt, wo einige leckere Restaurants anzutreffen sind. Wir entscheiden uns für einen Asiaten und es gibt Sushi als Vorspeise, Curries und diverse andere Leckereien. Die Stimmung ist gut und wir tauschen ein paar lustige Geschichten aus unzähligen Tourneen bzw. diverse Szenen aus dem Kultstreifen "Top Secret" aus. Speziell Nick kennt fast jede Szene dieser Absurd-Komödie und weiß uns damit zum Lachen zu bringen. Nick spielt nicht nur mit einer Bassdrum schneller als viele Schlagzeuger mit Doublebass, sondern ist darüber hinaus auch ein wirklich charmanter und angenehmer Kollege mit hohem Gentlemanfaktor. Ein absoluter Zugewinn an den Drums.

 


In the Sign of Evil: Bei Session-Bassistin Alla Fedynitch sind sogar die Zollstöcke 101% Metal!
 

Im Appartement zurück, bekommen wir Besuch vom sehr sympathischen Destruction-Drummer Mark, der Nick, Matze und Alla noch zu einem Trip durch diverse Metal-Schuppen, u.a. das Halford mitnimmt. Ich entscheide mich heute zu mitternächtlicher Zeit für die Rolle der Spaßbremse und des Wellnesstossodomies, bleibe zuhause, lege mich 45 Minuten in die heiße Badewanne bis meine Hände wie die einer 80-jährigen Omi aussehen und ziehe mir noch einen Thriller im TV rein.

 

Samstag, 9. Februar

Ich wache so gegen 9 Uhr im Zimmer auf. Während Matze, Nick und Alla noch etwas Schlaf aufgrund der gestrigen Berliner Metalclubtour nachholen, gehe ich mit Liv und Alex im herrlichen Nikolaiviertel frühstücken, was allerdings gar nicht so einfach ist, weil die Läden in diesem hochgradigen Touri-Viertel alle sehr spät öffnen. Nach einem leckerem Frühstück geht’s dann zurück ins Appartement, wo auch die anderen sich mittlerweile startbereit für den Videodreh machen. Gegen 13 Uhr rückt dann auch das Filmteam ein. Da ein paar Schlagzeugfelle für Nicks komplett schwarzes Drumkit nicht angeliefert werden konnten, müssen wir noch vor Drehbeginn ein Musikgeschäft aufsuchen, wo wir 2 der 3 Felle ergattern können. Als ich dort mit dem Verkäufer spreche ruft mich Matze plötzlich vor den Laden. Da läuft kein geringerer als Oliver Kalkofe an uns vorbei, inklusive Hund und Einkaufstüte. Ich will noch etwas sagen, ihn auf Millionen seiner genialen Verarschungsbeiträge ansprechen, irgendwie witzig wirken, bleibe aber als Fan wie versteinert und kann lediglich auf sein freundliches "Guten Tag" antworten. Auch Alla, passionierte Sixstring-Bassistin und  Kalkofe-Diehard-Anhängerin ist sichtlich beeindruckt. Fans treffen Idole, haha. Immer noch fehlt uns nun so gegen 14 Uhr ein weiteres Schlagzeugzubehörteil und wir machen uns als letzte Chance zu einem weiteren Musikladen auf der dann auch glücklicherweise das gewünschte Objekt bereithält. Mit einem knuffigen Verkäufer im Bikerstil entspinnt sich folgender Dialog:

 

Matze: Kann ich mit EC-Karte bezahlen?

 

Verkäufer: Nee, und ik kann nich wechseln.. da ham wa den salat....kannste mit Koks zahlen?

 

Matze: Nee, definitiv net.

 


Das neue Drum-Schwergewicht im Hause Atrocity: Der Mann von der Insel, Nick Barker (Ex-Cradle of Filth, Ex-Dimmu Borgir, Ex-Testament).
 

Haha… solche Verkaufsgespräche wären in einem schwäbischen Musikgeschäft undenkbar. Mit allem Nötigen ausgestattet machen wir uns nun auf den Weg zum Videodrehort. Vorbei an Potsdam, den Babelsberg Filmstudios und Schloss Sanssouci erreichen wir schließlich Schloss Marquardt, das uns in einem gewissen morbiden Zustand und von einem großen See herrlich umrahmt empfängt. Die dortige Schlossverwalterin hat dem Videoteam lediglich eine Drehzeit bis 20 Uhr genehmigt, was den Dreh fast nicht bewältigbar machen würde. Dank Alex´ charmantem und zähem Nachfragen erlaubt uns die Verwalterin dann aber doch einen Dreh bis in die Nacht hinein. Da nun erstmal die Aufbauarbeiten im bitterkalten Schloss anstehen, verziehen sich alle nicht am Set gebrauchten Menschleins in die einzige Kaschemme im Ort Marquardt, "Zum alten Krug", gemanagt von einem sehr sympathischen Ein Mann-Unternehmen namens Hansi. Dieser bewirtet uns in der Drehwartezeit äußerst schmackhaft, freut sich bei der Sportschau diebisch über den 2:3-Sieg der Herthaner in Stuttgart und holt für Liv auch mal kurz nen Spiegel herbei, damit sich meine Lieblingssängerin auch vor dem Dreh vernünftig schminken kann. Während für Liv und Alex nun der Dreh von Gesangszenen beginnt, bauen Alla und Nick in Gemeinschaftsarbeit das komplett neue Schlagzeug von Nick auf, während Matze und ich uns um den Platz in der Pension kümmern. Gegen 1 Uhr hat dann Liv komplett durchgefroren ihre Aufnahmen beendet und gesellt sich schlafenderweise zu Nick, Matze und Alla in die Pension. Mit Alex fahr ich ins Schloss hinüber und bekomme nun zum ersten Mal einen Eindruck von den Räumlichkeiten, sehe den großen barockartigen Saal, in dem die Bandszenen gedreht werden und auch einen düsteren Raum, in dem noch einige Gesangszenen mit Alex gedreht werden. Dann endlich um 3.30 Uhr können die Bandszenen begonnen werden. Es wird gebangt und gepost was Nacken, Haare und kaltgefrorene Körper hergeben. Bis in die frühen Morgenstunden wird gedreht und meine neuen KollegInnen Nick und Alla erweisen sich als sehr professionell und routiniert, wobei speziell Alla sich bei ihren Einzelaufnahmen als sehr coole Chefbangerin erweist. Dann geht alles ganz schnell, einpacken, zurück ins Nikolaiviertel nach Berlin und von dort ab zum Flughafen, da unser Flieger nach Stuttgart bereits um 13 Uhr abhebt.

 

Lediglich die heimatverbundene Alla inklusive "Nokia muss bleiben"-Button hat noch mehrere Stunden Wartezeit bis zu ihrem Rückflug Richtung Ruhrpott. Die schlaflose Nacht hat bei mir ihre Spuren hinterlassen und aufgrund von akutem Schlafmangel habe ich bei einem schnellen Zwischenstopp an einer Tankstelle vor dem Rückflug ernsthaft Mühe meine Frühstückswünsche zu artikulieren. Letztlich gelingt es mir aber doch noch eine Butterbrezel, einen Homer-Simpson-artigen Donut und einen Berliner (wie passend) zu bestellen und in Empfang zu nehmen. Dementsprechend happy bin ich dann auch als ich mich am späten Nachmittag in der schwäbischen Heimat direkt ins Bettchen schmeißen kann. Flasche leer - end of the story.

 

Während eine Woche später  das Videoteam die Aufnahmen zur Rahmenhandlung von "The sun always shines" drehen wird, bereiten wir uns bereits auf das nächste Abenteuer, Leaves´ Eyes und Atrocity live in Mexiko-Stadt am 1. März beim Mandragora-Festival vor. Mehr davon demnächst hier bei Tossodomy and Lust.

 

Euer Tosso